Gemeinderat,
13. Sitzung vom 25.10.2006, Wörtliches Protokoll - Seite 46 von 80
beziehen, verfassungswidrig ist. Ist man wirklich
bereit, so eine fadenscheinige Begründung vorzuschieben? Das trifft mich
wirklich, denn es zeigt, dass Ihnen das offenbar weder ein großes noch
überhaupt ein Anliegen sein kann, in dieser Frage das endlich einmal deutlich
auch festzumachen.
Das ist wirklich schmerzvoll, denn wir erleben ja bei
Ihrer Haltung auch, was im Grunde genommen in der Präsidiale gelebt wurde, wo
man auch die Wertigkeit aller Parteien erkennen konnte, nämlich dass man gesagt
hat, dieser Völkermord an 1,5 Millionen Armeniern hat für uns quasi keine
Wertigkeit (GR Dr Matthias Tschirf: Das
ist ja unglaublich!), denn für uns ist es wichtiger, andere Geschäftsordnungspunkte
als Hauptpunkte zu behandeln. (GR Godwin
Schuster: Das stimmt doch überhaupt nicht! Das ist ungeheuerlich!) Ich habe
ja extra gefragt: „Wollen Sie diesen Punkt als ersten Punkt, als Hauptpunkt
behandelt wissen oder nicht?" (GR
Godwin Schuster: Das stimmt doch überhaupt nicht!) Für uns ist das ein
Hauptpunkt der heutigen Sitzung. Ich sage es ganz offen. Bei 1,5 Millionen
ermordeten Armeniern ist das ein wichtiger Hauptpunkt. (Beifall bei der FPÖ.
– GR Godwin Schuster: Das ist eindeutig die Unwahrheit! Was Sie hier sagen, ist
eindeutig gelogen!)
Wenn ich dann in der Präsidiale sitze und gesagt
wird, das soll erst sozusagen beim dritten Punkt ein Thema werden, denn als
erstes Thema ist uns das Volkstheater am wichtigsten, na, dann sieht man schon
eine gewisse Wertigkeit offensichtlich. (GR
Godwin Schuster: Das stimmt nicht! Sie haben sich gar nicht zu Wort gemeldet!)
Und wenn man dann auch noch nicht zustimmt, wie man schon vorher mitteilt,
sieht man ja auch gewisse Wertigkeiten. (GR
Godwin Schuster: Das ist ungeheuerlich!) Das ist wirklich traurig. Das kann
man nur so festhalten.
Unsere Fraktion bringt daher einen Beschlussantrag
ein, in dem der bislang ungesühnte und vom potenziellen EU-Mitglied Türkei
geleugnete Völkermord an den Armeniern verurteilt werden soll. Damit soll ein
deutliches Signal gesetzt werden, dass auch dieser grausame Völkermord endlich
aufgearbeitet wird.
Unser Beschlussantrag lautet:
„Erstens: Der Gemeinderat der Stadt Wien verurteilt
wie der Weltkirchenrat, das Europäische Parlament, die
UN-Menschenrechtskommission, die Parlamente beziehungsweise Senate
Argentiniens, Belgiens, Bulgariens, Frankreichs, Griechenlands, Kanadas, des
Libanons, der Russischen Förderation, Schwedens, Uruguays, der USA und Zyperns
die Verbrechen der Türken an den Armeniern seit 1886, im Besonderen den
Völkermord von 1915, bei dem es bis zu 1,5 Millionen Armenier als Opfer
gegeben hat, und anerkennt diesen im Sinne des Übereinkommens über die
Verhütung und Bestrafung des Völkermordes im Sinne der Völkermordkonvention
1948.
Zweitens: Der Gemeinderat der Stadt Wien fordert die
Regierung der Republik Türkei auf, die historische Tatsache des Völkermordes
anzuerkennen und damit der Bedingung zu entsprechen, die das Europäische
Parlament mit seiner am 18. Juni 1987 verabschiedeten 'Resolution zur
politischen Lösung der armenischen Frage' an die Vollmitgliedschaft der Türkei
gestellt hat."
Sie tragen in Wirklichkeit heute alle unmittelbar
dazu bei, Gerechtigkeit für die Nachfahren der Opfer wieder herzustellen, Sie
könnten heute helfen, diese Spirale von Verbrechen, Straflosigkeit und
Wiederholung zu durchbrechen. Und das ist ja genau der Punkt. Nie wieder darf
es so etwas geben, egal gegenüber welchem Volk auf diesem Planeten Erde. Da
sollten wir keinen Unterschied machen. Daher ich bin sehr gespannt darauf, ob
Sie heute bei diesem Völkermord eine andere Position einnehmen. Das würde nicht
nur uns zu denken geben, sondern natürlich wären es auch die Betroffenen und
viele andere Menschen, die das nicht verstehen könnten.
Wir haben in diesem Zusammenhang die namentliche
Abstimmung verlangt, weil das letztlich auch die Nagelprobe für die im Haus
vertretenen Parteien für uns darstellt und werden soll. Wir möchten wissen, wie
ernst Sie die Auseinandersetzung letztlich auch mit den Äußerungen Ihres
zurückgetretenen ÖVP-Bezirksrates nehmen und wie ernst Sie auch mit diesem
Völkermord und Genozid umgehen oder ob Sie hier lieber nicht tätig werden, um
nicht – in dem Fall, sage ich ganz bewusst – die Türkei sozusagen zu vergrämen,
weil Sie vielleicht Angst haben, sich hier für eine Opfergruppe zu
positionieren. Das wird für uns heute sicherlich von Interesse sein und eine
Nagelprobe darstellen. Wir können nur ersuchen, dass Sie in sich gehen und
diesem Beschlussantrag zustimmen werden. (Beifall
bei der FPÖ.)
Vorsitzender
GR Dr Wolfgang Ulm: Zur Geschäftsordnung zu Wort gemeldet: Herr
Klubobmann Dr Tschirf.
GR
Dr Matthias Tschirf (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien): Herr
Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Also
das Gelächter, das hier vom Herrn Kollegen Madejski gekommen ist, spricht für
sich, spricht dafür, welche Menschenhaltung er hat. Das hat er vor sich zu
verantworten.
Meine
sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ein Skandal, wenn hier von Seiten des
freiheitlichen Noch-Klubobmannes gesagt worden ist, dass den Klubobleuten in
der Präsidiale die 1,5 Millionen Menschen, die ermordet worden
sind, gleichgültig gewesen sind. (GR Heinz-Christian Strache: Na
offensichtlich! Das sieht man an der Wertigkeit, die das bei Ihnen hat!)
Herr Kollege Strache! Ich verstehe vieles, was in der
Emotion geschieht, aber trotzdem sollten Sie sich über gewisse Grenzen nicht drüberbewegen.
Das ist ein Skandal. Schämen Sie sich dafür! Schämen Sie sich! Lachen Sie
nicht! (GR Heinz-Christian Strache: Schämen Sie sich dafür, wie Sie mit
dieser Frage umgehen!) Ihnen sind die Morde wurscht! (GR Heinz-Christian
Strache: Schämen Sie sich dafür, dass Sie auf dem armenischen Volk
herumtrampeln!) Dieses
20. Jahrhundert, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist ein Jahrhundert
gewesen, in dem es eine Vielzahl schrecklicher Verbrechen gegeben hat.
Das war auch eines der Verbrechen, aber Ihnen geht
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