Gemeinderat,
35. Sitzung vom 24.06.2008, Wörtliches Protokoll - Seite 7 von 118
Schweighofer, dem Planer der Anlage, mit Unterstützung des Bundesdenkmalamtes, um noch vor einem Vertragsabschluss die Rahmenbedingungen für einen bedachtsamen Umgang mit dem Bestand einvernehmlich festzulegen."
Wie mir scheint, hat man dieses Ziel ziemlich aus den
Augen verloren, diesen bedachtsamen Umgang mit der Substanz. Mir ist auch nicht
ganz klar, wie Sie diesen Schwenk jetzt vollzogen haben. Es hat ja letztes Jahr
relativ gut ausgesehen, nachdem schon Gerüchte im Raum waren, dass die ARWAG da
Interesse hätte, Teile davon abzubrechen, nachdem die Wohnbauförderung geändert
wurde und es hieß, es ginge sich aus. Ich habe mir das auch vom Architekten
bestätigen lassen, dass dadurch, dass sie mehr Nutzfläche im Inneren der
Baukörper und auch mittels anderer Möglichkeiten geschaffen haben, es durchaus
möglich wäre, die Anlage zu erhalten, zur Gänze zu erhalten und auch wieder mit
einem sozialen Leben zu erfüllen. Es gab dann auch diverse Aussendungen.
Heute, glaube ich, wird der Staatssekretär Schieder
angelobt, der damals zum Beispiel noch im Gemeinderat gesagt hat: „Klar war
auch, dass mit der im Jahr 1974 nach Plänen von Anton Schweighofer errichteten
„Stadt des Kindes“ mit Bedacht umgegangen werden muss. Auf Grund dieses
Auswahlverfahrens wurde von einer unabhängigen Jury das Projekt ARWAG – Mischek
ausgewählt.“ Also, es war damals sehr wohl das Ziel, die Anlage zu erhalten und
es ist, wie gesagt, unerklärlich, wieso man sich jetzt von diesem Weg
verabschiedet hat.
Es gibt eine Reihe von Leuten, die den Wert dieser
Anlage für die Stadt erkennen. Nicht nur die Journalisten von den 70er Jahren,
sondern da gibt es zum Beispiel auch die ehemaligen BewohnerInnen. Es gibt eine
Gruppe von Kindern, die in diesen Häusern aufgewachsen sind, die sich dafür
einsetzen, die Anlage zu erhalten. Es gibt natürlich auch viele
Architekturkundige, die den Wert dieser Anlage erkennen und es gibt auch
Sozialinitiativen, die durchaus Interesse hätten, Teile der Anlage zu
übernehmen.
Es stimmt, ich habe gestern mit dem Herrn Stadtrat
lange darüber gesprochen, es gibt leider noch nicht den Projektentwickler, der
jetzt das fixfertige Projekt mit sozialer Nutzung und wie sich das Ganze
rechnet vorlegen kann. Aber ich glaube, das ist auch darauf zurückzuführen,
dass die ARWAG bisher total mit verdeckten Karten gespielt hat. Die
Berechnungen, wieso sich das Ganze jetzt nicht mehr ausgehen soll und wieso man
Teile abbrechen möchte, sind nicht einsehbar. Selbst die Architekten, die
dieses Projekt planen sollen, haben diese Zahlen nicht zu Gesicht bekommen.
Daraus leitet sich auch ein großer Teil meines Zweifels an manchen Zahlen
dieser Berechnungen ab, weil wenn man das so nahtlos beweisen könnte, dann
müsste man ja nicht die Offenlegung scheuen.
Es haben sich jetzt eine Reihe von Initiativen für
dieses Projekt eingesetzt. Es sind ein paar Vertreter heute hier zu Gast und
werden sich die Debatte zu diesem Punkt anhören und hoffen auch, dass wir bis
morgen erreichen können, dass dieser Tagesordnungspunkt morgen von der
Gemeinderatstagesordnung abgesetzt wird. (Beifall und Rufe von der
Besuchergalerie.)
Es wurde eine Petition
verfasst, ein offener Brief zur Erhaltung der „Stadt des Kindes“ und den möchte
ich Ihnen auch nicht vorenthalten. Ich werde Ihnen den kurz vorlesen. Es haben
innerhalb der letzten fünf Tage immerhin über 300 Leute diese Petition
unterschrieben. Das ist für diesen kurzen Zeitraum beachtlich und insofern
möchte ich Ihnen das nun zur Kenntnis bringen:
„An den Herrn „Amtsf StR Dr Michael Ludwig.
Die ‚Stadt des Kindes’ galt einst als Paradejugendheim
und Vorzeigeprojekt der Stadt Wien. Die in den 70er Jahren errichtete Anlage
war durch die Verkörperung von neuen sozialpädagogischen Ansätzen und deren
architektonischer Umsetzung beispielgebend. Kaum ein österreichisches Bauwerk
der jungen Vergangenheit hat mehr internationale Beachtung erfahren als die
‚Stadt des Kindes’.
Nun soll in der Sitzung des Gemeinderates morgen am
25. Juni eine Vertragsänderung zwischen der Stadt Wien und der ARWAG als Liegenschaftseigentümerin
der ‚Stadt des Kindes’ beschlossen werden, wo sie die Möglichkeit einräumt,
mehr als die Hälfte der Anlage abzureißen und stattdessen Neubauwohnungen zu
errichten. Dies bedeutet eine Zerstörung des strukturellen Zusammenhanges der
Anlage und der dahinter stehenden sozialen Ansätze des Vorzeigeprojektes des
roten Wien der 70er Jahre.“
Und bitte lassen Sie sich das, vor allem die Kollegen
der Sozialdemokratischen Fraktion, auf der Zunge zergehen: „ein Vorzeigeprojekt
des sozialen Wien“. Das ist in etwa so, als wenn man den Karl-Marx-Hof der 30er
Jahre jetzt teilabbrechen würde, weil man damit nicht mehr umgehen kann. Er
steht schon unter Denkmalschutz. Das ist bei der „Stadt des Kindes“ leider noch
nicht der Fall, aber das ist auch noch möglich. Wir hoffen sehr, dass das
Denkmalamt diesen Weg jetzt einschlägt und erkennt, welche Anlage sie hier zu
schützen hätte. Stellen Sie sich vor, der Karl-Marx-Hof wird teilabgebrochen!
Nun haben Sie das mit einem Bau mit einem ähnlichen Symbolgehalt der 70er Jahre
vor.
„Die Unterzeichneten unterstützen den Aufruf von
DOCOMOMO Austria, sprechen sich vehement gegen die Abbruchpläne aus und fordern
die Erhaltung der Gesamtanlage sowie ein neues Nutzungskonzept, das mit der
vorhandenen Substanz sensibel umgeht.“
Die Menschen, die das unterzeichnet haben, konnten
auch Kommentare abgeben, ich möchte Ihnen einige ausgewählte vorlesen:
Zum Thema Kultur: „Wien wirbt damit, eine Kulturstadt
zu sein. Bei der Erhaltung der ‚Stadt des Kindes’ haben die Stadtverantwortlichen
die Chance, dies zu beweisen.“
Oder zum Thema Idealstadt: „Ich
möchte darauf hinweisen, dass die ‚Stadt des Kindes’ neueren Studien zufolge
einem räumlichen Idealstadtmodell entspricht, einem Prototyp einer Stadt im
Kleinen mit einer reichen, vielfältigen Infrastruktur, weshalb eine Amputierung
des
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