Gemeinderat,
46. Sitzung vom 29.04.2009, Wörtliches Protokoll - Seite 48 von 113
geraten, sofort in
Richtung Breschnew umdefinieren, dann muss ich Ihnen sagen: Von Ihrer
Seite ist bislang noch kein einziger Beitrag gekommen, wie Sie sich vorstellen,
sowohl das gesamtstaatliche Defizit zu reduzieren, als auch in Wien hinkünftig
die diversen Dienstleistungen zu finanzieren. (GR Dr Fritz Aichinger:
Sparen!)
Sie reden über Sparen! Bei einer gesamten
Steuerleistung, die für 2009 mit knapp 66 Millionen EUR
prognostiziert wurde, reden Sie über Sparen in der Größenordnung – nur um
die Wirtschaftskrise zu verdeutlichen – von 10 Milliarden EUR
beziehungsweise je nach Schätzung bis zu 17 Milliarden EUR. Das
glaubt doch niemand, dass das mit einer Verwaltungsreform eingespart werden
kann! Wo wollen Sie denn plötzlich 10 Milliarden EUR im Land
Österreich beim gesamtstaatlichen Budget einsparen? Ich nehme jetzt die
parastaatlichen Aufwendungen wie Sozialversicherung in einer Größenordnung von
120 Milliarden EUR bis 130 Milliarden EUR dazu. Wo wollen
Sie denn diese Summen einsparen? Das ist nicht möglich! (Zwischenrufe bei
der ÖVP.)
Kollege Ellensohn hat das schon ausgeführt:
Irgendjemand wird für diese Krise bezahlen müssen. Entweder es wird gespart,
wie Sie es bezeichnen. Und das bedeutet dann: weniger Infrastruktur, weniger Gesundheitsdienstleistungen,
weniger Bildungsdienstleistungen, weniger Kindergärten. Oder es müssen eben
alle dafür viel mehr zahlen.
Ich sage es ganz offen: Das ist nicht der Standpunkt
der GRÜNEN! Es ist nicht der Standpunkt der GRÜNEN, dass jetzt alle für eine
Krise bezahlen sollen, von der nur ganz, ganz wenige profitiert haben. Und es
ist legitim, und hat nichts mit Kommunismus zu tun, über eine Vermögenssteuer
nachzudenken, insbesondere wenn man weiß, dass gerade die Ungleichverteilung
der Vermögen maßgeblich dafür verantwortlich ist und war, dass es diese Krise
überhaupt gibt.
Ich könnte jetzt eine Vorlesung über Zusammenhänge
zwischen Anhäufung von Vermögen und Wirtschaftskrise halten. Ich erspare es
mir, weil ich überzeugt bin, dass Sie diese Zusammenhänge auch kennen. Ich habe
mir jetzt wirklich die Politik der letzten 25 bis 30 Jahre angeschaut: Es
war immer Ihre Politik, zunächst zu schauen, dass die Reichen ihr Stück vom
Kuchen bekommen, und für die Ärmeren war in Ihrer Logik die Sozialdemokratie
verantwortlich. Und das zeigt sich jetzt halt wieder! Es ist auch für Sie ganz
klar – Ihr Finanzminister hat das präsentiert –, dass es zu einem
dramatischen Anstieg des Budgetdefizits kommt. Und obwohl auch in Ihrer Logik
vollkommen klar ist, dass das keine langfristige Perspektive ist, obwohl kein
vernünftiger Wirtschaftsforscher sagt, dass wir in fünf Jahren vollkommen aus
der Krise draußen sein werden, sondern eher das Gegenteil der Fall ist, und von
den meisten prognostiziert wird, dass der Höhepunkt der Krise gegen Ende dieses
Jahres kommen wird, das nächste Jahr auch noch ganz schlimm sein wird und es
erst dann langsam berauf gehen wird, ist vollkommen klar, dass Sie sagen
werden: Alle müssen sparen! Und „alle müssen sparen“ bedeutet, alle werden belastet!
Wir können nichts gegen die Armutsbekämpfung unternehmen, die Menschen müssen
höhere Selbstbehalte zahlen. Das ist Ihre ÖVP-Politik!
Im Hinblick darauf stehe ich dazu, dass diejenigen Menschen,
die Millionen angehäuft haben, einen erheblich stärken Beitrag als bisher zur
gesamtstaatlichen Finanzierung leisten müssen, zu einer Finanzierung, die Wien
mehr als nur notwendig braucht.
Erklären Sie mir: Wo soll die Stadt Wien
500 Millionen EUR sparen? Wir reden oft genug darüber im Bereich der
Parkraumbewirtschaftung und wissen: Da geht es um 30, 40,
50 Millionen EUR. Aber soll die Stadt Wien im Bereich der
Sozialausgaben, der Bildungsausgaben, der Gesundheitsdienstleistungen sparen?
Nein! Gerade deshalb glaube ich, dass man auch auf Ihrer Seite Schluss machen
muss mit dem Glassturz über das oberste 1 Prozent, das mehr als ein
Drittel des Gesamtvermögens besitzt! Man sollte endlich tatsächlich an die
breite Masse der Bevölkerung denken, an jene Menschen, denen es – ich sage
es ganz konkret – momentan unglaublich dreckig geht, die Angst vor
Arbeitsplatzverlust haben, Lohneinbußen hinnehmen müssen und oftmals nicht
wissen, wie sie die kommenden sechs, sieben Monate überstehen sollen, etwa bei
den Kreditraten, die sie möglicherweise auf ihrem kleinen Eigenheim haben.
Denen würde man mit der Vermögenssteuer nicht einmal einen Euro wegnehmen,
sondern für diese besteht vielmehr die Gefahr, dass sie sich die Kreditraten
nicht mehr leisten können und letztendlich ihr Haus versteigern.
In diesem Bereich müssen wir gegensteuern! Wenn Ihnen
die Menschen ein Anliegen sind, dann nehmen Sie diesen Glassturz weg!
Jetzt komme ich zur SPÖ: Ich habe nach dem letzten
Parteitag der SPÖ, wenn man etwa Franz Voves zugehört hat, geglaubt, dass
dieser Glassturz langsam aber sicher entfernt wird. Sie von der
Sozialdemokratie müssten es doch besser wissen, dass Einnahmen aus einer
Vermögenssteuer gerade für die Stadt Wien unabdingbar notwendig werden,
während, zusammengefasst, bei Einnahmen von 5 Milliarden EUR, über den
Finanzausgleich verteilt, der Stadt Wien, grob gerechnet, rund
300 Millionen EUR zustehen. Sie müssten daher erkennen, dass die
Vermögenssteuer notwendig ist und daran kein Weg vorbei führt. Und Sie müssen
natürlich erkennen, dass mit der ÖVP und der FPÖ in diesem Zusammenhang kein
Staat zu machen ist!
Kollege Ellensohn hat es schon
gesagt: Wer tritt in Österreich für eine Vermögenssteuer ein, damit es endlich
wieder gerechter zugeht in diesem Land? – Die Gewerkschaften, die GRÜNEN
und bei Sonntagsreden manche sozialdemokratischen KollegInnen. Aber im
Endeffekt müsste Bgm Häupl auch im Interesse Wiens und der Wiener
Bevölkerung – so wie der Franz Voves – hier sagen: Selbstverständlich
brauchen wir eine Vermögenssteuer, denn sonst können wir uns in Wien à la
longue den Gratiskindergarten nicht leisten, sonst können wir uns in Wien keine
kleineren Klassen mehr leisten, sonst können wir uns in Wien keinen Ausbau des
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