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Gemeinderat, 16. Sitzung vom 15.12.2006, Wörtliches Protokoll  -  Seite 10 von 129

 

bisschen schön, wenn Sie von „nicht ganz einfachen Gruppen“ und von „Kulturprojekten“ sprechen, wo doch stadtbekannt ist, dass das teilweise Projekte einer Gewaltkultur sind und dort auch extremistische Personen und Vereine ein- und ausgehen. Ich meine, Sie als Stadträtin sollten sich vor allem um die Interessen der Anrainer kümmern! – Stellen Sie sich vor, Sie wohnen in der Wielandgasse neben einem Haus, wo es um 3 Uhr in der Früh regelmäßig einen Trommelwirbel gibt, Raketen vom Dach abgeschossen werden und wo es keine Schneeräumung gibt und es daher im Winter wieder eine eklatante Verletzungsgefahr für alle Passanten geben wird.

 

In den benachbarten Supermarkt, einen Billa-Markt, gehen die Bewohner dieses Hauses regelmäßig – unter Anführungszeichen – einkaufen, das heißt, sie gehen dort hinein, nehmen etwas mit und zahlen nicht. Die Bediensteten dort resignieren bereits.

 

Im Hinblick darauf meine ich, Frau Stadträtin, dass es nicht so sehr Ihre Sorge sein sollte, sich um die Kriminellen und Asozialen zu sorgen. Ihre Aufgabe als Wiener Stadträtin wäre es – unserer Ansicht nach – viel mehr, dort vor allem die Interessen der Anrainerinnen und Anrainer zu vertreten.

 

Ich frage Sie daher: Wie können Sie es eigentlich rechtfertigen, dass die Stadt die Anrainer im 10. Bezirk bisher so schmählich im Stich gelassen hat?

 

Vorsitzende GRin Inge Zankl: Bitte, Frau Stadträtin.

 

Amtsf StRin Mag Renate Brauner: Herr Kollege! Mit dem Herumwerfen von Allgemeinplätzen ist noch kein Problem gelöst worden! Ich habe halt den Zugang, dass wir dazu da sind, Probleme zu lösen und zu versuchen, Konflikte zu verhindern beziehungsweise diese möglichst einzudämmen, und ich glaube, dass das in beträchtlichem Ausmaß auch schon gelungen ist.

 

Ich glaube, deutlicher als mit meiner Bemerkung, dass die individuelle Freiheit des Einzelnen dort endet, wo die Freiheit des anderen eingeschränkt wird, kann man es gar nicht sagen. In diesem Sinne ist es unser Ziel, dafür zu sorgen, dass es zu einer Art und Weise des Agierens der Gruppe im Kirchweger-Haus kommt, die für die Anrainer akzeptabel ist. Das funktioniert aber nicht dadurch, dass man von den bösen Anarchos redet oder irgendwelche Presseaussendungen macht, sondern das funktioniert dadurch, dass man sich mit den Leuten auseinandersetzt und mit ihnen arbeitet. Dazu gibt es Sozialarbeiter, Strukturen und Einrichtungen. Diesen Weg haben wir in diesem Fall und in vielen anderen Fällen in Wien gewählt.

 

Wenn Sie sagen, dass es darum geht, gegen Gewaltbereitschaft einzutreten, bin ich völlig auf Ihrer Seite. Jedenfalls ist es notwendig, Gewalt zu verhindern. Aber wenn ich die Situation in Wien mit der Situation in anderen Großstädten vergleiche, dann meine ich, dass wir da sehr erfolgreich sind. In Berlin, in Zürich und in vielen anderen Städten hat es massenweise Hausbesetzungen gegeben, bei denen es zum Teil zu Tätlichkeiten gekommen ist, und in Anbetracht dessen glaube ich, dass der Wiener Weg des miteinander Redens und des Versuchs, Konflikte zu vermeiden, ein sehr guter ist. Das hat bei uns dazu geführt, dass es bei der gewaltbereiten Szene, die Sie ansprechen, nicht zu Gewalt, sondern zu friedlichen Lösungen kommt, und das ist mein Ziel.

 

Wir müssen uns um die Menschen kümmern, und zwar auf beiden Seiten. Vor allem müssen wir uns auch um die jungen Menschen und deren Lebensgeschichten kümmern. Ich kenne die Leute, die im Kirchweger-Haus sind, nicht, aber ich kenne aus den Berichten meiner Sozialarbeiter generell die Lebensgeschichten von jungen Leuten, von denen man sich, wenn man sie auf der Straße sieht, denkt: Wieso haben die nichts zu tun, als da herumzulungern? Wenn man sich dann aber die Lebensgeschichte dieser jungen Menschen anschaut, dann versteht man manchmal, warum sie dort gelandet sind, wo sie gelandet sich, und das ist nicht immer nur auf individuelles Versagen der Jugendlichen zurückzuführen, dahinter stehen oft auch andere Probleme. Gerade bei jungen Mädchen zeigen sich oft sehr tragische Lebensschicksale.

 

Der langen Rede kurzer Sinn: Mir geht es darum, dass wir uns um alle Beteiligten kümmern und dass es dort zu einer Lösung kommt, die für die Anrainer akzeptabel ist. Der jetzige Schwebezustand ist jedenfalls nicht akzeptabel, und deswegen reden wir mit allen Beteiligten. Wir machen den Leuten im Kirchweger-Haus unmissverständlich klar, dass sie sich an gewisse Spielregeln zu halten haben, die für alle gelten und über die man sich nicht hinwegsetzen kann. Ich glaube, das ist ein besserer Weg, um Auseinandersetzungen, Konfliktsituationen, Eskalationen oder gar Gewalt zu vermeiden, und das ist mein Ziel.

 

Vorsitzende GRin Inge Zankl: Danke, Frau Stadträtin. - Nächste Zusatzfrage: Frau GRin Smolik.

 

GRin Claudia Smolik (Grüner Klub im Rathaus): Frau Stadträtin!

 

Vielen Dank für die Antwort! Es ist immer wieder erschütternd, dass eine Fraktion hier Begriffe wie zum Beispiel „Asoziale" verwendet, die sehr menschenverachtend und geschichtlich vorbelastet sind. Ich bin froh, dass Sie darauf nicht eingegangen sind! (Beifall bei den GRÜNEN und von Gemeinderäten der SPÖ.)

 

Meine Frage: Bis vor zirka einem Jahr waren auch im EKH AsylwerberInnen untergebracht. Ist es richtig, dass auch in Zukunft dort wieder Wohnmöglichkeiten für AsylwerberInnen geschaffen werden?

 

Vorsitzende GRin Inge Zankl: Bitte, Frau Stadträtin.

 

Amtsf StRin Mag Renate Brauner: Im Moment ist die weitere Nutzung des Hauses im Gespräch. Gerade diese Gruppe, die sich als sehr autonom versteht, erwartet Unterstützung. Diese Autonomie hat aber, wie gesagt, auch ihre Grenzen und die persönliche Freiheit des anderen ist natürlich auch durch die Gruppe, die sich als sehr autonom versteht und dieser Gesellschaft oder dem Staat sehr skeptisch gegenüber steht, sich aber Hilfe erwartet, zu respektieren. Das ist natürlich ein sehr ambivalenter Prozess, aber jedenfalls ist es, wenn wir zu vernünftigen Lösungen kommen wollen, sinnvoll, das Ganze mit den Betroffenen gemeinsam zu machen.

 

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