Gemeinderat,
35. Sitzung vom 24.06.2008, Wörtliches Protokoll - Seite 50 von 118
der Abbau vorhandener Diskriminierungen sein. Die Beseitigungen allenfalls vorhandener Diskriminierungen ist Aufgabe des Gesetzgebers. Ein besonderes Diskriminierungsverbot für Lebenspartnerschaften ist entbehrlich.“ – Das widerspricht sich ja! Sie sprechen sich gegen Diskriminierung aus. Gleichzeitig sagen Sie, dass Sie kein Diskriminierungsverbot wollen! Ich kann das nur so interpretieren, dass die ÖVP selbst nicht weiß, was sie will!
Sie fordern explizit ein Adoptionsverbot. Wir fordern
natürlich das Gegenteil. Wir wollen, dass auch gleichgeschlechtliche Paare und
auch Lebensgemeinschaften überhaupt adoptieren können. Sie aber sprechen von
einem expliziten gesetzlichen Adoptionsverbot. Da frage ich Sie: Wozu?
Gleichgeschlechtliche Paare dürfen nicht adoptieren. Punkt. Wofür wollen Sie
jetzt Verbot? Oder wollen Sie es im Verfassungsrang? Ich verstehe das nicht!
Dasselbe gilt für das Fortpflanzungsmedizingesetz.
Auch hier fordern Sie ein Verbot, obwohl ohnedies leider – wie ich
hinzufügen möchte – eine Insemination nicht erfolgen darf, wenn es sich um
ein gleichgeschlechtliches Paar handelt. Das gilt übriges auch für
Lebensgemeinschaften. Das ist in Österreich auch nach wie vor nicht zulässig,
da kann Humanic noch so viel tolle Werbungen machen. Was man in der
Humanic-Werbung sieht, geht in Österreich gesetzlich gar nicht!
Wenn es dann um die „Förmlichkeiten“, wie Sie das so
schön nennen, geht, dann wird es überhaupt nett. – Da schreiben Sie:
Förmlichkeiten der Eingehung einer Lebenspartnerschaft. Es wird in Anlehnung an
die Schweizer Regelung folgendes Verfahren vorgeschlagen: Die beiden Parnter/innen
reichen persönlich bei der Behörde das Gesuch um Eintragung ein. Die Behörde
prüft, ob die Voraussetzungen für die Beurkundung der Lebenspartnerschaft
erfüllt sind.“ – Welche Voraussetzungen meinen Sie? Das wissen wir nicht!
Wird kontrolliert, ob die miteinander Sex haben? Ich weiß es wirklich nicht.
Weiter heißt es in dem Antrag: „Sind alle
Voraussetzungen erfüllt, wird die Lebenspartnerschaft beurkundet und in ein neu
zu schaffendes Personenstandsbuch eingetragen. Diese Beurkundung ist
öffentlich. Im Gegensatz zur Ehe wird die Lebenspartnerschaft jedoch nicht
durch das Ja-Wort in Anwesenheit von zwei Zeugen begründet.“ Zwei Leute dürfen
nicht Ja sagen, wenn sie sich gerne haben und Rechte und Pflichten übernehmen!
Sie von der ÖVP wollen, dass sie nicht einmal Ja sagen dürfen. Und dann
behaupten Sie, Sie würden nicht diskriminieren? Das ist ja Diskriminierung in
Reinkultur! (Beifall bei den GRÜNEN.)
Zudem wird vorgeschlagen, dass die
Bezirksverwaltungsbehörden – also die Bezirkshauptmannschaften und in Wien
die Magistrate – oder die Bezirksgerichte die zuständigen Behörden für
diese Lebenspartnerschaften sein sollen. Das Standesamt darf es natürlich auf
gar keinen Fall sein, denn dort könnte man ja Ja sagen! Dort könnte ja dann,
wie es ein Parteikollege von Ihnen formuliert hat, die ganz schreckliche
Situation eintreten, dass Heterosexuelle Homosexuelle treffen! Das ist offenbar
eine ganz schreckliche Vorstellung in Augen der ÖVP! Das ist wirklich
unglaublich!
Das Standesamt ist zuständig für den Familienstand.
Das haben wir schon. Warum erfinden Sie dann um Himmels Willen etwas Neues? Sie
wollen immer Bürokratieabbau, und jetzt vertreten Sie die Auffassung, dass neue
Behörden für neue Dinge zuständig sein sollen, die es noch gar nicht gibt. Es
gibt doch alle notwendigen Einrichtungen schon! Ich verstehe Sie nicht! Ich
verstehe Sie wirklich nicht! Ich verstehe natürlich auch den Antrag nicht, der
gestern von der Freiheitlichen Partei eingebracht wurde, aber von einer
Diskriminierungspartei wie den Freiheitlichen erwarte ich mir auch nichts
anderes! Leider! (Zwischenrufe bei der FPÖ.)
Ich kann Ihnen versichern: Weder die ÖVP noch Sie
werden in diesem Jahr, im nächsten Jahr und in den nächsten Jahrzehnten eine
Gleichstellung von lesbischen und schwulen Paare verhindern können! Das werden
Sie nicht! (Beifall bei den GRÜNEN.)
Erlauben Sie mir daher, auch von Seiten meiner Grünen
Fraktion einen Antrag einzubringen, der aus meiner Sicht der einzige wirklich
diskriminierungsfreie Antrag in dieser Frage in diesem Haus ist. Und ich kann
mir, ehrlich gesagt, nicht vorstellen, dass die Sozialdemokratie diesen Antrag
ablehnen kann oder könnte! Dieser Antrag entspricht nämlich auch den
Forderungen der Sozialdemokratie und der mir bekannten Organisationen innerhalb
der Sozialdemokratie.
Der Wiener Gemeinderat fordert die zuständigen
Mitglieder der Bundesregierung auf, gleichgeschlechtliche PartnerInnenschaften
im Lebenspartnerschaftsgesetz sowie in den betroffenen Bundesgesetzen rechtlich
mit der Ehe gleichzustellen. Zudem fordert der Gemeinderat den zuständigen
Innenminister auf – wir wissen ja noch nicht, wer das in Zukunft sein
wird –, dass eine Lebenspartnerschaft auf dem Standesamt eingegangen
werden kann. – In formeller Hinsicht beantrage ich die sofortige
Abstimmung dieses Antrages.
Erlauben Sie mir zum Schluss noch ein paar
Bemerkungen. – Ich möchte sagen: Zwei Seelen wohnen in meiner Brust. Ich
bin eigentlich ganz froh, dass der jetzige Innenminister Platter nicht mehr
Innenminister sein wird! Aber so viel Solidarität mit Tirol habe ich schon, das
ich mich auch für die Tirolerinnen und Tiroler nicht wirklich freuen kann.
Allerdings ist es wirklich dringend an der Zeit, dass auch die ÖVP endlich
einsieht, dass man in Bereichen wie dem Fremdenrecht oder dem Steuerrecht et
cetera nicht mehr diskriminieren kann.
Sie
wollen Sonderregelungen auf Minimalflamme, damit nur ja nicht der Anschein
entsteht, dass es irgendetwas Legitimes sei, dass gleichgeschlechtliche Paare
sich lieben. Dass Sie ihnen diese Legitimität absprechen wollen, ist
unglaublich und der ÖVP nicht würdig. Das ist vor allem der Wiener ÖVP nicht
würdig, die gerne so tut, als ob sie so urban und liberal wäre! Dann bringt sie
jedoch solche Anträge ein, die im Übrigen den Aussagen Ihres eigenen
Parteichefs Johannes Hahn widersprechen. Er hat nämlich gesagt, dass eine
solche
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