Gemeinderat,
35. Sitzung vom 23.06.2008, Wörtliches Protokoll - Seite 55 von 126
findet sich in unserem Antrag aber kein Widerspruch. Und wenn Sie meinen, dass man das durch den Lissabon-Vertrag verbessern kann, dann sage ich: Das ist darin nicht enthalten, denn man kann ihn nicht verändern. Das wissen Sie so gut wie ich! Entweder es muss ein neuer Vertrag her, oder der Vertrag muss so angenommen werden. Es wäre nämlich wirklich eine beispiellose Frechheit, einfach über die Bevölkerung hinweg zu rudern!
Ich sage Ihnen ehrlich: Sehr überzeugend war Ihre
Ablehnung der ganzen Sache nicht! Ich glaube, die Grünen sollten ernsthaft lernen und sich angewöhnen, Anträge
anderer Parteien, besonders wenn sie von der – fast – anderen Seite
des Hauses kommen, nicht reflexartig abzulehnen, sondern auf ihren Inhalt zu
prüfen, denn wir sind verpflichtet, unseren Bürgern gemäß richtige Anträge zu
machen. Wenn ich glaube, dass ein Antrag richtig ist, dann würde ich sogar
einem grünen Antrag zustimmen. Wir haben das ja auch schon manchmal
getan! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)
Vorsitzender GR Dr Wolfgang Ulm: Zu Wort
gemeldet ist nunmehr Frau VBgmin Mag Brauner. – Bitte schön.
VBgmin Mag Renate Brauner: Sehr geehrte
Damen und Herren! Liebe Kollegen und Kolleginnen!
Ich bin froh, dass jetzt doch noch über Wien
beziehungsweise über den Wiener Rechnungsabschluss diskutiert wurde! Zu Beginn
dachte ich schon, es wird eine Diskussion über den Bund, über Graz und über
Traun. Das wären auch interessante Themen, sie haben allerdings nichts mit
unserer heutigen Tagesordnung zu tun!
Offensichtlich ist es gar nicht so einfach,
Kritikpunkte an Wien und an der Politik, die wir hier machen, zu finden!
Zuletzt haben wir dann glücklicherweise doch noch über Wien diskutiert, wobei
ich denke, dass viele der angebrachten Kritikpunkte doch sehr fragwürdig sind.
Daher möchte ich zumindest einige sachliche Korrekturen vornehmen.
Es wurde schon viel über die Gebühren diskutiert. Es
werden hier immer zweistellige Riesenzahlen als Beispiel für angebliche
Erhöhungen genannt. Diese Zahlen stimmen natürlich nicht! Jeder kann es nachlesen:
Die letzte Stromerhöhung hat sich auf 1,3 Prozent und die letzte
Gaserhöhung auf 4,4 Prozent belaufen.
Sehr geehrte Damen und Herren! Ich weiß nicht, wer es
erwähnt und gesagt hat, dass es eine Gaspreiserhöhung um 60 Prozent geben
wird. Das trifft nicht zu! Wir müssen uns aber selbstverständlich mit dem
Problem der Erhöhungen auseinandersetzen. Wenn wir uns ernsthaft und seriös
damit auseinandersetzen wollen, dann müssen wir darüber international
beziehungsweise europaweit diskutieren. Ich meine, diesem Thema müsste sich
auch die Europäische Union verstärkt widmen. Es würde nämlich vermutlich auch
weniger Kritik an der EU geben, wenn sie sich mehr dieser Verantwortung einer
sozialen Union sowie einer Union der Bürger und Bürgerinnen und der Konsumenten
und Konsumentinnen bewusst wäre und sich mit diesem Thema stärker beschäftigen
würde und weniger ausschließlich der Freizügigkeit des Waren- und
Dienstleistungsverkehrs. Dann wären wahrscheinlich auch die Meinungen vieler
Bürger und Bürgerinnen betreffend dieses an sich positive Projekt besser! (Beifall
bei der SPÖ.)
Dass die Gebührensituation der Stadt Wien nicht dazu
angetan ist, dass Millionen an Körberlgeld eingestreift werden können, haben
schon viele meiner Vorredner und Vorrednerinnen gesagt. Die Unterdeckung der
Gebühren – auch diese Zahl ist, glaube ich, schon gefallen – beträgt
genau 503 Millionen EUR. Es kann also, wie gesagt, keine Rede davon
sein, dass hier Körberlgeld kassiert wird. Ganz im Gegenteil! Viele Tarife
werden aus sozialen Gründen so niedrig und bewusst mit Unterdeckung gehalten,
und dadurch kommt es eben zu diesem Defizit.
Ebenso erwarte ich mir, wenn wir über ein so
ernsthaftes Thema wie die Arbeitslosenrate diskutieren, dass man zumindest die
richtigen Zahlen nennt. Und das erwarte ich mir gerade auch von dir, lieber
Matthias Tschirf, der sich immer sehr um konstruktive Diskussionen bemüht!
Leider steht das auch in deiner Presseaussendung falsch, aber das wurde schon
erwähnt: Die Arbeitslosenrate in Wien beträgt nicht 8,5 Prozent, sondern
7,2 Prozent. Aber auch davon ist noch immer jedes Prozentpünktchen zu
viel! Kämpfen wir miteinander dagegen an! Es hat aber jedenfalls keinen Sinn,
wenn man hier mit falschen Zahlen arbeitet!
Die Argumente der Opposition sind ja selten neu. Und
ich habe tatsächlich kein Argument zu dem gehört, was ich gleich zu Beginn der
Diskussion prophylaktisch gesagt habe, dass nämlich
210 000 Arbeitsplätze in dieser Stadt Nichtwienern und
Nichtwienerinnen zur Verfügung gestellt werden. Dazu habe ich kein wirkliches
Argument gehört. Wenn man dann aber interpretiert und sagt, dass die Leute
schuld sind, dann kann das wirklich nur einer Verwirrung entsprechen! Es geht
nämlich konkret darum, dass diese Stadt Leistungen weit über die Wiener Grenzen
hinaus bietet, und zwar aus Wiener Steuergeldern, ich denke jetzt etwa nur an
den WAFF.
Es tut mir auch leid, wobei ich nicht weiß, ob es
Ahnungslosigkeit oder falsche Information ist, wenn ein Vertreter der FPÖ sagt,
dass es in dieser Stadt die höchste Anzahl an Arbeit suchenden Lehrlingen gibt.
Genau das Gegenteil ist der Fall! Ich durfte diese Zahl gemeinsam mit der
Präsidentin der Wiener Wirtschaftskammer präsentieren: Wir haben die höchste
Lehrstellenzahl in Wien seit zehn Jahren. Ich denke, das ist ein ganz wichtiger
Schritt, weil uns gerade die Jugend besonders am Herzen liegt, und ich hoffe,
dass von dem Jugendbeschäftigungspaket, das jetzt endlich von der
Bundesregierung beschlossen wurde, auch noch weitere Impulse kommen. (Beifall
bei der SPÖ.)
Sehr geehrte Damen und Herren! Ich
komme zu einem weiteren Punkt, der zeigt, dass die Kritik der Opposition leider
nicht immer durch Sachkenntnis begründet ist und offensichtlich das Bemühen,
der sozialdemokratischen Mehrheit etwas am Zeug zu flicken, auch den Blick für
die Realität trübt. Es tut mir leid, dass ich dich
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