Gemeinderat,
48. Sitzung vom 22.06.2009, Wörtliches Protokoll - Seite 43 von 118
das erste Geschäft mit einem neuen Kunden. Kredite
dienen den Banken also auch zur Neukundengewinnung.
Banken wollen Kredite vergeben. Nur gibt es zum
Leidwesen der Banken durch Basel II ein neues Vier-Augen-Prinzip, und zwar
einerseits Sachbearbeiter und andererseits Ratingcomputer. Der Ratingcomputer
akzeptiert keine persönlichen Gründe oder persönliche positive Erfahrungen mit
dem Kunden. Das Eigenkapital der Banken beträgt ohnedies nur etwa
8 Prozent, und Kreditausfälle wirken sich direkt auf das Eigenkapital der
Banken aus. Pro Jahr, so hat er mir erzählt, fallen bei den Banken etwa 1,5 bis
2 Prozent der Kredite beziehungsweise der Kreditsumme aus; heuer
befürchtet man, dass es sogar 3 Prozent sein werden. Das bedeutet immerhin
für die Banken: Wenn sie 100 EUR verborgen, bekommen sie nur 97 EUR
zurück.
Jetzt kommt für die Banken noch eine besondere Tücke
durch Basel II hinzu. Hat ein Kreditkunde zum Beispiel eine unbewilligte
Überziehung, also ein Überschreiten des Überziehungsrahmens, um mehr als
90 Tage oder ist er mit einer Kreditrate um mehr als 90 Tage säumig,
bedeutet dies für die Bank nach den Bestimmungen von Basel II einen
kompletten Zahlungsausfall des Kredits oder der Banküberziehung, der dann in
der Bilanz bilanziert werden muss, was das Eigenkapital der Bank schmälert.
Aus diesen und anderen Gründen sind mittlerweile auch
die Banken mit den Bestimmungen von Basel II unglücklich. Die Unternehmer
sind gegen Basel II, die Wirtschaftskammer ist gegen Basel II,
namhafte Politiker sprechen sich für Änderungen der Bestimmungen von
Basel II aus. Sogar Banken und Kreditinstitute äußern sich mittlerweile
kritisch zu Basel II. Sehr geehrte Frau Vizebürgermeister, unterstützen
Sie bitte diese Bestrebungen im Interesse der Wirtschaft, speziell im Interesse
der Wiener Wirtschaft! (Beifall bei der FPÖ.)
Sehr geehrte Frau Vizebürgermeister! Die SPÖ behauptet
immer, dass sie sich für die Anliegen der österreichischen KMUs stark macht.
Wir konnten das leider nicht feststellen. Bitte verabsäumen Sie es nicht, dem
größten Arbeitgeber Wiens, den KMUs, die überlebensnotwendigen Unterstützungen
im Interesse aller Wiener zu geben! Sprechen und unterstützen Sie auch die
Banken bei ihren Basel II-Bemühungen, übernehmen Sie aber auch Haftungen
und gewähren Sie entsprechende Förderungen, anstatt die Wirtschaftsförderung
weiter zu kürzen.
Seien Sie nicht nur die Lobby für Großbetriebe, die
nur 2 Prozent der Dienstgeberbetriebe Wiens ausmachen. Seien Sie auch die
Lobby für die restlichen 98 Prozent der Dienstgeberbetriebe Wiens, die
KMUs! Seien Sie die Lobby für die KMUs, die Unterstützung der Freiheitlichen
Fraktion dafür haben Sie. (Beifall bei der FPÖ.)
Vorsitzender GR Dr Wolfgang Ulm: Das
Wort hat Herr GR Dipl-Ing Margulies. - Bitte.
GR Dipl-Ing Martin Margulies (Grüner
Klub im Rathaus): Sehr geehrte Damen und Herren!
Wie meine Kollegin Jerusalem angesichts meines
Vorredners festgestellt hat, was gesagt werden muss, muss gesagt werden (Heiterkeit
bei den GRÜNEN), werde auch ich in dieser Art und Weise versuchen, mich mit
der Finanzgruppe 4 auseinanderzusetzen, wenngleich ich im Sinne einer
freiwilligen Redezeitbeschränkung versuchen werde - und hoffe, damit
tatsächlich eine Vorbildwirkung zu entfalten -, mich auf zehn Minuten zu
beschränken.
Beginnen wir mit der Gesamtsituation der Finanzen in
Wien. Entgegen manchen Darstellungen sind wir ja für die Wirtschaftskrise
wunderbar aufgestellt; nicht, weil das Management in den letzten Jahren so
super oder so schlecht gewesen wäre, sondern weil Wien einfach recht viel Geld
hat. Wer sich tatsächlich einmal diesen Rechnungsabschluss anschaut, Aktiva und
Passiva gegenüberstellt: Wir haben Aktiva - die nicht alle gleich verfügbar
wären - von knapp 9 Milliarden EUR, Passiva von grob
6 Milliarden EUR. Na ja, das schaut nicht so schlecht aus. Die
Geldbestände am Jahresende sind höher als das, was die Anleihen de facto
darstellen.
Wir hätten also die Möglichkeit - und ich hoffe doch,
dass wir das in Zukunft auch machen werden -, tatsächlich antizyklisch
gegenzusteuern. Genug Geld wäre vorhanden. Und es wäre für die
Wirtschaftspolitik in Wien nicht schlecht gewesen, wenn wir das schon im Jahr
2008 begonnen hätten und nicht de facto immer hinterherhinken würden.
Nichtsdestoweniger ist es traurig - und da beginnen
wir einmal mit den Wiener Stadtwerken -, wenn im Zuge der Wiener Stadtwerke
auch jetzt noch Sachen, die eigentlich Erhaltungsarbeiten sind, als
Konjunkturpaket verkauft werden. Andere werden tatsächlich vorgezogen, wie die
Ustraba-Sanierung. Aber Gleisanlagen zu tauschen, das ist entweder notwendig
oder es ist sinnlos, eines von beidem; ich tausche keine Gleise aus, die in
Ordnung sind. Das heißt, es sind normale Instandhaltungsarbeiten, so wie zum
Beispiel der letzte Beschluss über 42 Millionen EUR für die Wiener
Stadtwerke.
Ja, wenn es notwendig ist, sollen wir es den Wiener
Stadtwerken geben. Aber verkaufen wir es nicht als Konjunkturpaket,
insbesondere dann, wenn wir gleichzeitig schon wissen - und da komme ich gleich
zum zweiten Punkt, einer Verknüpfung von Wiener Stadtwerken und Stadt Wien -,
dass uns die Cross-Border-Leasing-Geschäfte tatsächlich etwas gekostet haben. (GR
Heinz Vettermann: Es wäre notwendig ...!)
Im Geschäftsbericht der
Wiener Stadtwerke steht auf der einen Seite drin: Für die Auflösung sind für
das Jahr 2009 einmal 7 Millionen EUR zurückgestellt worden. Was es im
Jahr 2008 gekostet hat, die Zusatzkosten der Transaktionen, ist tatsächlich
schon im Rechnungsabschluss eingepreist. Gleichzeitig haben wir eine
Sicherstellung in Form eines Depots von 38 Millionen EUR machen
müssen. Na ja, und innerhalb der Stadt Wien haben die Auflösungsgeschichten
auch etwas gekostet. Davon erfahren wir nicht einmal etwas, weil das alles
streng geheim ist.
Traurig,
aber wahr: Wenn der Bereich des Cross
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular