Gemeinderat,
52. Sitzung vom 30.10.2009, Wörtliches Protokoll - Seite 35 von 95
Aber dort, wo Sie verantwortlich sind, wo vor allem Ihr Wiener
ÖVP-Chef, nämlich Gio Hahn, verantwortlich ist, herrscht absoluter Stillstand!
Dort herrscht die Katastrophe! Wien bekennt sich zur Kultur und zur Kunst.
Dieses Bekenntnis bedeutet natürlich auch, dass wir Verantwortung wahrnehmen,
ganz anders als Gio Hahn im Bund und ganz anders als Gio Hahn im Uni- und
Hochschulbereich.
Sie haben anscheinend keine Ahnung, wie es dort zugeht. Deswegen möchte
ich Ihnen vielleicht ein paar kleine Geschichten und Schmankerln näherbringen.
Haben Sie sich vielleicht in den letzten Jahren für irgendein Studium
interessiert? Oder hat sich irgendjemand von Ihnen schon einmal immatrikuliert
oder inskribiert? Wissen Sie, wie schrecklich das ist? Wissen Sie, wie lange
man dort in der Schlange steht und dass man dann vielleicht gar nicht mehr
drankommt, weil das Büro sowieso schon zu hat? Wissen Sie, wie viel
bürokratischer Aufwand damit verbunden ist? Anscheinend wissen Sie das nicht,
weil sonst könnten Sie nachvollziehen, in welcher Situation die Studierenden in
diesem Land sind, warum ganz zu Recht Hörsäle besetzt werden und warum
demonstriert wird!
Genauso wissen Sie anscheinend nicht, wie Anmeldungen zu
Lehrveranstaltungen vonstatten gehen. Ich erzähle es Ihnen: Es sitzen Armadas
von Studierenden um 12 Uhr in der Nacht zu Hause, weil um 12 Uhr in
der Nacht die Anmeldefrist beginnt und man weiß, dass 5 Minuten nach 12
beziehungsweise 3, 4 Minuten nach der Freischaltung sämtliche Plätze belegt
sind. Das heißt, man sitzt als Student um 12 Uhr in der Nacht vor dem
Computer, versucht sich anzumelden und schafft es dann aber trotzdem nicht,
weil der Server der Universität abgestürzt ist. Sollte man es schaffen, sitzt
man in einer überfüllten Vorlesung, wo man absolut nichts mitbekommt. So schaut
die Situation in einem wichtigen politischen Bereich aus, wo Sie ursächlich
verantwortlich sind. Aber uns hier vorzuwerfen, dass wir eine wichtige
Adaptierung in einem Theater vornehmen wollen, ist absolut absurd! (Beifall bei der SPÖ.)
Eine Propaganda, die ständig von Ihnen kommt - schon seit Gehrer kommt
das -, ist, angeblich gibt es zu viele Studierende. Nein, es gibt nicht zu
viele Studierende, sondern es gibt zu wenig Platz für die Studierenden, die wir
in Österreich unbedingt brauchen. Es weiß jeder in diesem Land, dass wir zu
wenig Studierende und vor allem zu wenig Akademiker und Akademikerinnen haben.
Die Uni-Politik und Hochschulpolitik, wie sie Gio Hahn, Ihr ÖVP-Chef, macht,
ist absolut kontraproduktiv und katastrophal. (Beifall bei der SPÖ.)
Die Universitäten sind heute leider zu Fabriken verkommen, wo
Matrikelnummern und nicht Menschen gelehrt werden und wo versucht wird,
Matrikelnummern so schnell wie möglich durchs System zu schleusen. Das ist ein
Zustand, den wir einfach nicht hinnehmen können! Die Unis sind chronisch
unterfinanziert. Sie sind personell katastrophal ausgestattet und es lehren
demotivierte und überbelastete Professoren und Professorinnen. Es ist ein sehr
undemokratisches System. Die Studenten haben fast überhaupt keine
Möglichkeiten, sich zu Wort zu melden, geschweige denn, über etwas abzustimmen
oder zuzustimmen. Es wird auch immer wieder vergessen, immer noch ist das
Bildungssystem, und vor allem das Hochschulsystem, ein sozial sehr selektives
System, wo es sich vor allem junge Menschen aus gut betuchten Kreisen oder der
Mittelschicht leisten können zu studieren, Menschen aus der unteren sozialen
Schicht können es sich hingegen überhaupt nicht leisten.
Noch eine ganz wichtige Sache: Immer noch sind die Universitäten ein
reiner Männerhort, wenn man sich vor allem die Professorenlandschaft anschaut.
Ich glaube, über 95 Prozent der Professoren sind männlich, 5 Prozent
sind weiblich. Für all das ist ÖVP-Wien-Chef Gio Hahn verantwortlich und Sie
stellen sich hier hin, wenn wir eine zusätzliche Adaptierung eines Theaters
beschließen wollen! Ich muss es noch einmal sagen, das ist absolut absurd! (Beifall bei der SPÖ. - GR Dipl-Ing Martin
Margulies: Seid ihr auf Bundesebene Oppositionspartei?)
Als Antithese steht die Stadt Wien da. Zum ÖVP-dominierten
Hochschulministerium steht die Stadt Wien da. Wir sind zwar nicht fürs
Hochschulwesen zuständig, das wissen wir alle, trotzdem übernehmen wir
natürlich Verantwortung. Ich erinnere zum Beispiel nur an die ermäßigten Tarife
der Wiener Linien für Studierende. Ich erinnere an die Förderung des Baus und
der Modernisierung von Studentenwohnheimen. Ich erinnere an die Refundierung
der Grundsteuer an die Wiener Universitäten und Forschungsinstitute oder an die
Unterstützung der Universitäten bei Umbau- und Neubaumaßnahmen, wie jüngst zum
Beispiel beim WU-Campus, was Sie auch schon erwähnt haben, oder im ehemaligen
Gelände der Wiener Messe. (GRin Nurten
Yilmaz: Oder an die Wohnbeihilfe!) Das heißt, in jeder Hinsicht und vor
allem in Bildungsfragen und in Fragen der Kunst und Kultur ist die SPÖ-Wien und
ist die Stadt Wien die Antithese zur rückständigen und visionslosen ÖVP! Das
muss einmal gesagt werden! (Beifall bei
der SPÖ.)
Noch einmal, ich bin stolz darauf, Mitglied des Wiener Gemeinderates zu
sein. Ich bitte darum, dass vielleicht auch die Kollegen der ÖVP und der FPÖ
sich das noch einmal überlegen, dass wir gemeinsam mit den GRÜNEN einen
Solidarisierungsantrag eingebracht haben. Wir solidarisieren uns mit den
Studenten und Studentinnen, mit den Uni-Besetzerinnen und Uni-Besetzern, die
seit Tagen friedlich für ihre Rechte und für ein zukunftsträchtiges und sozial
durchlässiges Bildungssystem demonstrieren. Angesichts der Uni-Proteste und,
ich sage es noch einmal, der katastrophalen Situation an den Universitäten ist
das heutige ÖVP-Schauspiel absolut absurd! - Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ.)
Vorsitzender GR Günther Reiter:
Ich habe jetzt noch zwei Wortmeldungen bekommen. Die erste ist von Klubobmann
Dr Tschirf. - Bitte schön.
GR Dr Matthias Tschirf (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt
Wien): Lieber Herr Vorsitzender! Frau Berichterstatterin! Meine sehr
geehrten Damen und Herren!
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