Gemeinderat,
27. Sitzung vom 21.11.2007, Wörtliches Protokoll - Seite 18 von 58
Minderheiten angehören, politisches Kapital zu schlagen. (GR Mag Gerald Ebinger: Haltet den Dieb!) Es geht Ihnen nicht um eine friedliche Koexistenz von Minderheiten oder von so genannten ethnischen Gruppen in Wien, sondern genau diese versuchen Sie ja zu verhindern: Nicht nur mit Ihrer politischen Stimmungsmache, die permanent stattfindet, sondern auch mit der Ablehnung von fast allen Integrationsmaßnahmen, die hier in diesem Haus beschlossen werden. Sie wollen keine Integration! Sie wollen keine Teilhabe. Sie wollen keine Begegnung auf Augenhöhe. Sondern Sie brauchen permanent irgendwelche Sündenböcke, auf denen Sie herumreiten können und auf dessen oder auf deren Rücken Sie Politik machen können.
Und ganz lächerlich finde ich es, wenn Ihre
nationalistische Partei plötzlich Nationalismen kritisiert und zum Beispiel den
türkischen Nationalismus oder den kurdischen Nationalismus oder einen anderen
kritisiert. (GR Mag Wolfgang Jung: Nein! – GR Dr Herbert Madejski:
Wir kritisieren weder ...!) Ich denke mir: Mit welcher Berechtigung
eigentlich? Ihre gesamte Politik besteht doch aus einer grässlichen
Nationalität und Nationalismuspolitik. Was Sie eigentlich vorhaben, ist, mit
dieser Argumentation – na ja, das seien importierte Konflikte, das brauchen wir
hier alles nicht –, die Betroffenen, nämlich eingewanderte Menschen zur
Abschiebung freizugeben.
Das wird Ihnen aber nicht gelingen, denn Sie
verdrängen auch eine andere Tatsache, nämlich, dass diese Menschen schon längst
Teil dieses Landes geworden sind. Und es kann sein, dass Sie sie ständig als
Türken und Kurden bezeichnen, aber es sind auch österreichische
Staatsangehörige – und um auf ein Letztes hinzuweisen –, es sind auch
Steuerzahler und Steuerzahlerinnen, weil vorhin das Argument gekommen ist, wie
kommen die Steuerzahler dazu.
Abschließend: Gewalt ist abzulehnen. Jeder
Nationalismus ist abzulehnen, der Nationalismus der Freiheitlichen genauso wie
ein türkischer oder ein kurdischer Nationalismus. – Danke schön. (Beifall bei
den GRÜNEN und von GR Dipl-Ing Omar Al-Rawi.)
Vorsitzender GR Günther Reiter: Zum
Wort gemeldet ist Herr GR Dr Ulm. Ich erteile es ihm.
GR Dr Wolfgang Ulm (ÖVP-Klub der
Bundeshauptstadt Wien): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Meine sehr verehrten
Damen und Herren!
Ich bedauere, dass dieses sehr ernste Thema bislang
nur beschränkt sachlich abgehandelt worden ist. Ich halte fest, dass Wien noch
immer eine sehr sichere Stadt ist und dass ethnische Konflikte die Sicherheit
in Wien derzeit nicht gefährden. (GR Mag Wolfgang Jung: Noch! Derzeit!)
Auch die Auseinandersetzung am 4. November in der Quellenstraße zwischen
Personen, die der kurdischen Volksgruppe angehören, und türkischstämmigen
Personen hatte keinen politischen Hintergrund. Das wurde durch Erhebungen, die
sehr intensiv waren, eindeutig festgestellt.
Richtig ist aber, dass die Kurdendachorganisation
FEYKOM ein Naheverhältnis zur PKK hat – keine Frage. Die PKK ist auch Thema im
Österreichischen Verfassungsschutzbericht 2007 wie auch in den Jahren
zuvor. Und das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung
beobachtet diese Szene sehr genau. Laut Aussagen von Funktionären der FEYKOM
geht die PKK lediglich – ich würde dieses lediglich unter Anführungszeichen
setzen – gegen militärische Ziele in der Türkei vor. Dem
Verfassungsschutzbericht ist aber auch zu entnehmen, dass Splittergruppen der
PKK sehr wohl auch wiederum im Berichtszeitraum touristische Ziele in der
Türkei angegriffen haben.
Welche konkreten Vorfälle haben wir in Österreich zu
verzeichnen? – Am 5. März 2007 hat es einen Vorfall gegeben, als
45 Personen, die der kurdischen Volksgruppe angehören, auf das Gelände der
UNO-City mit Fahnen und Transparenten vorgedrungen sind. Es wurde der
politische Führer Öcalan glorifiziert – sicherlich ein unerfreuliches Ereignis.
Zwölf Demonstrationen wurden seit 26. Oktober bewilligt. Eine dieser Demonstrationen
hat letztlich nicht stattgefunden. Diese kurdische Großdemonstration am
3. November wurde zwecks Entspannung abgesagt.
Was ist passiert bei diesen Demonstrationen? – Sie
sind großteils friedlich abgelaufen. Weniger erfreulich war die Demonstration
des türkisch-islamischen Vereins für kulturelle und soziale Zusammenarbeit am
28. Oktober in Innsbruck, wo immerhin sechs Verletzte zu beklagen waren.
Und am 4. November in St Pölten ist es bei einer Demonstration des
Osman Pascha Sport-, Kultur- und Hilfsvereins zur Besprayung von Häusern und
Autos gekommen.
Das wollen wir selbstverständlich nicht haben. Dem
geht die Exekutive nach. Es gibt aber auch das Recht auf Demonstrationsfreiheit
und auf Meinungsfreiheit. Wenn keine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit
naheliegt, dann gibt es auch keinen Grund, diese Demonstrationen zu verbieten.
Selbstverständlich müssen wir sehr achtsam sein und
darf es nicht passieren, dass diese Konflikte aus dem Ausland nach Österreich
hereingetragen werden. Die PKK hat ein Potenzial in ganz Europa, auch in
Österreich. Und es könnte natürlich sein, dass wir mit diesem Potenzial stärker
konfrontiert werden, wenn es tatsächlich zu einer Eskalation im Nordirak kommen
sollte.
Das Problem, das wir in Österreich haben, ist, dass
sich Personen der zweiten und dritten Generation zum Teil sehr intensiv mit
diesen ausländischen Konflikten beschäftigen, dass es zu einer Glorifizierung
von politischen Führern kommt, zu einer Nationalisierung und einer
Ideologisierung von österreichischen Jugendlichen, wo man feststellen muss,
dass die Identifikation bei diesen Personen mit Österreich ganz einfach nicht
gelungen ist. Das ist natürlich ein Versäumnis. Hier müsste es zumindest zu
dieser so genannten Bindestrich-Identität kommen, dass man sagt: Ja, man ist
kurdischstämmig, man ist türkischstämmig, aber man ist auch Österreicher und
man bekennt seine Loyalität zu diesem Land. (Beifall bei der ÖVP.)
Grund für diese Positionierung von
vielen Jugendliche ist eine misslungene Integrationspolitik, die Sie von
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