Gemeinderat,
52. Sitzung vom 30.10.2009, Wörtliches Protokoll - Seite 20 von 95
darüber zu reden, was wir tun können, um diese Probleme zu überwinden.
Da gibt es mindestens drei Dinge, die die Stadt Wien tun kann, immer noch tun
kann, und ich verstehe nicht, wieso sich die Debatte nicht darum dreht.
Da wäre erstens einmal sicherzustellen, dass Neuzuwanderer nach
kanadischem Vorbild, nach schwedischem Vorbild in den ersten Jahren nach der
Einwanderung nicht nur kostenlose, aber dafür verpflichtende Deutschkurse zur
Verfügung gestellt bekommen, sondern auch die Möglichkeit erhalten,
mitgebrachte Qualifikationen anerkennen zu lassen. Denn wir wissen alle, dass
hier vielfach Menschen mit Fachkenntnissen und Fachqualifikationen einwandern,
die dann ganz einfach mangels Anerkennung ihrer Qualifikationen teilweise als
Hilfsarbeiter und Hilfsarbeiterinnen eingesetzt werden.
Zweitens: Es gilt, Probleme wahrzunehmen und Lösungen anzubieten. Es
tut mir leid, aber ich finde nach wie vor die Art und Weise, wie die Stadt Wien
im Zusammenhang mit den Alltagskonflikten umgeht, sei es jetzt in Parks, sei es
in Gemeindebauten, wo auch immer sich diese ergeben, sehr, sehr inadäquat. Es
reicht nicht aus, zwölf Mediatorinnen und Mediatoren zu haben und uns heute
seitens der Frau Stadträtin zu bestätigen, dass einige wenige dazukommen in den
Außenstellen. Es braucht Sozialarbeit vor Ort. Es braucht Menschen, die vor Ort
unmittelbar Betreuung leisten.
Ich bringe Ihnen ein gutes Beispiel, wie wir es alle vom
George-Washington-Hof kennen. Das ist ein Hof, wo jeder, der sozusagen einmal
wissen möchte, wie es funktionieren kann, wirklich eingeladen wäre,
vorbeizuschauen. Das gilt auch für Sie, meine Damen und Herren von der FPÖ.
Dort gibt es eine Dame, die in ihrer Freizeit die Kinder betreut. Sie macht
Nachmittagsbetreuung mit den Kindern, sie macht auch Lernbetreuung mit den
Kindern. Dort gibt es ein Klima, das total anders ist als das, was wir
teilweise kennen aus anderen Bauten, weil engagierte Menschen vor Ort seit
Jahren – noch einmal – mit den Kindern und den Jugendlichen arbeiten.
Das gilt es nicht, in einem Hof zu haben, sondern in ganz Wien zu
haben. Und dafür haben wir nicht viel Zeit. Wir können uns nicht mehr
Strategien leisten, die vielleicht in zehn Jahren, in fünfzehn Jahren Früchte
tragen werden. Es muss gehandelt werden, und zwar jetzt.
Eines sage ich Ihnen abschließend schon: Auf diese Art und Weise, wie
dieses Thema angegangen wird, sowohl seitens der SPÖ als auch seitens der FPÖ,
sehe ich nicht, wie man zu einem friedlichen, gedeihlichen Miteinander finden
kann. Ich sehe nicht, wie Gemeinschaft entstehen und gelebt werden kann in
dieser Stadt. Doch darum geht es, wenn wir von Integrationspolitik sprechen.
Wir jedenfalls, wir Grüne lassen
Wien nicht auseinanderdividieren. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Vorsitzende GRin Inge Zankl: Als Nächste zu Wort Frau
gelangt Frau StRin Ing Leeb.
StRin Ing Isabella Leeb: Sehr geehrte Damen und Herren!
Sehr geehrte Frau Vorsitzende!
Rücksichtnahme und Respekt. – Also ich gehe jetzt einmal davon aus,
dass es sich um einen Zufall handelt, dass man das in zeitlicher Nähe zur Wahl
entdeckt in der Stadt Wien und vor allem in der SPÖ, doch schauen wir uns an,
wie Rücksichtnahme und Respekt zur Zeit in dieser Stadt gehandhabt werden.
Ist es ein Zeichen für Rücksichtnahme und Respekt, Anliegen von Bürgerinnen
und Bürgern zu ignorieren oder Missstände zu leugnen? Beispiele dafür gibt es
genug. Über den Integrationsbereich haben wir schon sehr viel gehört. Ich
möchte etwas auf den Bildungsbereich eingehen, und hier herrscht nicht Respekt,
sondern hier herrscht in erster Linie Resignation und Machtlosigkeit. (GR Heinz Vettermann: Wie bitte?) Wenn
Sie Ihren Respekt so vermitteln wollen, dass Sie da jetzt dazwischenrufen, ist
es auch ein schönes Zeichen dafür, was Sie unter Respekt verstehen.
Eltern, Lehrer und Sozialarbeiter beklagen die wachsende
Respektlosigkeit und Gewaltbereitschaft in den Schulen, und ich werde Ihnen
jetzt gleich ein schönes Beispiel dafür bringen. Das ist nicht erfunden, das
ist heuer zu Beginn des Schuljahres in Wien passiert. (Zwischenruf von GRin Sonja Ramskogler.) Auch Sie sind ein schönes
Beispiel dafür, wie man respektvoll miteinander umgeht. (Neuerlicher
Zwischenruf von GRin Sonja Ramskogler.) Ja, danke.
Es gibt eine Hauptschule in Wien, da hat es in den ersten vier
Schulwochen sieben Suspendierungen gegeben, sieben Suspendierungen auf Grund
von Vorfällen, die nicht lustig sind. Da gab es Gewaltbereitschaft im höchsten
Maße, da wurden Kinder auf dem Heimweg verprügelt und ausgeraubt. Sieben Fälle,
die gerichtsanhängig sind, sieben Fälle, wo Jugendliche zu Tätern geworden
sind. – Ich tu mir da jetzt ein bisschen schwer, denn die sind keine Täter, die
sind Opfer eines gescheiterten Bildungssystems in Wien.
Wo bleibt da der vielgerühmte Respekt gegenüber denen, die mit letzter
Kraft versuchen, das System überhaupt noch am Laufen zu halten? Wo bleibt der
Respekt vor den Lehrern, vor den Direktoren, die mit Eigeninitiative
mittlerweile sogar Geld zusammenlegen, um Klopapier zu kaufen, weil kein Geld
mehr da ist, weil die Budgets leer sind? (GRin Sonja Ramskogler: Auf Grund
der Bildungspolitik des Bundes! Hätten Sie sich an die Kollegin Gehrer
gewendet!) Auf der anderen
Seite, wenn es darum geht, Werbebroschüren zu verteilen und Alibiumfragen zu
starten, ist uns nichts zu teuer.
Wer den Respekt populär machen möchte, wird sich auch von seinen
Verhaltensmustern lösen müssen. Eine Kultur des Respekts hat aber nichts mit
Unterwürfigkeit zu tun, und auch dazu kann ich Ihnen ein nettes Beispiel
bringen, wie Bürgerinnen und Bürger teilweise als Bittsteller wahrgenommen und
behandelt werden.
Ein junger Wiener mit nigerianischen Wurzeln
versucht seit einem dreiviertel Jahr eine Betriebsanlagengenehmigung zu
bekommen. Ich will Ihnen da die Details ersparen, man kann es im „Standard"
schön nachlesen, da ist alles dezidiert aufgezeigt, aber eines möchte ich Ihnen
schon mitgeben, zwei Originalzitate des zuständigen Magistratsbediensteten.
Beim ersten Zusammentreffen hat er gehört: „Des wirst dir du eh net leisten
können!" Und ein paar Verhandlungen später, wo man dann
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