Gemeinderat,
18. Sitzung vom 02.03.2007, Wörtliches Protokoll - Seite 20 von 104
nämlich einerseits um den St Marxer Friedhof,
der als ein Kulturdenkmal sondergleichen gelobt wird. Es gibt unzählige
Internetseiten, etwa auch von Wien Online, auf denen beschrieben wird, wie
schön es dort ist, wie viel Flieder dort blüht und welche wichtigen Leute dort
liegen. – Es ist wirklich sehr schön dort, das ist unbestritten. Und als
kulturell denkendem Menschen tut es mir in der Seele weh, wenn man solche alten
Kulturdenkmäler einfach verfallen lässt oder sich nicht darum kümmert!
Schauen wir uns jetzt zum Vergleich den jüdischen
Friedhof Währing an. Dieser ist auch ein Biedermeier-Friedhof, wobei die Bezeichnung
nicht ganz stimmt, weil er schon 1784 gegründet wurde. Aber auch dieser
Friedhof wird seit ungefähr 125 Jahren nicht mehr benutzt. Es ist dies
also ein historischer Platz, und zwar nicht bloß ein historischer Platz der
Juden, sondern ein historischer Platz Wiens. Irgendwie kann ich daher nicht
recht nachvollziehen, wieso man sich da so auf Kompetenzen kapriziert wie der
Herr Stadtrat und sagt, dass das eigentlich den Bund betrifft!
Wir stimmen jedenfalls all dem zu. Ich rede dazu dann
noch einmal bei der Postnummer 37. Soll der Bund das zahlen! Auch das ist
mir recht! Wenn aber einerseits 40 oder 50 Millionen EUR für die
Renovierung des Ronacher ausgegeben werden, was unserer Meinung nach hinaus
geschmissenes Geld war, dann aber andererseits gesagt wird: Mich geht das, was
mit den Friedhöfen geschieht, nichts an!, dann kann ich das nicht
nachvollziehen.
Und wenn man sich schon auf die Kompetenzen des
Bundes ausredet, dann möchte ich auch daran erinnern, dass zwar ein Teil des
Friedhofs in der NS-Zeit als Löschwasserbecken verwendet und ein Großteil
zerstört wurde, dass aber nach dem Krieg von der Stadt Wien, also von den
Sozialisten in Wien, ausverhandelt wurde, dass der Friedhof bestehen bleibt,
und zwar unter der Bedingung, dass ihnen der zerstörte Teil abgetreten wird.
Diesen haben sie dann flugs von Grünland in Bauland umgewandelt und sich daran
sozusagen ohne jeden Generier bereichert. Kollege Wolf hat völlig recht: Es ist
fast süffisant, den Gemeindebau, der dort entstanden ist, dann Arthur-Schnitzler-Hof
zu nennen!
Wenn man aber schon ein gutes Geschäft mit den
Gründen des jüdischen Friedhofs gemacht hat, dann kann man auch ein bisschen
etwas hergeben, damit er saniert wird. Ich glaube, dass das nicht nur eine
Sanierung für die Juden Wiens, sondern für die Bevölkerung Wiens insgesamt
wäre! Für mich ist das ein Kulturdenkmal Wiens, und Wien trägt dafür eindeutig
Verantwortung. – Danke schön. (Beifall
bei der FPÖ.)
Vorsitzende GRin Inge Zankl: Als Nächster am Wort ist Herr GR Schreuder.
GR
Marco Schreuder (Grüner Klub im Rathaus): Sehr geehrte Frau Vorsitzende!
Sehr geehrte Damen und Herren!
Seitdem
vor zirka einem Jahr in der „Neuen Zürcher Zeitung“ ein Artikel über den jüdischen
Friedhof in Währing erschienen ist, kämpfe ich ziemlich lautstark und immer
wieder für die Erhaltung und Sanierung dieses Friedhofs und für die
Begehbarkeit dieses Friedhofs. – Ich hätte das von der Priorität der
Notwendigkeiten eigentlich in umgekehrter Reihenfolge sagen sollen.
Man
muss sich wirklich schämen. Es ist eine Schande, dass sich am Gürtel, also
mitten in der Stadt, ein Friedhof befindet, der einzigartig in Mitteleuropa ist
und sich dennoch in einem solchen Zustand befindet! Ich zeige Ihnen jetzt ein
paar Fotos, denn Bilder sagen bekanntlich oft mehr als tausend Worte: Das ist
der Friedhof nach dem Orkan Kyrill. Da ist ein halber Baum umgefallen, und er
ist auf die älteste Gräbergruppe gefallen, die es auf diesem Friedhof gibt. Ich
zeige Ihnen jetzt ein anderes Bild davon, und hier noch eines.
Das
ist in Mitteleuropa wirklich einzigartig: Aus dem osmanischen Reich sind sehr
viele Jüdinnen und Juden nach Wien gezogen, weil es ein Abkommen zwischen dem
Habsburgerreich und dem osmanischen Reich gab. Wien ist der einzige Ort in
Mitteleuropa mit sephardischen Gräbergruppen. Diese sehen derzeit, wie Sie auf
diesem Foto sehen, so aus: Auch hier ist ein halber Baum darauf gefallen. In
diesem bemerkenswerten Zustand – wie ich unter Anführungszeichen sagen
möchte – befindet sich dieser Friedhof!
Schauen
Sie sich auch diese Fotos an! Es ist auch ein riesiges Problem, dass lauter
kleine Bäumchen nachwachsen. Diese Bäume vermehren sich unglaublich schnell,
und dieser Fall ist eines der seltenen Male, in dem die GRÜNEN für einen
Baumschnitt sind beziehungsweise dafür eintreten, dass die Bäume dort insofern
gepflegt werden, dass sie nichts mehr weiter zerstören können.
Ich
freue mich, dass wir es in diesem Zusammenhang schaffen, heute einen gemeinsamen
Antrag mit der ÖVP und der SPÖ einzubringen, der zumindest einen ersten Schritt
darstellt, der uns sehr wichtig ist, damit keine weiteren Zerstörungen über die
Bühne gehen. Nichtsdestotrotz ist das nur ein erster Schritt, denn zusätzlich
ist es auf jeden Fall notwendig, dieses Areal zu öffnen und für die Wienerinnen
und Wiener zugänglich zu machen. Der Friedhof soll aber nicht nur für die
Wienerinnen und Wiener geöffnet werden, denn zusätzlich kann man auch ein
touristisches Argument einbringen. So sind etwa in Prag und Budapest die alten
Friedhöfe eine große Attraktion! Im Hinblick darauf müsste Wien auch ein
Interesse daran haben, dass die Menschen sich den Friedhof anschauen können,
zumal er wirklich einzigartig ist.
Damit
es keine falschen Interpretationen hinsichtlich dieser Aktuellen Stunde gibt,
ist es mir auch wichtig zu erwähnen, dass mit dem Aufgreifen dieser Thematik
kein Antisemitismusvorwurf an die SPÖ gerichtet wird. Wir erheben nur den
Vorwurf, dass unsensibel mit dieser Materie umgegangen wurde. Es ist
unsensibel, dass man es so weit kommen lässt, dass ein Friedhof so ausschaut!
Apropos Washingtoner Abkommen: In diesem steht,
dass sich die Republik Österreich verpflichtet, zur Finanzierung von jüdischen
Friedhöfen beizutragen, ob bekannt oder unbekannt. – Ich schließe mich der
Meinung
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