Gemeinderat,
46. Sitzung vom 29.04.2009, Wörtliches Protokoll - Seite 39 von 113
wirklich eine hervorragende Idee! (Beifall bei der
ÖVP.)
In diesem Resolutionsantrag steht ein Satz, mit dem
ich mich ein bisserl näher beschäftigen möchte, weil wir da auf ein paar
interessante Dinge kommen. Es heißt da: „Akteure auf weitgehend unregulierten,
unkontrollierten Finanzmärkten haben sich in den vergangenen Jahren enorme
Gewinne gemacht und Vermögen angehäuft.“ – Jetzt muss man einmal schauen:
Wer sind denn diese Akteure? Das sind diejenigen, die immer als die „Gierigen“ dargestellt
wurden. Da muss man zurückgehen und schauen, wie die Krise eigentlich begonnen
hat. Wir müssen allerdings nicht ganz so weit zurückgehen wie Herr Ellensohn
heute.
Begonnen hat die Krise in Wirklichkeit unter der
Regierung Clinton, einer demokratischen Regierung, mit der durchaus gewollten
und gebilligten Verschuldung durch Privathaushalte. Das war so! Man wollte für
jeden ein Eigenheim, egal, über welches Einkommen er verfügt. Und letzten Endes
wollte man auch die Privatausgaben ankurbeln, um damit die Kaufkraft zu
stärken. Die Verschuldung wurde schlicht und einfach in Kauf genommen. Parallel
dazu hat die Federal Reserve die Zinsen gesenkt.
Ich rede jetzt einmal vom Clinton und seiner Politik
der Schleusenöffnung des Geldmarktes. Im Jahr 2003 betrugen die Leitzinsen im
Amerika schon 1 Prozent. Es war also wahnsinnig billig zu finanzieren und
sich zu verschulden, und das haben die Menschen dort auch getan. Parallel dazu
gab es niedrige Zinsen auf US-Staatsanleihen, das war unattraktiv außer für die
Chinesen, die haben aber eh immer gekauft, für sonstige Anleger war das jedoch
unattraktiv. Daher hat das Anlagekapital nach neuen Produkten gesucht, und da
ist man bei der hohen Verschuldung der US-Hausanteile über den Hypothekarmarkt
sehr schnell fündig geworden. (Zwischenruf von GR Kurt Wagner.) Lassen
Sie mich einmal weiter reden, vielleicht können wir alle etwas lernen! (GR
Dr Kurt Stürzenbecher: Machen Sie sich doch nicht lächerlich!)
Damals wurden neue Produkte, auch Hypothekarkredite,
diese Mortgage Backed Securities, kreiert. (GR Kurt Wagner: Lassen Sie sich
das einmal von Ihren Freunden im Banken- und Versicherungssektor erklären!) Mir
müssen sie nicht viel erklären, denn ich stehe jeden Tag in der Wirtschaft,
Herr Kollege! Ich bin damit jeden Tag an vorderster Front beschäftigt! Glauben
Sie mir: Ich kenne das nicht in der Theorie wie Sie, sondern ich kenne das in
der Praxis! (Beifall bei der ÖVP.)
Dann wurde auf Teufel komm raus verbrieft, und die
Rating-Agenturen – das ist der nächste Fehler – haben falsche Ratings
abgegeben, sowohl für die Kreditnehmer als letzten Endes auch für die, die
diese Produkte emittiert haben. Dazu kamen noch die hohen Fremdfinanzierungen
und hohe Leverage auf diese Produkte. Diese neuen Instrumente sind – das
gestehe ich durchaus ein, das muss man vernünftigerweise sagen – völlig
aus dem Ruder gelaufen. Es gab zu wenig Eigenkapitalhinterlegung bei den
Banken.
Als letzter Punkt kam die kriminelle Energie hinzu.
Das muss man wirklich auch sagen, von Madoff bis wahrscheinlich – es gilt
die Unschuldsvermutung – Meinl. Dadurch wurde natürlich auch wahnsinnig
viel kaputt gemacht. Ich füge hinzu: Völlige Aufklärung von Amerika bis
Österreich ist in jedem dieser Fälle notwendig.
Das war in Wirklichkeit der Mix, der letzten Endes zu
einem Fastbankrott des Systems geführt hat.
Wer sind jetzt wirklich die Akteure? Wollen Sie die
Herren Clinton und Greenspan vor den Kadi zerren? Sollen diese jetzt hier in
Wien und in Österreich dafür zahlen? Haben uns das die US-Häuslbauer eingebrockt?
Sind es die Generaldirektoren der Hypothekarinstitute in Amerika? – Letztere oder auch
Hedgefondsmanager wären in Wirklichkeit zum Großteil die Schuldigen, meine
Damen und Herren! Diese sitzen aber nicht in Österreich!
Bei allem, was wir hier diskutieren, schütten wir
also das Kind mit dem Bade aus. Nicht die großen Gierigen in Österreich sind
daran schuld!
Herr Ellensohn! Sie kennen, wie Sie gesagt haben,
wenig Menschen mit Vermögen. Ich kenne jedenfalls mehr Leute, die in den
letzten sechs Monaten sehr viel Vermögen verloren haben. Sie haben in dieser
Krise ziemlich abgebissen, auch die Reichen und Superreichen. Ich sage Ihnen:
Es gibt nur sehr wenige echte Profiteure in dieser Krise. Und wie man an diese
herankommt, da bin ich persönlich auch überfragt! Aber auch mit 1 Prozent
oder 10 Prozent erwischen Sie die Unschuldigen! Ich glaube, bei
10 Prozent würden Sie durchaus auch schon im Mittelstand landen, nämlich
bei Einkommen um die 3 000 EUR netto, zumindest bei den obersten 10
Prozent der Einkommensbezieher.
Man trifft immer sehr schnell die Falschen. In
Wirklichkeit versucht man jetzt, mit Schrotgewehren auf Fliegen zu schießen.
Dabei werden aber auch sehr viele Unschuldige getroffen, meine Damen und
Herren! (Zwischenruf von StR David Ellensohn.) Kommen Sie doch nicht
immer mit diesem Klassenkampf, Herr Kollege! Glauben Sie wirklich, wir sitzen
im Klub und überlegen uns die ganze Zeit, wie wir die Superreichen in
Österreich schützen können? (Beifall bei der ÖVP.)
Welches Rollenbild und Politikverständnis des letzten
Jahrhunderts haben Sie eigentlich? Das stimmt doch nicht, meine Damen und
Herren! Jeder Arbeitslose ist uns genau so unangenehm, denn als Unternehmer
müssen wir die Leute teilweise persönlich entlassen! Jedes dieser Schicksale ist
uns extrem wichtig, das können Sie mir glauben! (Beifall bei der ÖVP.)
Die Suche nach den Gründen und nach den Schuldigen
ist durchaus legitim, keine Frage, aber Sie muss maßvoll betrieben werden. Da komme
ich wieder auf Brauner zurück: Wir müssen gemeinsam vorgehen und dürfen nicht
Öl ins Feuer gießen. Es liegt nämlich ein ziemlich dünner Grat zwischen einer
Analyse und dem Aufhetzen!
Ich weiß: Es ist verführerisch,
mit einfachen Erklärungsmodellen jetzt politisches Kapital schlagen zu wollen
oder mit einem fast schon verklärten Blick auf gescheiterte Staatsmodelle der
letzten Jahre zu schielen.
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