Gemeinderat,
48. Sitzung vom 22.06.2009, Wörtliches Protokoll - Seite 42 von 118
und vermutlich auch des ÖGB wären Ihnen gewiss. (Beifall bei der FPÖ.)
Dass dies dringend erforderlich ist, zeigen die
Schlagzeilen von Wirtschaftsblättern: „Firmenpleiten steigen heuer um
15 Prozent". Oder: „Plus 15 Prozent halte ich für
realistisch." Oder: „Firmenpleiten ziehen in Österreich an." Insolvenzen:
„Im Vorjahr stiegen die Insolvenzen lediglich um 2,2 Prozent, im Jänner
2009 jedoch um 4 Prozent."
Die Gesamtzahl der Insolvenzen, also von
Unternehmensinsolvenzen und Privatinsolvenzen, ist aber im ersten Quartal 2009
um 12,7 Prozent auf insgesamt 1 451 angestiegen. Das bedeutet, meine
sehr geehrten Damen und Herren, dass es pro Tag 16 Insolvenzen gibt!
Allein im Zeitraum der heute und morgen stattfindenden
Rechnungsabschlussdebatte gibt es, statistisch betrachtet, 32 neue Insolvenzen.
Das ist doch entsetzlich, sehr geehrte Frau Vizebürgermeister! Hier wäre
dringendes Handeln gefordert.
Bei den Privatinsolvenzen handelt es sich nicht nur
um Privatpersonen im Sinne von Nichtunternehmen. Ein wesentlicher Teil dieser
Privatinsolvenzen betrifft Einzelunternehmen, bei denen durch den Fristenlauf
des Insolvenzverfahrens der Insolvenzantrag erst eingebracht wurde, nachdem der
Rollbalken des Unternehmens unten war und somit diese Unternehmensinsolvenz zu
einer Privatinsolvenz wurde.
Ich darf betonen: Ein Großteil der Privatinsolvenzen
betrifft ehemalige Klein- und Mittelbetriebe! Diese Insolvenzen entstehen
natürlich nicht nur wegen der so genannten Wirtschaftskrise, sondern auch wegen
der geringen Eigenkapitalausstattung der Klein- und Mittelbetriebe. Ich habe
hier schon mehrmals auf diese speziellen Probleme bei den KMUs hingewiesen. Von
den Betrieben mit 1 bis 9 Dienstnehmern haben fast 55 Prozent ein
negatives Eigenkapital, und von den Betrieben mit 10 bis 49 Beschäftigten
haben immerhin noch 35 Prozent ein negatives Eigenkapital. Das bedeutet,
meine sehr geehrten Damen und Herren, dass fast die Hälfte dieser Betriebe
überschuldet oder sogar Krisenbetriebe sind!
Sehr geehrte Frau Vizebürgermeister! Auf diese
katastrophale Situation verweise ich ebenfalls schon seit vielen Budget- und
Rechnungsabschlussdebatten, mit dem Ersuchen an Sie, sich für diese Unternehmen
einzusetzen. Konkrete Handlungen seitens des Landes Wiens und seiner
sozialdemokratischen Wirtschaftsstadträtin habe ich bisher leider keine feststellen
können. Im Gegenteil, unter Position 7822, Wirtschaftsförderung, finden sich im
Rechnungsabschluss 2007 96 Millionen EUR; im Rechnungsabschluss
2008 waren es nur mehr 94 Millionen, das sind um 2 Millionen weniger. Das
sind keine neuen Unterstützungen, sondern das sind weniger Förderungsmittel!
Besonders hinweisen möchte ich auf den Umstand, dass
die Kürzung der Wirtschaftsförderung bereits ein über viele Jahre anhaltender
Trend ist. Noch vor der Wirtschaftskrise hat auch Frau Wirtschaftskammerpräsident
Jank festgestellt, dass es bei den KMUs Handlungsbedarf gibt. Schlagzeile
damals im „WirtschaftsBlatt“: „Finanzierung: Wirtschaftskammer Wien sieht ein
Drittel der KMU bedroht." Aus diesem Pressedienst: „17 Prozent der
72 500 Wiener Klein- und Mittelbetriebe befinden sich in einer
katastrophalen Situation. Sowohl die Eigenkapitalquote als auch die
Umsatzrendite sind negativ. Nimmt man KMUs mit niedriger Eigenkapitalquote und
niedrigem Gewinn vor Steuern dazu, sind 31 Prozent der Wiener KMU extrem
gefährdet." - So das Zitat der Frau Wirtschaftskammerpräsident Jank.
Was ist die Folge von fehlendem Eigenkapital? -
Fremdkapital, Kredite! Und diese bekommen die Unternehmen in Zeiten von
Basel II und der Bankenkrise nur schwer. Dazu eine Schlagzeile. „Kreditklemme
treibt Pleiten nach oben." „Das Bild der Banken als wichtigste
Firmenfinanzierer bekommt Kratzer."
Damit bin ich wieder beim leidigen Thema der
Problematik von Basel II. Gegen Basel II haben sich ja schon viele
namhafte Politiker ausgesprochen. Auch Herr Wirtschaftskammerpräsident Leitl
fordert diesbezügliche Änderungen.
In Wirtschaftszeitungen finden sich in den letzten
Wochen und Monaten Schlagzeilen wie zum Beispiel diese, in der Präsident Muzicant
über die restriktive Finanzierungspolitik der Banken sagt: „Appelliere an die
Banken, mit dem Unfug aufzuhören." Oder Bauträger fordern: Weg mit
Basel II! Sogar der Generalsekretär des Sparkassenverbandes, Ikrath,
fordert: „Basel II-Kriterien müssen jetzt aufgeweicht werden." „Das
strenge Bonitäts-Rating" von Basel II „ist derzeit
kontraproduktiv."
Oder Investkredit-Vorstand Wilfried Stadler: „Neue
Wertediskussion für das Thema Basel II." „Das Thema Basel II war
viele Jahre über ein harter Kampf. In der Krise entpuppen sich die sklavischen
Ratings als kredithemmend. So fordert Banker Wilfried Stadler ein
Umdenken."
Oder: „Raiffeisen schießt scharf gegen ...
Basel II". Daraus: „Bei Basel II seien Anpassungen ebenfalls
rasch nötig: Auch wenn es bei Raiffeisen ‚keine Kreditklemme' gebe, seien
Ausleihungen für Unternehmer erschwert. ‚Selbst gute Betriebe müssen mehr
Sicherheiten bringen oder höhere Zuschläge zahlen. Das ist ein Effekt, den wir
in der momentanen Wirtschaftslage nicht brauchen können.'" - So
Generaldirektor Hameseder von der Raiffeisenbank Niederösterreich-Wien.
Vor wenigen Tagen habe ich mit dem
Österreich-Firmenbetreuer einer großen österreichischen Bank gesprochen, der
diese Meinungen natürlich nicht nur bestätigte, sondern auf weitere Probleme
durch Basel II für die Banken verwies und mir auch noch einige andere
interessante Zahlen mitteilte. Ich darf hierüber kurz berichten.
Der Großteil der Betriebserlöse
österreichischer Banken stammt aus dem Kreditgeschäft, und zwar zu
45 Prozent; 30 Prozent kommen aus Veranlagungen und 25 Prozent
aus Dienstleistungen. Dabei ist das Kreditgeschäft nicht nur der größte Teil
der Erlöse der Banken, sondern Kreditgeschäfte sind in vielen Fällen
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