Gemeinderat,
52. Sitzung vom 30.10.2009, Wörtliches Protokoll - Seite 47 von 95
hat,
wo der private Raum aufhört, und was man überhaupt überwachen darf. Das sind
dann die Probleme, mit denen wir zu kämpfen haben.
Und
noch ein Beispiel aus der Bundesrepublik. Die Bundeskanzlerin Angela Merkl
wurde persönlich Opfer von Videoüberwachung. Im März 2006 hat man festgestellt,
dass das Museum, das vis-à-vis videoüberwacht wird, auch fest in ihr Wohnzimmer
reingefilmt hat, und auch diese Daten und Bänder sind der Öffentlichkeit zur
Verfügung gestellt worden. Da muss man sich wieder fragen: Was wird denn wo
überall überwacht, wie sicher ist das, wer muss damit rechnen, dass er auch zu
Hause überwacht wird. Und dann nehmen wir einen sicher Unverdächtigen: Der Chef
der Videoüberwachung von Scotland Yard, Mike Neville, Großbritannien, vier
Millionen Kameras sind aufgehängt, das Land ist damit überzogen. Die können
kein Bier trinken, ohne dass draußen steht, dass drinnen eine Kamera ist, sie
können in keinen Bus einsteigen, sie können sich überhaupt nicht bewegen, ohne
dass Sie pro Tag, ich weiß nicht, ein paar hundert Mal abfotografiert oder
mitgefilmt werden. Was sagt der Chef der Videoüberwachung? Der ist zuständig
für das, und die haben so viel Geld ausgegeben, dass es sich in
milliardenschweren Investitionen am Schluss widerspiegelt. Der sagt:
„Milliardenschwere Investitionen in ein landesweites System von
Überwachungskameras haben in Großbritannien die Kriminalität nicht
eingeschränkt. Das Netz mit mehr als 4 Millionen Videokameras ist ein
völliges Fiasko.“ Das sagt der Chef, der zuständig ist bei Scotland Yard.
Und
ich behaupte, er hat recht, und es ist schade ums Geld. Wir brauchen das Geld
für soziale Sicherheit und nicht für Firmen, die Videokameras produzieren, und
wir haben eine Sicherheitsdebatte, die immer die gleiche ist, und die geht in
erster Linie um etwas, das ganz am Ende von allem steht, und da machen wir
jetzt einen Film. Das sollte nicht passieren, wir sollten da eher überlegen,
warum ist es immer noch möglich, dass in Vorarlberger Dörfern, in denen ich
aufgewachsen bin, die Haustüren nicht abgesperrt werden, wenn die Leute
einkaufen gehen, und es geht auch.
Nein,
nicht die Zeiten sind andere, weil das ist jetzt so, 2009. Was muss man tun,
das wäre ja trotzdem ein Ansatz. Es ist doch der schönere Zustand, als ich habe
eine Videokamera vor meiner Eingangstür.
Na
eben, und jetzt überlegen wir doch gemeinsam nicht, wie filmen wir uns alle Tag
und Nacht ab, sondern jetzt überlegen wir uns, wie kann man ein Zusammenleben
in der Stadt so organisieren, dass das nicht nötig ist. Und immerhin haben wir
ja viel Geld, das kostet ja Millionen. Das kostet viele Millionen, alle diese
Kameras. Bei den Wiener Linien ist ja ausgerechnet worden: Vandalismusrückgang
ganz klein, Geldausgaben so viel. Da fließen Millionen hinein. (GR Mag
Wolfgang Jung: Bei den Wiener Linien, da schauen Sie sich das an!)
Herr
Jung, der Rückgang an Vandalismus, da gibt es ja eine Studie dazu, die kennen
Sie ja auch, die haben ja alle Fraktionen, das Geld, das sich die Wiener Linien
durch den Rückgang an Vandalismus sparen, deckt nicht einmal zu einem Fünftel
die Ausgaben. (GR Mag Wolfgang Jung: Aber
geh, hör auf!) Millionen von Euro fließen da hinein, dafür, dass ein
bisschen weniger verschmiert wird. Das muss man sich überlegen: Möchte
irgendjemand da herinnen das Geld dafür ausgeben, also außer diejenigen, die
mit einem Sicherheitsberater verwandt sind? Sicher niemand. Es ist unlogisch,
es ist ökonomisch nicht sinnvoll, und es erfüllt den Zweck am Ende nicht.
Videoüberwachung, das sagt die Polizei in Deutschland, das sagt der Chef von
Scotland Yard in Großbritannien, das wissen auch ein ganzer Haufen von anderen
Leuten, und wenn ich es durchrechne, bringt es nichts.
Stimmt
schon, ein bisschen weniger habe ich, aber die Frage ist und bleibt:
Rechtfertigt das den Kostenaufwand? Ich sage Nein, weil man das Geld dringend
für etwas anderes braucht. Soziale Sicherheit kostet auch Geld, und dafür
sollten wir es ausgeben, ja, dafür sollten wir es ausgeben. Ich kann mich
erinnern, wie die Grünen mit
Flatter-Watch begonnen haben. Da hat es einen Aufschrei gegeben bei der ÖVP.
Das darfst du natürlich nicht, du darfst nicht jemanden von der ÖVP den ganzen
Tag auf die Finger schauen, das darf man natürlich nicht, das ist populistisch.
Und jedem Bürger und jeder Bürgerin Tag und Nacht auf die Finger schauen, ist
eine Unterstellung, dass eigentlich quasi jeder halb ein Krimineller ist. Das
ist eine Unterstellung, die sich die Leute nicht verdient haben. Verdient haben
sie sich etwas anderes, ein Leben in Würde, und da wäre das Geld viel besser
aufgehoben in einer Armutsbekämpfung in der Stadt.
Und wir reden ja tatsächlich über Millionenbereiche.
Und heute, es würde nicht ausreichen, wenn das so weitergeführt wird wie in
Großbritannien, da kostet uns das nicht ein paar Millionen und nicht
400 000 EUR, wir haben ja schon 400 000 EUR bei acht Bauten
ausgegeben. Es sind aber nicht acht Bauten, es sind ein paar hundert. Jeder Bau
50 000 EUR und noch einmal 50 000 EUR, wie viele Millionen
Euro - und ob das dann die Mieterinnen und Mieter im Gemeindebau zahlen oder
die Mieterinnen und Mieter in Wien, weil irgendjemand wird es ja zahlen müssen
in Wien, dann zahlen es halt nicht die 212 000 Wohnungsmieterinnen und Wohnungsmieter
im Gemeindebau, sondern zahlen es halt die 850 000 bis 900 000
Haushalte in Wien, aber irgendjemand zahlt das, diese Überwachung kostet ja
Geld, und wir alle zahlen das. Jetzt tun mir die da herinnen noch nicht so
leid, wenn sie das mitzahlen müssen, das geht sich aus, aber von den
Mindestpensionisten da draußen weiß ich nicht, warum die dafür ein paar Euro
zahlen sollen. Und der mit dem durchschnittlichen Einkommen im Gemeindebau, der
muss das auch nicht selber zahlen. Teilen wir es halt auf zwischen drei
Wohnungen im privaten Sektor und eine im Gemeindebau. Die zahlen dann zu viert
die Videoüberwachungen im Gemeindebau, irgendjemand brennt das. Das Geld wäre
hundert Mal besser wo anders aufgehoben. Zu dieser Geschichte mit, man kauft
sich da Sicherheit ein, da gibt es ja noch andere Studien, wenn man weggeht vom
Geld. Zuerst steigert es das subjektive Sicherheitsgefühl
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