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Gemeinderat, 10. Sitzung vom 27.06.2006, Wörtliches Protokoll  -  Seite 80 von 96

 

muss, weil es so verlangt wird. Ich rede auch nicht davon, dass nur neun Lehrlinge beschäftigt sind bei mehreren Tausend Beschäftigten insgesamt in der Geschäftsgruppe, sondern ich rede ausschließlich über Wohnungsspekulation, und werde das anhand eines einzigen Beispiels versuchen, etwas genauer zu erklären.

 

Am 17. Mai gibt es eine Presseaussendung vom StR Faymann, die nennt sich "Wohnungsspekulation hat in der Stadt keinen Platz". Es wird darüber gesprochen, dass in der Stadt seit jeher sehr viele schwarze Schafe unterwegs sind, die am Wohnungsmarkt spekulieren, werden die positiven Beispiele, was es alles gibt von Seiten der Stadt, erwähnt, der Rechtshilfefonds oder auch die Gebietsbetreuung, definitiv zwei Einrichtungen, die auch wir gut finden, dass sie existieren.

 

Wir können es nur nicht ganz so einfach stehen lassen, und das möchte ich anhand eines Beispiels in der Millergasse 22 im 6. Bezirk zeigen. Der Herr Stadtrat kennt den Fall offensichtlich, ich sehe das an der Begeisterung, wie ich das angesprochen habe.

 

Millergasse 22, 1998 erworben worden von der Lenikus GesmbH. Damals glaube ich GesmbH & Co KG oder eine ähnliche Rechtsform, es gibt immer wieder neue Rechtsformen. Es ist gekauft worden, und sofort bei der ersten Sitzung mit der Gebietsbetreuung vor Ort wurde gesagt, dieses Haus wird nicht saniert, ich werde da keinen Cent hineinstecken, sondern ich werde zusehen, wie es verfällt und möchte es gerne abreißen.

 

Jetzt ist das nicht so einfach vom Gesetz wegen in Österreich, weil wenn Wohnungen vermietet sind, haben die Mieter und Mieterinnen auch ein Recht, nämlich genau das, dass das Haus saniert wird und nicht abgerissen, wenn es dem Vermieter oder dem Eigentümer gerade passt.

 

Wie läuft das jetzt ab in diesem konkreten Fall? Im August 2001, also sind wir immerhin schon drei Jahre weiter, strengt einer der Mieter ein Erhaltungs- und Verbesserungsverfahren an. Heute, nach fünf Jahren, gibt es noch keine Entscheidung dazu, das dauert ein bisserl länger. Seit Juni 2003 wird das Haus nicht mehr gereinigt, von den Parteien, die am Anfang drinnen waren, es handelt sich um ein kleines Haus mit 14 Wohnungen, von denen waren am Beginn 10 belegt, alle mit unbefristeten Mietverträgen, ist nach und nach jemand ausgezogen.

 

2004 beantragt der Eigentümer einen Abbruchbescheid. 2005 bekommt er den Abbruchauftrag, mit der Alternative allerdings, er muss sanieren. Das heißt, das ist kein endgültiger Abbruchbescheid, weil eigentlich auch die Sanierung möglich ist, und wenn sie möglich ist, muss sie auch passieren.

 

Im März 2005 wird gegen den Herrn Lichtenecker, das ist dann der letzte Verbliebene, alle anderen sind ausgezahlt worden, eine Räumungsklage eingebracht, und die Stadt Wien stellt ihm als Opfer von Wohnungsspekulation über den Rechtshilfefonds anwaltliche Unterstützung bei, das heißt, er kriegt einen Anwalt bezahlt von der Gemeinde Wien. Soweit, so gut.

 

Im Oktober 2005 ist das Ganze schon vor Gericht, und die zuständige Richterin meint, dass das Haus nicht untergegangen ist, dass man das sehr wohl noch sanieren kann, dass also kein Abbruch notwendig ist, auf den von Anfang an hingezielt wurde vom neuen Eigentümer.

 

Ende 2005 beginnt eine Baufirma, beauftragt vom Eigentümer, mit der Entfernung der Dachbodeneindeckung, dann werden sämtliche Wohnungsinnentüren ausgehängt und alle Fenster ausgehängt im ganzen Haus, bis auf die wenigen von der betroffenen Wohnung. Das Haus wird komplett devastiert. Es läuft die Maschinerie an von der Gemeinde Wien. Die Bezirksvorsteherin, die Frau Kaufmann, kommt hin, die Gebietsbetreuung ist dort, die Baupolizei ist dort, alle sind der Meinung, nein, so einfach darf es sich der Eigentümer nicht machen. Es wird der Baustopp verfügt und die Außenfenster werden wieder eingehängt von diesem einzelnen Mieter, der alle 200 Fenster allein wieder einhängt in der Kälte, und er schafft es auch, mediale Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und bringt die Geschichte in “Heute“, bringt sie in “Willkommen Österreich“ unter und bringt sie im ATV unter. Bei “Heute“ steht auch groß dabei: Die Stadt Wien steht hinter diesem Mieter, extra noch genannt Faymann, Mieterhilfe gegen die Wohnungsspekulation und so weiter.

 

Anfang 2006, im März 2006, beauftragt der Herr Lichtenecker, das ist der, der noch im Haus wohnt, selber einen Gutachter, einen Sachverständigen, damit der ihm sagt, ist das Haus abbruchreif – ja oder nein.

 

Mittlerweile ist die Baupolizei allerdings so weit, dass sie dem Ersuchen vom Herrn Lenikus nachkommt und ihm diesen Abbruchbescheid zustellt. Das heißt, der hat dann in der Hand, was er immer haben wollte, ich darf das Haus abreißen.

 

Dann muss natürlich der letzte Mieter logischerweise, wenn es so wäre, dass das Haus abbruchreif ist, hinaus, das heißt, er fliegt aus der Wohnung hinaus, darf nicht mehr hinein. Seine Wohnung wird in der Zwischenzeit ausgeräumt vom Eigentümer. Er geht her und holt sich ein Gegengutachten. Das Gegengutachten sagt genau das Gegenteil, genau das Gegenteil von dem, was wir zuerst gehabt haben. Das Gutachten, das der Herr Lenikus hervorgezaubert hat, war, sagen wir nicht, ein Kaszettel, aber ein sehr mageres mit drei Seiten. Das Gegengutachten ist sehr umfangreich, auch wenn die Quantität alleine noch lange nicht die Qualität bestimmen muss, ein sehr umfangreiches Gutachten, das klipp und klar sagt: Nein, dieses Haus ist nicht einsturzgefährdet, nein, das muss nicht abgerissen werden.

 

Jetzt kann man sich fragen: Wie kommen diese unterschiedlichen Positionen zustande? Offensichtlich konnte der Herr Lenikus die Baupolizei sehr zügig davon überzeugen, dass man ihm entgegenkommt.

 

Mittlerweile geht das natürlich in die nächste Instanz, und mit 22. Juni, nigel-nagel-neu, ein paar Tage alt, gibt es in der 2. Instanz ein Urteil, und Recht bekommen hat zur Gänze in diesem Urteil der Mieter in diesem Haus. Das heißt, alles, was vorher die Baupolizei gesagt hat, alles, was sich der Eigentümer gewünscht hat, funktioniert jetzt nicht.

 

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