Gemeinderat,
34. Sitzung vom 04.06.2008, Wörtliches Protokoll - Seite 40 von 91
üblichen Schulweg über die Ringstraße können sie aber nicht nehmen. Deshalb beschließen sie, mit der U4 zu fahren. An die Möglichkeit, trotz Ringsperre den D-Wagen in die andere Richtung zu benutzen, haben die beiden nicht gedacht.
Schlecht für sie, denn in der U4 werden die Ausweise
kontrolliert. Das Problem: Auf ihren Freifahrt-Ausweisen sind nur die Linien D
und U3 eingetragen. Der Kontrolleur hat wenig Verständnis dafür, dass sich die
beiden Schüler, ebenso wie Tausende andere Öffi-Benutzer, in der neuen
Situation noch nicht zurechtfinden. Die Kinder brechen in Tränen aus, die
Ältere hat Angst, durch den Aufenthalt eine wichtige Prüfung zu versäumen. Die
Ausweis-Kontrolle endet mit den Worten des Kontroll-Organs an die 14-Jährige:
‚Sag deiner Mutter, das nächste Mal kann sie dich bei der Polizei abholen.'
Der ‚Kurier' wollte von Vizebürgermeisterin Renate
Brauner, als Finanzstadträtin zuständig für die Wiener Linien, wissen, ob es
legitim sei, einer 14-jährigen Schülerin mit Polizei zu drohen. Brauner ließ
stattdessen den Pressesprecher der Wiener Linien antworten: ... Kinder
müssten eben auch einen gültigen Ausweis haben. ‚Die Wiener Linien haben
Interesse daran, dass es keine Schwarzfahrer gibt.' Außerdem habe die U4 ‚nichts
mit der Fan-Zone zu tun.' Drohungen mit der Polizei seien ‚notwendig, wenn sich
Personen nicht ausweisen können'. Der Schülerausweis hat nicht genügt."
Erstens, meine Damen und Herren: Ich hätte eigentlich
gedacht, wenn so etwas passiert und eine „Kurier"-Anfrage bei der Frau
Vizebürgermeisterin landet, müsste es ihr doch wert sein, dass sie entweder
selbst darauf antwortet oder aber jemanden von den vielen Damen und Herren aus
ihrer Fraktion antworten lässt, wie es sonst auch immer wieder üblich ist. Und
ich hätte erwartet, dass hier ganz klar festgehalten wird, dass es nicht
zielführend und auch nicht verhältnismäßig ist, kleinen Kindern mit der Polizei
zu drohen und dass darüber hinaus Verständnis an den Tag gelegt wird dafür,
dass es tatsächlich auf Grund der Ringsperre eine große Umstellung ist und dass
es ein paar Tage dauert, bis Menschen sich zurecht finden in der neuen
Situation. Ich glaube auch, dass man kleine Kinder, die sich in der Früh auf
dem Schulweg befinden, ganz sicherlich nicht mit Schwarzfahrern gleichsetzen
kann, bloß weil sie sich geirrt haben und eine andere Linie genommen haben als
die, die in ihren Ausweisen eingetragen ist.
Des Weiteren hätte ich erwartet von der Frau
Stadträtin oder von jemandem aus ihrem Büro, dass sie bei den Wiener Linien
anrufen und dort klarstellen, dass sie die Kontrolleure ersuchen, Abstand zu
nehmen von solchen Aktionen und darüber hinaus den betreffenden Kontrolleur
ausforschen, damit ihm vielleicht auch erklärt wird, dass das ganz sicher keine
Art ist, wie man in Wien mit kleinen Kindern umgeht.
Nichts dergleichen ist offensichtlich der Fall
gewesen, vielmehr hat man das delegiert an die Wiener Linien. Die Antwort der
Wiener Linien konnten Sie selbst an dieser Stelle hören. Ich finde, dass das
eine absolut inakzeptable und inadäquate Art und Weise ist zu reagieren. Ich
appelliere an dieser Stelle auch an die Verantwortlichen, davon Abstand zu
nehmen, sondern Bürgerinnen und Bürger in diesen ersten Tagen mit Verständnis
zu behandeln und ganz sicherlich nicht Schülerinnen und Schüler auf diese Art
und Weise zu behandeln und mit der Polizei zu drohen.
Und abschließend möchte ich eines meinen: Es ist
nicht das erste Mal in den letzten Monaten, dass die Wiener Linien auf
Vorkommnisse dieser und auch anderer Art, die sehr tragisch endeten, äußerst
inadäquat reagierten. Es war keine Art und Weise, wie man auf die Tatsache
reagiert hat, dass innerhalb von wenigen Monaten bereits fünf Menschen
eingeklemmt und nachgeschleift worden sind von der Straßenbahn – einer davon
ist tot, ein anderer schwerst verletzt im Spital. Also das war auch keine Art
und Weise, wie man da reagiert hat, denn auch damals hat man mehr oder weniger
sinngemäß mehrfach der Bevölkerung ausgerichtet, es ist ohnedies alles okay.
Das darf nicht sein, und was nicht sein darf, kann auch nicht sein, und die
Leute sind selber schuld und sollen ein bisschen mehr aufpassen. So sinngemäß
war die Reaktion.
Und da braucht man sich auch nicht zu wundern, dass
man inzwischen ein Verfahren am Hals hat, dass jetzt wahrscheinlich die Antwort
auf diese inadäquate Reaktion ist, denn die vor wenigen Tagen einberufene
Pressekonferenz, in der auch verkündet wurde, welche Maßnahmen jetzt ergriffen
worden sind, um die Sicherheitssituation zu verbessern, kam leider etwas zu
spät. Und die Reaktion in den Monaten davor war, wie gesagt, völlig
inakzeptabel.
Ich ersuche Sie, meine Damen und Herren, ganz
besonders in der Sozialdemokratie, Ihren Einfluss, den Sie ja bei den Wiener
Linien zweifelsohne haben, geltend zu machen, die Frau Stadträtin, die leider
jetzt nicht anwesend ist, davon zu informieren, dass das ganz sicher nicht so
sein kann in einer Stadt wie Wien, und last but not least auch den Wiener
Linien auszurichten, dass sie keine Magistratsabteilung mehr sind, sondern ein
Unternehmen. Als solches haben sie etwas mehr Kundenorientierung an den Tag zu
legen. Aber das, meine Damen und Herren, ist ganz sicher nicht die Art und
Weise, wie Kundinnen und Kunden zu behandeln sind. – Danke. (Beifall bei den
GRÜNEN.)
Vorsitzender GR Günther Reiter: Zu Wort
ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen. Der Herr
Berichterstatter hat auf das Schlusswort verzichtet.
Wir kommen somit zur Abstimmung, die, wie gesagt,
getrennt durchgeführt wird bei den beiden Poststücken.
Ich lasse über die Postnummer 34 abstimmen. Wer
von den Damen und Herren für die Postnummer 34 ist, den bitte ich um ein
Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich, mit den Stimmen der
Freiheitlichen und der Sozialdemokraten, so beschlossen.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die sieben
Beschluss- und Resolutionsanträge.
Der erste, eingebracht von den
GRÜNEN, betrifft ein Moratorium für die Entfernung der Schienen der
Straßenbahnlinie 21. Die sofortige Abstimmung ist beantragt.
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