Gemeinderat,
20. Sitzung vom 27.04.2007, Wörtliches Protokoll - Seite 24 von 108
Sicht natürlich sehr, sehr
viel.
Ich möchte hier auf eine
unserer Meinung nach sehr wichtige und zahlenmäßig auch nicht gerade kleine
Gruppe aufmerksam machen, die von den Begriffen Chancengleichheit und
Chancengerechtigkeit in diesem Land und in dieser Stadt nur träumen kann,
nämlich junge Menschen mit Migrationshintergrund, wie man das heut zu Tage
nennt. Das sind einerseits Menschen, die nicht die österreichische
Staatsbürgerschaft besitzen, aber auch Menschen, die die österreichische Staatsbürgerschaft
besitzen, deren Muttersprache aber nicht Deutsch ist. Und ich möchte auch ein
paar Zahlen nennen, die nicht wir uns aus dem Ärmel gezogen haben, sondern die
anerkannte, wissenschaftliche Institutionen dieser Stadt und dieses Landes vorgelegt
haben.
Das IHS, das Institut für
Höhere Studien, hat nämlich in mehreren Studien Zahlen vorgelegt, dass die
sozialen Unterschiede beim Drop-out-Risiko aus dem Bildungssystem und in
weiterer Folge natürlich auch bei entsprechenden Schwierigkeiten, um am
Arbeitsmarkt in Österreich Fuß zu fassen, enorm unterschiedlich sind, also dass
es enorme soziale Unterschiede gibt. Gebürtige Österreicher und
Österreicherinnen haben laut IHS ein Drop-out-Risiko von 7,2 Prozent.
Dieses Risiko ist bei der so genannten zweiten und dritten Generationen, sprich
Jugendlichen, die in Österreich geboren sind, deren Muttersprache aber nicht
Deutsch ist, 15,6 Prozent, also mehr als das Doppelte. Diese Jugendlichen
haben ein mehr als doppelt so großes Risiko, aus dem Schulsystem heraus zu
fallen, einfach auf Grund der Tatsache, dass sie einen Migrationshintergrund
haben. Bei Jugendlichen, die keine EU-Staatsangehörigkeit besitzen, schaut das
noch viel schlimmer aus, die haben ein fast 30-prozentiges Drop-out-Risiko. Das
ist gemessen an den Jugendlichen, die gebürtige Österreicher und
Österreicherinnen sind, na ja, das Vierfache, würde ich sagen. Das heißt, der
Handlungsbedarf ist sehr groß. Wien kann sich nicht einfach auf den Standpunkt
zurückziehen: Na ja, wir tun ja so viel und es schaut alles in Ordnung aus. Es
ist sehr vieles nicht in Ordnung, denn es handelt sich hier um Menschen, um
junge Menschen, die in dieser Stadt geboren wurden, die hier aufgewachsen sind
und die kein anderes Schulsystem kennen als das hiesige und die auch keine
andere Gesellschaft kennen als die hiesige, weil sie hier aufgewachsen sind und
Teil dieser Gesellschaft sind. Die Frage ist, ob diese Stadt und dieses Land es
sich leisten kann, dass sich diese Gruppe von jungen Menschen ausgegrenzt
fühlt, tatsächlich auch ausgegrenzt wird und vermutlich ihr Leben lang, wenn
nichts dagegen getan wird, nichts von Chancengleichheit und
Chancengerechtigkeit in dieser Gesellschaft erleben wird, weil sich die
schlechteren Chancen bei der Schulausbildung dann auch am Arbeitsmarkt
fortsetzen und sich auch entsprechend auswirken.
Als vor relativ Kurzem die
Jugendausschreitungen in Frankreich waren, da waren auch hier bei uns Debatten.
Unter anderem haben viele Politiker und Politikerinnen gesagt: So etwas wäre
bei uns unvorstellbar. Ohne jetzt Schreckensvisionen an die Wand malen zu
wollen, möchte ich sagen: Warum soll so etwas bei uns völlig unvorstellbar
sein? Wenn man eine Gruppe von Menschen systematisch diskriminiert und an den
Rand der Gesellschaft drängt, dann kann es natürlich auch Ausschreitungen geben
und das kann nicht Sinn und Zweck der Sozialpolitik, Sinn und Zweck der
Bildungspolitik und Sinn und Zweck der Arbeitsmarktpolitik sein. Die Zahlen
liegen auf dem Tisch. Dagegen sind konkrete Maßnahmen nötig und viel mehr und
stärkere Maßnahmen, als derzeit ergriffen werden (Aufregung bei GR Mag Wolfgang Jung.),
denn im konkreten Fall, wenn Jugendliche jahrelang ohne Job sind und wenn sie
die Erfahrung machen, das ist deshalb, weil Deutsch nicht ihre Muttersprache ist
und sie nicht österreichische Staatsangehörige sind, dann staut sich großer
Frust auf und das kann nicht im Sinne unserer Gesellschaft sein.
Die SPÖ regiert diese
Stadt mit absoluter Mehrheit. Die SPÖ ist daher auch aufgefordert, ganz konkret
und schleunigst in diesem Bereich etwas zu tun. - Danke. (Beifall bei den
GRÜNEN.)
Vorsitzende GRin Inge Zankl: Als Nächster am Wort ist
Herr GR Dr Aigner.
GR Dr Wolfgang Aigner (ÖVP-Klub der
Bundeshauptstadt Wien): Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Ich habe das Vergnügen,
jetzt auf das, was meine Vorrednerin gesagt hat, reagieren zu können und da
muss ich Ihnen schon sagen: Wer in ein fremdes Land kommt, sich weigert, die
Sprache dieses Einwanderungslandes zu lernen, wer erst überzeugt werden muss,
dass es vielleicht nicht schlecht ist, die Sprache des Gastlandes zu lernen,
dass es nicht schlecht ist, in eine Schule zu gehen, da sage ich Ihnen ganz
ehrlich, der wird nicht ausgegrenzt, sondern der grenzt sich selber aus, meine
Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und von Gemeinderäten der FPÖ.)
Ich muss schon auch sagen: Wenn es hier um
Wirtschaftsmigration geht, dann haben wir die Verpflichtung und auch das Recht,
uns jene Leute zu holen, die die Qualifikationen vielleicht schon mitbringen,
die wir in unserer Wirtschaft brauchen, und nicht, dass wir viel Geld aufwenden
müssen, um Grundfähigkeiten auch in der eigenen Sprache beizubringen.
Ich glaube, die Menschen, die da sind, müssen
bestmöglich betreut werden. Da gibt es sicher gewisse Mängel in der Integration.
Aber es sich so einfach zu machen, zu sagen: Wir nehmen zur Kenntnis, dass sich
hier eine Parallelgesellschaft selbst aufbaut, und dann zu sagen, die anderen
sind schuld - so einfach sollte man es sich nicht machen! (Beifall bei der
ÖVP.)
Im Übrigen gibt es ja Länder, in denen vielleicht
Sprachen, die man schon kann, gesprochen werden. Dann kann man ja sein
Einwanderungsziel vielleicht auch nach den eigenen sprachlichen Möglichkeiten
ausrichten.
Es geht aber hier um die Arbeit
mit Jugendlichen. Ich glaube, am Vorabend des Tages der Arbeit ist es wichtig,
den Wert der Arbeit herauszustreichen. Es wird der Tag
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