Gemeinderat,
34. Sitzung vom 04.06.2008, Wörtliches Protokoll - Seite 35 von 91
Zustimmung. – Dieses Poststück ist mit den Stimmen
der Sozialdemokraten beschlossen.
Zu dieser Postnummer 33 gibt es einen Beschluss-
und Resolutionsantrag der ÖVP betreffend die Trassenführung der U1 in Richtung
Rothneusiedl. Die sofortige Abstimmung ist hier beantragt. Wer dafür ist, den
bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Dieser Beschlussantrag hat nicht die
notwendige Mehrheit gefunden und ist somit abgelehnt.
Ich möchte nur formal noch mitteilen, dass GR Dr
Aigner bis 14.30 Uhr entschuldigt ist.
Es gelangt die Postnummer 27 der Tagesordnung zur
Verhandlung. Sie betrifft den Antrag von Microsoft Schullizenzen für das Wiener
Bildungsnetz und die Wiener Kindergärten. Herr GR Lindenmayr wird einleiten. –
Bitte.
Berichterstatter GR Siegi Lindenmayr:
Ich ersuche um Zustimmung.
Vorsitzender GR Günther Reiter:
Erste Rednerin ist Frau GRin Mag Ringler. – Bitte.
GRin Mag Marie Ringler (Grüner Klub
im Rathaus): Sehr geehrte Damen und Herren!
Das vorliegende Poststück ist möglicherweise der Todesstoß
für ein ambitioniertes Projekt der Stadt, nämlich das ambitionierte Projekt,
die Arbeitsplätze der Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter der Stadt Wien schrittweise von Microsoft auf freie oder
offene Softwareprodukte umzustellen und damit mehrerlei Fliegen auf einen
Schlag zu erwischen: Herstellerunabhängigkeit, einen Betrieb, der ein
weltweites Monopol hat und dafür von der Europäischen Kommission zu mehreren
Hunderten Millionen Euro Strafen verurteilt wurde, nicht mehr zu nutzen,
zusätzliche Sicherheit, weniger Kosten. Das sind viele positive Punkte, die
alle in einer sehr guten und sehr fundierten Evaluationsstudie im Jahr 2004 auf
den Tisch gelegt wurden.
Damals haben die Stadtregierung und der zuständige
Stadtrat gesagt: Ja, das ist ein guter Weg, den wollen wir einschlagen! – Was
passiert heute? Drei Jahre nach dieser strategischen Entscheidung, die
international viel beachtet wurde, werden nun von den 1 000 umgestellten
Rechnern – es waren leider nur 1 000 von insgesamt 20 000 Arbeitsplätzen
– nun drei Viertel wieder auf Microsoft zurück umgestellt. Und das ist das, was
wir hier beschließen. Wir beschließen, dass von den 1 000 auf Linux
umgestellten Rechnern 750 – 720 genau genommen, also ungefähr drei Viertel –
wieder auf Microsoft-Produkte umgestellt werden.
Das, sehr geehrte Damen und Herren, ist eine
Niederlage – eine Niederlage für eine ambitionierte und richtige strategische
Entscheidung. Und sie hat mehrere Ursachen: Einerseits den ganz konkreten Fall,
nämlich, dass eine Software, die nun notwendig wird, um die sprachlichen
Kenntnisse der Kindergartenkinder zu erheben, angeblich nur auf Internet
Explorer läuft. Das Geld, das investiert wurde, um diese Software für den
dezentralen Gebrauch zu nutzen, und an diese Firma gezahlt wurde, wurde
jedenfalls nicht dafür eingesetzt sicherzustellen, dass diese Software dann
auch plattformunabhängig in den Kindergärten läuft.
Aber das ist quasi nur der Stein des Anstoßes heute.
Und das ist ein bisschen so, wenn man sagt: Die Glühbirne ist kaputt und
deshalb reißen wir das Haus nieder. Es steht in keinem Verhältnis, es ist nicht
sinnvoll, und es ist bedauerlich. Es ist ein fatales Signal für eine damals
mutige Entscheidung.
Und es hat natürlich auch etwas damit zu tun, dass in
diesen Jahren des Umstieges kein oder kaum politischer Gestaltungswille von
Seiten der Stadt erkennbar war, diese Umstellung wirklich ernsthaft
voranzutreiben. Die MA 14, die ja als Profitcenter funktionieren muss, die
sich also selbst finanzieren muss, hat keine Mittel an die Hand bekommen, um
den Abteilungen das Nutzen von Linux und freier Software schmackhaft zu machen.
Damit war klar, dass es schwierig werden wird, denn nach dem Motto „Was man
nicht kennt, das isst man nicht!" ist es natürlich auch schwierig, Leute,
die sich über Jahrzehnte an etwas gewöhnt haben, davon zu überzeugen, dass es
Sinn macht, ein neues Computersystem zu lernen.
Tatsache ist aber auch, dass in den nächsten Jahren
diese Menschen das ohnehin tun werden müssen, denn ob sie nun auf Linux
umsteigen oder auf die nächste Entwicklung des Microsoft Betriebssystems, in
jedem Fall werden sie große Veränderungen vor sich haben, und sie werden
jedenfalls umlernen müssen.
Was ist also intelligenter? Viele hohe Lizenzgebühren
einem internationalen Konzern zu zahlen oder mit dieser strategischen
Entscheidung Wirtschaftspolitik in dieser Stadt zu machen?
Es gibt eine Studie der Stadt Wien, die von der
MA 27 in Auftrag gegeben wurde, die ganz deutlich macht, dass der
IKT-Standort in Wien von größter wirtschaftlicher Bedeutung ist und
mittlerweile, was die Bruttowertschöpfung betrifft, den Tourismus um das
6,5-Fache überholt hat. Und zu diesen IKT-Unternehmen in der Stadt gehören
natürlich auch Unternehmen im Bereich Open Source, die davon profitieren
würden, wenn die Stadt Wien konsequent den Weg pro Open Source weiterverfolgt,
nicht nur als Imagefaktor, sondern weil die Stadt Wien sich profilieren könnte
als innovativer Nachfrager bei diesen Firmen und weil die Stadt Wien im Übrigen
ja schon einiges investiert hat und es sinnlos ist, das jetzt alles aufzugeben:
Zum Beispiel mit dem rot-grünen Projekt der Wirtschaftsförderung im Bereich
Open Source des sehr erfolgreichen IKT Calls 2007 im letzten Jahr, bei dem
Open-Source-Firmen in der Stadt gezeigt haben, dass sie mit den proprietären
Konkurrenten allemal mithalten können, auch wenn es um innovative Forschung und
Entwicklung geht. (Zwischenruf von GRin Barbara Novak.)
Woran
liegt das? Liegt es am fehlenden politischen Gestaltungswillen? Liegt es am
cleveren Lobbying von Microsoft? Liegt es daran, dass die Firma Microsoft mit
der SPÖ-nahen Organisation der Kinderfreunde gerne kleine Büchlein macht, die
dann an Kindergartenkinder verteilt werden? Liegt es daran, dass auch die Frau
GRin Novak sich gerne mit den Microsoft-Mitarbeitern ablichten lässt, weil
diese diverse Initiativen bei den
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