Gemeinderat,
46. Sitzung vom 29.04.2009, Wörtliches Protokoll - Seite 81 von 113
einiges beitragen, sie tut viel zu wenig dazu.
Wir haben Anstandsverletzungen im öffentlichen Raum,
wir sind konfrontiert mit Aggressivität und Rücksichtslosigkeit. Wir sind als
Politiker für die Schwachen da. Warum sollen sich die Rücksichtlosen und
Aggressiven im öffentlichen Raum durchsetzen und die anderen verdrängen? Ob das
der Gemeindebau ist, ob das der U-Bahn-Bereich ist, der Karlsplatz ist,
Parkanlagen - wir sind konfrontiert mit Alkoholmissbrauch im öffentlichen Raum,
mit Bettelei, mit Hütchenspielern, mit Verschmutzungen, mit Verwahrlosung von
Straßenzügen und Wohngebieten, mit Graffiti-Schmierereien, wo man einfach nicht
die Gelegenheiten, die die Stadt hätte, ergreift, um für diese Stadt mehr
Lebensqualität zu bringen. Schön, sauber, sicher. Ich gehe einmal davon aus,
dass sich darauf auch die Sozialdemokratie verständigen könnte. Nur, Sie
schaffen es nicht. Sie schaffen es nicht schön, sauber und sicher. Und es gibt
verschiedene Ansatzpunkte, aber keiner ist Ihnen wirklich recht, weil Sie es
allen recht machen wollen und wir damit mehr Lebensqualität in dieser Stadt
einfach nicht erreichen. Wir müssten natürlich Aufgaben, die die
verschiedensten Ordnungsdienste jetzt schon haben, konzentrieren, Synergien
könnten genutzt werden und wir könnten die Polizei von bestehenden Aufgaben
entlasten. Ich sage Ihnen, dass die Polizei heute zu einem Drittel mit der
Kontrolle von Verwaltungsdelikten aus dem landesgesetzlichen Bereich
aufgehalten ist. Lärmerregung ... (GR Godwin Schuster: Woher haben Sie
das?) Ja, ich spreche sehr viel mit Polizistinnen und mit Polizisten, Herr
Kollege (GR Godwin Schuster: Ja?), und darum weiß ich das sehr gut, ja. (GR
Godwin Schuster: Das ist ja eine Annahme!) Lärmerregung. Das versteht doch
kein Mensch, warum unsere Polizisten so oft ausfahren müssen, weil irgendwo zu
laut Radio oder Klavier gespielt wird. Das ist doch einfach nicht einsehbar!
Und was die Gastronomie betrifft ... (GR Dr Kurt Stürzenbecher: Was
haben Sie gegen das Klavierspielen?)
Ja, wenn es zur Unzeit erfolgt, bitte, dann, wenn man nicht darf, dann muss
dagegen eingeschritten werden und da braucht man keinen Polizisten dafür,
sondern das könnte natürlich ein Stadtwachebeamter machen. Und darüber hinaus
könnte man natürlich einer Stadtwache auch noch ganz andere Aufgaben aus den
unzähligen Landesgesetzen und ortspolizeilichen Verordnungen übertragen.
Man muss den Karlsplatz
immer wieder ansprechen. Wir können uns mit dem Missstand, der dort herrscht,
nicht zufriedengeben. Wir können nicht sagen, es ist eh nicht so schlimm,
woanders ist es noch viel schlimmer. Es kann immer noch übler kommen,
ja. Das kann ja kein politischer Ansatz sein. Wir müssen uns um die Randgruppen
kümmern, die dort sind, nicht nur, weil die Bevölkerung belästigt wird und zum Teil
sehr in ihrer Lebensqualität beeinträchtigt wird, auch weil man den armen
Teufeln dort helfen muss. Ich kann ja nicht sagen, das ist sein gutes Recht,
dass er sich zugrunde richtet und darum kümmern wir uns nicht um ihn.
Das gleiche Problem mit Randgruppen haben wir am
Julius-Tandler-Platz oder bei anderen Bahnhöfen. Ich meine, da bekommt doch SAM
tatsächlich im Jahr 300 000 EUR zur Verfügung gestellt. Da werden
ungefähr 30 Personen betreut. Wenn ich das jetzt umrechne, könnte ich jedem
aus dieser Randgruppe 10 000 EUR geben. Wenn ich ihm die gebe, ist er
nicht mehr Mitglied einer Randgruppe, sondern kann ein normales Leben führen.
Man muss ja sinnvoll Sicherheitspolitik machen und sinnvoll Sozialpolitik
machen. Das sind wir ja auch den Menschen schuldig, die unserer Hilfe bedürfen.
Und da immer nur so oberflächlich darüber hinweggehen - ich sage es gleich, es
geht um eine Kombination von Sozialpolitik und Sicherheitspolitik.
Sozialarbeiter und Repression, beides brauchen wir natürlich. Aber ohne Repression,
nur mit guten Ratschlägen zu arbeiten, so wie es in dieser Broschüre, die ich
jetzt zitieren werde, der Fall ist, so geht es natürlich auch nicht. Da gibt es
diesen Knigge für Obdachlose: „Leitfaden für Menschen, die sich im öffentlichen
Raum aufhalten.“ Es wird in dieser Broschüre gewarnt vor Urinieren und Sex in
der Öffentlichkeit, Verstellen des Weges, aggressives Betteln, Misshandlungen,
Sprühen von Graffitis, Zelteln, Musizieren, gefährlichen Drohungen wie: „Ich
bring dich um.“ Dafür gibt es diese Broschüre. Die wird dann im Fall der Fälle
ausgehändigt. Sehr geehrte Damen und Herren, das ist so, wie wenn ich einem
Raser, den ich ertappe, einen Autofahrer, der zu schnell fährt, nachher ein
Exemplar der Straßenverkehrsordnung in die Hand drücke! Darin kann sich die
Politik in dieser Stadt nicht erschöpfen. (Beifall
bei der ÖVP.)
Beim Bettelunwesen scheitern
wir auch. Und ich sage, wir scheitern insgesamt, die Politik scheitert, die
Exekutive scheitert, die Polizei scheitert. Wir bringen es nicht zusammen.
Immer wieder wird da versucht, dem Problem Herr zu werden. Es wird jedes Mal
ein anderer Delikttyp geschaffen: Kinder, aggressiv, organisiert, was auch
immer. Wir kriegen sie nicht weg von der Straße. Das ist natürlich ein Problem
für die Bevölkerung, das ist ein Problem für diese Stadt, aber es ist auch ein
Problem für die Menschen, die dort sitzen und betteln. Ja, wo haben Sie denn
bitte Ihre humanistische Grundhaltung gelassen? Sie müssen sich doch auch um
die Menschen kümmern! Da muss ja auch jemand hingehen und mit dem Kontakt
aufnehmen und sagen: Was ist jetzt mit dir? In welcher Art und Weise brauchst
du Hilfe? Dann kriegst du sie in einer reichen Stadt, wie es Wien grundsätzlich
ist und dann hat er die zu kriegen. Wenn er nur ein System ausnutzen möchte und
auf gar nichts angewiesen ist, dann muss man ihn allerdings auch des Weges
verweisen. Es kann sich der Rechtsstaat hier nicht an der Nase spazieren führen
lassen.
Die Hütchenspieler - ganz etwas
Ähnliches. Wir haben das Problem nicht in den Griff bekommen. Jetzt können wir
die Schuld auf die Polizei schieben, auf den Bund, auf Europa, auf alles
Mögliche. Nur, wir hätten es in der Hand, wenn wir unsere Ressourcen bündeln
würden. Wenn der politische Wille und die politische Kraft da wären, dann
könnten wir natürlich auch dieses Problem leicht lösen. Die Verantwortlichen in
dieser Stadt haben die Kraft nicht. Ich stelle fest, dass es am Erfolg mangelt.
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