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Gemeinderat, 29. Sitzung vom 14.12.2007, Wörtliches Protokoll  -  Seite 61 von 117

 

bekommt man den Eindruck, die EU wäre nun schuld daran, dass wir diese Form des Vertrages haben. Da habe ich gewusst: Ich muss dazu reden! Daher habe ich mir natürlich den Beschluss, den der Europäische Rat dazu gefasst hat, auch ausgehoben, und vor allem auch die Feststellungen, die vom Parlament in einem gemeinsamen Standpunkt dazu getroffen wurden, die nämlich konkret darlegen, dass der Eindruck, der hier vermittelt wird - dass das, was von Seiten der Stadt Wien nun abgeschlossen worden ist, gar nicht anders gemacht werden könnte oder gar nicht anders gemacht werden kann -, eben nicht stimmt.

 

Im Europäischen Rat wurde festgelegt, dass man es so machen kann, einen internen Betreiber in der Stadt zu haben, aber es wurde auch nicht ausgeschlossen, die entsprechenden Verkehrsdienstleistungen in einem offenen und fairen Wettbewerb auszuschreiben und zuzukaufen. Ganz im Gegenteil, es wurde vom Europäischen Parlament im gemeinsamen Standpunkt im Absatz 7 auch Folgendes festgehalten - und diesen einen Absatz würde ich sehr gerne zitieren:

 

„Studien und die Erfahrungen der Mitgliedsstaaten, in denen es schon seit einigen Jahren Wettbewerb im öffentlichen Verkehr gibt, zeigen, dass, sofern angemessene Schutzmaßnahmen vorgesehen werden, die Einführung des regulierten Wettbewerbs zwischen Betreibern zu einem attraktiveren und innovativeren Dienstleistungsangebot zu niedrigeren Kosten führt, ohne dass die Betreiber eines öffentlichen Dienstes bei der Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgaben behindert werden." – Zitat Ende.

 

Meine Damen und Herren von der Regierungsfraktion! Sie sind ständig darum bemüht darzustellen, dass jede Form des Zulassens eines anderen Verkehrsträgers in der Stadt zu weniger Leistung, zu schwächerer Leistung, zu schlechteren Standards et cetera führen würde. Wir haben nun die Bestätigung des Europäischen Parlaments, wir haben die Bestätigung auch des Europäischen Rates, dass Sie es hier ganz, ganz anders haben könnten, wenn Sie es nur wollten. Und am Wollen liegt es eindeutig: Sie wollen es nämlich nicht. Sie wollen es anders haben - anders kann man den Vertrag nicht erklären.

 

Sie schließen mit diesem Vertrag nämlich nun auch aus, dass andere Personen oder andere Gesellschaften als die Wiener Linien sich den Kopf darüber zerbrechen, wie die Planung des öffentlichen Personenverkehrs in Wien richtig wäre. Für Sie darf in Zukunft kein VOR, kein Verkehrsverbund Ost-Region, kein Dr Richard, kein Blaguss et cetera mehr sich darüber den Kopf zerbrechen. Diese dürfen nur mehr kniend zu Ihnen kommen und um einen Auftrag bitten, damit sie noch ein paar Kilometer abspulen können. Das dürfen sie noch, aber Gedanken dürfen sie sich nicht mehr machen. Das ist nur mehr für Sie möglich. Und das, obwohl wir die freundlichste Buslinie bei Blaguss haben, wie viele Tests gezeigt haben: Die Linie 147 ist die freundlichste Autobuslinie - bei Blaguss und nicht bei den Wiener Linien! (Beifall von Gemeinderäten der ÖVP.)

 

Meine Damen und Herren! Sie legen mit diesem Vertrag nun die Qualifikationskriterien bei Geschäftsführerbestellungen der Wiener Linien fest, und zwar dahin gehend, dass ausschließlich Sie als Stadt Wien diese Qualifikationskriterien festlegen können. Sie legen die absolute Stimmenmehrheit im Aufsichtsrat fest. Sie legen fest, mit welchen wichtigen Angelegenheiten der Aufsichtsrat befasst wird. Und Sie richten dazu noch einen Koordinationsausschuss ein, der dazu dienen soll, dass zuvor mit den von der Stadt Wien nominierten Aufsichtsräten noch abgeklärt wird, welche Angelegenheiten denn in der Generalversammlung nun beschlossen werden sollen, und wahrscheinlich auch, wie sie beschlossen werden sollen.

 

Das entspricht nicht jenem marktwirtschaftlichen Zugang, wie wir uns diesen von Gesellschaftsstrukturen eigentlich erwarten. Hier, meine Damen und Herren, haben Sie eindeutig einen Knebelungsvertrag für den Steuerzahler gemacht, auf Grund dessen alles, was sich die SPÖ im Sinne ihrer Politik vorstellt, umgesetzt wird, aber nicht das, was für den öffentlichen Personenverkehr sinnvoll und notwendig ist.

 

Meine Damen und Herren! Es wundert mich, dass auch die GRÜNEN diesem Vertrag zustimmen, obwohl hier, was die Leistungsausweitungen der Wiener Linien ab 2007 betrifft, eindeutig Folgendes drinnen steht: „Die Weiterentwicklung des Wiener U-Bahn-Netzes wurde beschlossen und wird etappenweise bis 2019 realisiert: U2-Verlängerung Nord zum Flugfeld Aspern, U1-Verlängerung nach Rothneusiedl und U2-Verlängerung Süd zum Arsenal/Gudrunstraße."

 

Ich dachte, es gab hier auch noch andere Parteien, die diesbezüglich andere Vorstellungen haben. Auch die Freiheitlichen hatten hiezu andere Vorstellungen. - Wenn Sie diesem Vertrag zustimmen, dann stimmen Sie auch diesen Implikationen zu! - Ich würde Sie daher ersuchen: Schauen Sie sich nochmals an, ob Ihre Zustimmung zu diesem Vertrag wirklich gewollt ist!

 

Und: In diesem Vertrag ist auch die Kooperation mit dem Fonds Soziales Wien hinsichtlich des Projekts „Help U" festgehalten. - Nichts gegen das Projekt „Help U", das ist sicher ein gutes Projekt, aber: Was hat das mit dem ÖPNV-Vertrag zu tun? Das frage ich mich schon, was das damit zu tun hat.

 

Meine Damen und Herren! Ich würde Sie daher ersuchen, sich erstens einmal die Zustimmung zu überlegen, vor allem von Seiten der anderen Oppositionsparteien: Ob es klug ist, hier einem Vertrag zuzustimmen, auf Grund dessen es nunmehr die SPÖ allein in der Hand hat zu bestimmen, was mit den Wiener Linien geschehen soll und was geschehen darf - und das alles mit dem einzigen Unterschied, dass die Wiener Linien weiterhin ausgegliedert sind, dass die Managergehälter dort um ein Vielfaches höher sind als die Gehälter des Bürgermeisters und der Stadträte und dass die Mitarbeiter dort mehr verdienen, als wenn die Wiener Linien eingegliedert gewesen wären - ansonsten ist also nichts anders! -, und dass sie der Kontrolle des Gemeinderates in Wirklichkeit entzogen sind, weil sie keine Dienststelle des Gemeinderates mehr sind, aber dieselben Möglichkeiten haben Sie sich nun eingeräumt, als wenn Sie ein

 

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