Gemeinderat,
10. Sitzung vom 27.06.2006, Wörtliches Protokoll - Seite 19 von 96
Einziehungsauftrag, kurzer Blick auf den Kontoauszug und schon wieder vergessen. 75 EUR sind zu viel, um zu erfrieren, und zu wenig, um es warm zu haben. Gar nicht super.
Aber Sie, meine Damen und Herren von der SPÖ,
verkaufen den Wienerinnen und Wienern diese Almosen als soziale
Errungenschaften, und das ist Sozialpolitik in Wien. Aussendungen, Plakate,
Pressekonferenz, eine einzige PR-Blase, einzig Behauptungen. Auf die Hilferufe
von ExpertInnen, wie Caritasdirektor Küberl oder VertreterInnen der
Armutskonferenzen, wird nicht gehört. Auch die MitarbeiterInnen in den
Sozialzentren trauen sich nicht, Kritik anzubringen.
Ich habe in den letzten Monaten sehr viel mit
MitarbeiterInnen gesprochen, und es war immer eine Aussage: Die Zahl der
SozialhilfeempfängerInnen steigt, die der Angestellten, das Personal bleibt
gleich.
Sie sind überarbeitet.
Lassen Sie mich Ihnen ein Beispiel erzählen: Am
12. Juni habe ich in einem Sozialzentrum angerufen, um einen Termin für
einen in Not geratenen Bürger auszumachen. Die Auskunft, die ich bekommen habe,
war folgende: „Wir haben derzeit sechs Wochen Wartezeit. Die
SozialhilfeempfängerInnen werden immer mehr, in unserem Zentrum fehlen zwei
Planposten und wir wissen nicht, wann die nachbesetzt werden. Aber warten Sie,
wir haben auch Notfallstermine, ich schaue gleich nach, wann ich meinen
nächsten Notfallstermin habe.“ Und nun raten Sie, wie lange ein in Not
geratener Bürger in Wien auf seinen Notfallstermin wartet: Bis zum
4. Juli, gute drei Wochen also.
Aber ich habe auch noch andere Dinge gehört: Eine
Mitarbeiterin meinte, früher hatten wir ein Budget für Soforthilfe, aber das
ist derart gekürzt worden, dass wir kaum mehr etwas machen können.
Die wohl traurigste Aussage kam von einem
Mitarbeiter. Auch wenn es nicht direkt ausgesprochen wurde, meinte er: „Aber im
Grund genommen lautet der Auftrag, haltet die Menschen so lange hin, bis sie
freiwillig auf ihre Unterstützung verzichten.“ So sieht es aus.
Und immer wieder muss ich mir anhören: „Aber bitte,
sagen sie ja nicht, von wem Sie die Information haben.“ Also, die MitarbeiterInnen
sind nicht nur überarbeitet, sie haben Angst, ihren Job zu verlieren, wenn sie
Kritik äußern. Ich kann nur hoffen, dass diese Angst unbegründet ist, dass eine
rote Regierung Kritik zulässt, nicht nur zulässt, sondern die Leute auch
ermuntert, Kritik anzubringen.
Natürlich weiß ich, dass es für die Wiener
Stadtregierung mit einer blau-schwarz-orangen Bundesregierung nicht leicht ist,
die seit sechs Jahren permanent Sozialabbau betreibt, aber es gibt viele Dinge,
die einfach hausgemacht sind und ich ersuche Sie, Frau Stadträtin, setzen Sie
Maßnahmen, konkrete Maßnahmen, um den sozialen Frieden in Wien zu erhalten.
Ich bringe, nicht zum ersten Mal, heute zwei Anträge
ein. Beim ersten Antrag, den ich gemeinsam mit unserer Klubobfrau Maria
Vassilakou einbringe, handelt es sich um die Grundsicherung. Dazu, glaube ich,
brauche ich nicht mehr viel sagen, Sie kennen die Forderung und ich hoffe auch,
dass Sie diesem Antrag zustimmen.
Und der zweite Antrag betrifft den Aktivpark nach dem
Linzer SPÖ-Modell.
Stimmen Sie diesen Anträgen zu. Damit können Sie
beweisen, dass Ihnen der soziale Friede, die soziale Gerechtigkeit und die
soziale Sicherheit in Wien wirklich ein Anliegen sind.
Sie, meine Damen und Herren, haben auf Grund Ihrer
absoluten Mehrheit die Möglichkeit, allein zu gestalten. Sie können es sich mit
Ihrer satten Mehrheit gemütlich machen, die Füße hoch legen und uns belächeln
oder Sie nehmen Ihre Verantwortung wahr. Ich ersuche Sie, nehmen Sie Ihre
Verantwortung wahr. Danke. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Vorsitzender GR Günther Reiter: Frau
GRin Praniess-Kastner hat sich zum Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.
GRin Karin Praniess-Kastner (ÖVP-Klub
der Bundeshauptstadt Wien): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr
geehrte Frau Stadträtin!
Auch für das Gesundheits- und Sozialbudget dieser
Stadt gilt: Verwalten statt gestalten. Wir als Oppositionspartei wollen aber
gestalten. Es geht nämlich darum, die vorhandenen Mittel effizienter
einzusetzen. Ob diese vorhandenen Mittel effizient eingesetzt werden, entzieht
sich unserer Kenntnis. Durch die Ausgliederungen - und darauf hat meine
Kollegin Ingrid Korosec schon hingewiesen - wurden zirka 80 Prozent des
Budgets unserer Kontrolle entzogen, und das sind 1,66 Milliarden EUR.
Das ist unser Geld, das ist das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.
Meine Damen und Herren, ich lade Sie ein, gemeinsam
mit mir einen Ausblick auf die Zukunft zu machen. Lassen Sie mich eine Frage
stellen: Was brauchen behinderte Menschen in dieser Stadt in Zukunft. Ich sehe
hier einige Gesichter, einige ratlose Gesichter, viele sind gar nicht da. Ich
glaube, Sie wissen nicht, was behinderte Menschen in Zukunft in dieser Stadt
brauchen, denn es fehlen die Konzepte und es fehlen vor allem die Visionen.
Sehen wir uns einmal die Wohnsituation behinderter
Menschen in dieser Stadt an. 1 440 Menschen mit Behinderung leben voll
betreut und für zirka 900 Menschen mit Behinderung in dieser Stadt stehen
teilbetreute Wohnplätze zur Verfügung. Die Stadt rühmt sich, dass es in Wien
keine großen Einrichtungen mehr gibt, die früher auch Heime genannt wurden.
Nun, es gibt zwar keine Heime nur für behinderte Menschen, aber es gibt
Altenpflegeheime für bis zu 2 000 Menschen, in welchen auch
behinderte Menschen leben.
In der TU 4, den Pflegeheimen
der Stadt Wien, leben 3 102 BewohnerInnen. 1 Prozent davon, also
31 Personen, sind zwischen 15 und 44 Jahre alt und 10 Prozent,
also 311 Personen, sind zwischen 45 und 64 Jahre alt. Es leben also
342 behinderte Personen in Wien in Altenwohnheimen, obwohl sie nicht zu
dieser Zielgruppe gehören und das ist sicherlich kein adäquates Umfeld für
junge Menschen, egal, mit welcher Art von
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