Gemeinderat,
20. Sitzung vom 27.04.2007, Wörtliches Protokoll - Seite 69 von 108
Bundeshauptstadt Wien): Sehr
geehrter Herr Vorsitzender! Herr Berichterstatter! Meine sehr geehrten Damen
und Herren!
Auch nicht geplant und wahrscheinlich auch nicht so
geschickt, wenn ein Mann hier am Rednerpult der Vorrednerin zum ersten von
Ihnen angesprochenen Thema antworten muss, nämlich dem Thema des
Schwangerschaftsabbruchs. (GRin Mag
Waltraut Antonov: Wieso? Das geht die Männer genauso an wie die Frauen! Das ist
nicht nur Frauensache!) - Ich bedanke mich für den Zwischenruf, dass die
Männer das auch dürfen. Als Vater von vier Kindern darf ich das wahrscheinlich
erst recht tun.
Aber ich möchte Ihnen schon sagen, Frau Kollegin
Vassilakou, Ihre Aussagen können wir nicht unwidersprochen stehen lassen, dass
es ein Recht der Frau wäre, unter allen Bedingungen immer Nein zum Kind zu
sagen, wann immer sie es möchte. Da haben wir ein anderes Verständnis. (GRin
Mag Maria Vassilakou: Wann immer nicht! Aber zu Beginn ist es ihr gutes Recht,
Herr Kollege! Es ist geltendes Recht!) Ja, aber Sie haben oder die SPÖ hat
auf ihrem Landesparteitag auch einen solchen Antrag eingebracht, wo es darum
ging, dass eigentlich bis zur letzten Minute vor der Geburt ein
Schwangerschaftsabbruch möglich ist. (GRin Mag Maria Vassilakou: Das war
aber jetzt gerade nicht mein Thema!)
- Okay, gut! Dann nehme ich das zur Kenntnis und darf nur die Position
der ÖVP hier bekräftigen, dass wir uns am Standpunkt des österreichischen
Strafgesetzbuches befinden, wo man unter ganz bestimmten Bedingungen den
Schwangerschaftsabbruch bis zum dritten Monat zulässt und dass uns diese
Bedingungen ganz wichtig sind. Das wollen wir, dass das in Zukunft beibehalten
wird und nicht, dass wir in eine Richtung gehen, wo es darum geht, dass die
Frau, oder wer auch immer, also kein Mensch, über das Leben eines anderen ohne
Grundlage frei bestimmen kann. Das, glaube ich, sollte es in der Zukunft nicht
geben, egal, ob es sich um eine Frau oder um einen Mann handelt. Das Recht auf
Leben hat jedes menschliche Wesen und davon sollten wir grundsätzlich, glaube
ich, ausgehen! (Beifall bei der ÖVP.)
Nun aber zum Thema „Obdachlose, Hilfsbedürftige, Sozialhilfeempfänger,
Freifahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln": Ich habe irgendwie ein
bisschen den Verdacht, dass dieses Thema ganz allein dazu dient, um
festzustellen, ob nun die SPÖ oder die GRÜNEN die sozialere Partei ist und ob
es wirklich nur mehr darauf ankommt, wer nun den größeren politischen Erfolg in
der öffentlichen Diskussion hat. Aber niemand von den beiden Gruppierungen hat
heute hier über Obdachlosigkeit an sich gesprochen, über das, warum es zur
Obdachlosigkeit kommt, was die Gründe sind und welche Mittel generell dafür zur
Verfügung gestellt werden.
Ich glaube, dass diese Diskussion um die Freifahrt
für Obdachlose wirklich zu kurz greift, wenn man es mit den Obdachlosen ernst
meint und wenn man sich derer annehmen möchte. Die Struktur dafür ist zu
komplex, um sie über einen Fahrschein lösen zu können. Meine Damen und Herren,
das ist nicht der Punkt, wie wir Obdachlosen helfen können. Die Ursachen für
Obdachlosigkeit sind nämlich so vielfältig, dass sie sich eben nicht mit einem
Freifahrtschein alleine lösen lassen. (GR Dipl-Ing Martin Margulies: Da gebe
ich Ihnen recht! Alleine sicher nicht!) Mietschulden, Suchtverhalten,
Scheidungen, Arbeitslosigkeit, Krankheit, sehr oft auch fehlende
Resozialisierung nach Gefängnisaufenthalten, Flucht aus Heimen, Kinder, die
nicht gewollt sind, et cetera. Hier müssen Maßnahmen zur Unterstützung
wahrscheinlich viel früher greifen.
Der heutige Tag war von einer Bildungsdebatte
gekennzeichnet. Ich glaube, es ist auch bei diesem Punkt sehr gut, dieses Thema
auch von einer Bildungsdebatte her zu sehen und zu sagen, man kann viel über
Wissensvermittlung in Schulen, Kindererziehung, im sozialen, im
psychologischen, im pädagogischen Bereich erreichen, um so Leute vor der
Obdachlosigkeit zu bewahren. Sich darüber Gedanken zu machen und zu schauen,
wie man den Menschen helfen kann, wäre wahrscheinlich viel wichtiger.
Denn wir wissen auch, und das haben viele
Sozialpsychologen in der Zwischenzeit bereits bestätigt, dass sich nach einem
halben Jahr auf der Straße der Charakter und seine Wünsche verändern. Es ist
dann nicht mehr der so sehr Wunsch, resozialisiert zu werden, sondern eher der
Wunsch, in der Situation zu verbleiben, in der man gerade ist. Leider gibt es
immer weniger Obdachlose, die auch auf Sozialhilfeprogramme anspringen, die auf
Sozialhilfeprogramme positiv reagieren können. Daher kommt es darauf an, dass
man sehr rasch hilft, in dem Moment, wo man obdachlos ist, oder noch besser
präventiv, bevor es dazu kommt. Mit diesen Präventivmaßnahmen könnten wir
wahrscheinlich viel mehr machen als mit den nachfolgenden Maßnahmen, wenn wir
versuchen, den Obdachlosen in diesem Bereich einen Freifahrtschein zu geben.
Nehmen wir uns nur das Beispiel
der Kosten allein her. Die Stadt Wien gibt 22,5 Millionen EUR
jährlich für Wohnungssuchende aus, die aus dem Bereich der Obdachlosigkeit
kommen. Wenn ich allein die Sozialhilfeempfänger hernehme, die derzeit rund
80 000 in Wien sind, wenn ich das in den Gegenwert einer Jahreskarte
umrechne, was ich da für Steuerzahler aufrechne, müsste ich dafür
70 Millionen EUR veranschlagen. Das ist der Gegenwert, den der
Steuerzahler dafür aufwenden muss. Wenn wir jetzt nur hergehen und sagen, wir
verdoppeln die Aufwendungen der Stadt Wien für die Obdachlosen, dann könnten
wir wahrscheinlich in der direkten Hilfe ein Vielfaches mehr geben, in dem, was
einzelne Obdachlose wollen, viel mehr zusammenbringen, als wenn wir in einem
Gießkannenprinzip die Freifahrtscheine hergeben. Denn, meine Damen und Herren,
ich glaube, es kann nicht das Ziel sein, mit einem Freifahrtschein vielleicht
auch Schlafplätze für Obdachlose in U-Bahnen zu schaffen, weil wir zu wenig
Schlafplätze für Obdachlose haben. Da sollten wir doch das Geld dort in die
Förderung hineinstecken, dass wir mehr Schlafplätze für Obdachlose haben und
sie nicht auf der anderen Seite
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular