Gemeinderat,
42. Sitzung vom 19.12.2008, Wörtliches Protokoll - Seite 87 von 115
Vorsitzender! Sehr geehrter
Herr Berichterstatter! Liebe Frau Stadträtin! Sehr geehrte Damen und Herren!
Man muss das Rad nicht immer
wieder neu erfinden. Gerade in der Politik ist es wichtig, über den Tellerrand
hinaus zu schauen, so wie es viele VertreterInnen von Gemeinden und Ländern
tun, die nach Wien kommen, um neue Formen der Problemlösung kennenzulernen.
Genau in dieser Hinsicht ist es auch für uns angebracht, zu sehen, wie es
andere tun.
Ich nenne jetzt das Beispiel
Deutschland: Dort wurde schon im Jahre 2000 eine Zuwanderungskommission
eingerichtet. Sie ist unter der Leitung der CDU-Politikerin Rita Süssmuth
gestanden und hat Kriterien für eine zukunftsorientierte Zuwanderung
erarbeitet. In die Arbeit waren Experten und Vertreter der Wirtschaft und der
Gewerkschaften eingebunden, und es wurde – wie ich meine –
hervorragende Arbeit geleistet.
Laut Statistik Austria wird
Wien bis zum Jahr 2030 zwei Millionen Einwohner haben. Der Großteil dieses
Zuwachses wird durch Zuwanderung begründet sein, und es erhebt sich die Frage:
Wie geht man mit dieser Entwicklung um? – Man stellt sich natürlich dieser
Entwicklung! Wie aber stellt man sich dieser Entwicklung am besten? –
Indem man vorher Pläne entwirft und Weichen stellt, um nachher nicht überrascht
zu sein!
Sehr geehrte Damen und
Herren! Auch wir Politiker haben die Weisheit nicht mit dem Löffel gegessen.
Die Klügeren von uns lassen sich gerne in verschiedenen Fragen von ExpertInnen
beraten, und auch in Sachen Integration schadet eine Beratung von Seiten der
Experten nicht. Ganz im Gegenteil! Deshalb wollen wir SozialdemokratInnen, die
ÖVP und die GRÜNEN gemeinsam eine Kommission ins Leben rufen, nämlich die
Wiener Zuwanderungskommission, die uns Grundlagen erarbeiten wird. (Zwischenruf
bei der FPÖ.)
Diese Kommission soll
evaluieren, was bisher getan wurde, und Notwendigkeiten sowie Handlungsfelder
für Wien erarbeiten. Sie soll Chancen und Herausforderungen der Zuwanderung
festmachen und diese in Zusammenhang mit der bisherigen Zuwanderung bringen.
Sie soll fundierte Handlungsempfehlungen an die Bundesregierung ermöglichen und
passende Erklärungen und Informationsmöglichkeiten für die Menschen anbieten.
Und sie soll Möglichkeiten für eine Versachlichung der Zuwanderungsdebatte
anbieten.
In diesem Sinne möchte ich im
Namen meiner Kolleginnen Sirvan Ekici und Maria Vassilakou diesen Antrag
einbringen: Wir ersuchen die zuständige Stadträtin, eine Wiener
Zuwanderungskommission einzurichten.
Sehr geehrte Damen und Herren! Kein vernünftiger
Mensch kann gegen diesen Aufgabenkatalog sein! Dass die Wissenschaft in Wien
eingesetzt wird, finde ich besonders gut, und es ist außerordentlich
erfreulich, dass sich drei von vier Rathausparteien darüber einig sind.
Die meisten Städte Europas stehen vor denselben
Herausforderungen. Sie haben einen Binnenmarkt für Arbeitssuchende aus 27
Staaten. Nur mit internationalem Austausch und mit enger internationaler
Vernetzung kann eine Stadt im Wettkampf um innovative Wettbewerbsfähigkeit
punkten. Das Qualifizierungsniveau entscheidet über Betriebsansiedlungen und
Forschung. Es geht also um die besten Köpfe in Europa, und dieser Wettbewerb
nimmt deutlich zu. Wien muss deshalb für internationale Arbeitskräfte mit hoher
Qualifizierung attraktiv bleiben. Gleichzeitig muss die Geburtendynamik berücksichtigt
werden. Hier geht es um Pflege ebenso wie um die Aufrechterhaltung des
Sozialsystems und des Pensionssystems.
Ferner müssen die internationalen Verpflichtungen
humanitärer Art eingehalten werden. Die Genfer Flüchtlingskonvention ist
genauso bindend wie zum Beispiel das Atomsperrgesetz. Hier hat der Staat
Verpflichtungen übernommen, denen er sich nicht entziehen darf.
Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe Ihnen jetzt
die grundsätzlichen Herausforderungen skizziert. Darauf aufbauend wollen wir
eine Zuwanderungskommission einsetzen. Sie soll Leitlinien, Ideen, Anregungen
und Konzepte erarbeiten, die von den politischen Verantwortlichen umgesetzt
werden können. Und ich möchte an dieser Stelle den Klubobleuten Christian
Oxonitsch, Matthias Tschirf, Maria Vassilakou und StRin Sandra Frauenberger für
diese Initiative sehr danken, auf Grund welcher dieser gemeinsame Antrag
zustande gekommen ist. (Beifall bei der SPÖ.)
Frau Kollegin Matiasek! Ich
komme nun zu Ihrer Wortmeldung betreffend die Städtekoalition und das
Zehn-Punkte-Programm. Letzteres wurde schon beschlossen, und wir beschließen
jetzt die Mitgliedschaft bei der Städtekoalition. Ich glaube, Sie haben das
wirklich falsch verstanden. Dabei geht es nicht um eine Quote. Ich will keine
Quoten! Aber wir bekennen uns dazu, dass die Tatsache, dass wir uns Mühe geben,
die Menschen, die nach Österreich zugewandert sind und hier leben, sozusagen
auch in der Verwaltung gespiegelt werden muss. Dazu stehe ich, und wir werden
uns Mühe geben, genau so wie wir es erst vor ein paar Monaten bei der Polizei
getan haben.
Wir werden diese Leute brauchen. Es handelt sich zum
Großteil bereits um österreichische Staatsbürger, und zum anderen Teil werden
sie es voraussichtlich werden. Dazu bekennen wir uns. Aber Quoten, dass wir
mehr Zuwanderinnen und Zuwanderer in der Stadtverwaltung haben, wird es nicht
geben. Zumindest sehe ich das so. Aber wir werden uns Mühe geben und daran
arbeiten.
Zur Integrationskonferenz: An
diesem Beispiel sieht man eigentlich, wie gut die Stadt Wien mit all ihren
Instrumenten funktioniert. Wir geben nicht nur Gelder her, sondern wir
begleiten die Vereine auch. Wir schauen, was sie tun. Und das hat bis jetzt
geklappt. Wenn es nicht im Sinne dessen ist, wofür wir stehen, sagen wir: Okay,
dann nicht! Wir haben uns aber nicht so entschieden, weil Sie schon von Anfang
an gesagt haben, dass es nicht funktionieren kann. So ist es nicht! Sie sagen
ja zu allem Nein! 99,9 Prozent der Initiativen funktionieren jedoch! Und
ich bin dankbar, dass es sie gibt, und ich möchte im Übrigen keine einzige
Initiative, keinen einzigen Frauenverein oder Integrationsverein hier in Wien
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