Gemeinderat,
58. Sitzung vom 30.06.2005, Wörtliches Protokoll - Seite 102 von 104
Ich will mich erinnern
an alles was man vergisst
denn ich kann nicht retten
ohne mich zu erinnern
auch mich nicht und nicht meine Kinder"
Ich danke Ihnen. (Allgemeiner Beifall.)
Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer: Das
Wort hat der Herr Berichterstatter. - Bitte.
Berichterstatter GR Dr Michael LUDWIG:
Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Frau GRin Cordon hat eine ganze Reihe von wichtigen
Fragen angesprochen, und es fehlt jetzt sicher die Zeit, detailliert darauf
einzugehen. Nur zu den auch in dem von ihr eingebrachten Antrag angeführten
Themen in aller Kürze.
Sie haben darauf hingewiesen, dass dieses Gedenkjahr
eine gute Möglichkeit war, sich sehr kritisch mit der Vergangenheit unseres
Landes auseinander zu setzen. Ich glaube, ich kann doch für die Stadt Wien in
Anspruch nehmen, dass wir das auch sehr gewissenhaft vorbereitet haben und vor
allem Einrichtungen und Veranstaltungen unterstützt haben, die sich mit der
Nachhaltigkeit auseinander setzen und sich nicht nur - Sie haben einige
Event-Veranstaltungen des Bundes angeführt - an bestimmten Themen und Daten
orientiert haben, sondern versucht haben, langfristig auch Interesse für diese
historischen Daten vor allem bei der Jugend zu bewirken. Ich denke, das ist uns
in vielen Punkten auch gelungen.
Wenn Sie beispielsweise das Denkmal in Berlin
ansprechen, das ich selbst vor drei Wochen besucht habe, so haben Sie Recht,
das ist eine großartige Einrichtung. Aber ich darf für die Stadt Wien in
Anspruch nehmen, dass wir am Judenplatz ebenfalls ein Denkmal haben, das in
einer anderen künstlerischen Ausrichtung, aber mit einer ähnlichen Intention
sich mit diesen furchtbaren Verbrechen des Nazi-Regimes auseinander setzt und
sich vor allem auch damit beschäftigt, jene Jüdinnen und Juden, jene
65 000 Österreicherinnen und Österreicher, die in dieser Zeit
ermordet worden sind, aus der Vergessenheit herauszureißen und sie auch
namentlich aufzulisten.
Das Dokumentationsarchiv des österreichischen
Widerstandes hat sich sehr bemüht, über die Biographien dieser Menschen
nachzuforschen, ihnen nachzugehen und sie auch im Rahmen dieses Denkmales zu
würdigen, sie auszuweisen und sie beispielsweise auch Verwandten, die aus dem
Ausland immer wieder zu uns nach Wien kommen, so vorzustellen und darzustellen,
dass es die Möglichkeit gibt, diese Biographien nicht nur zur Kenntnis zu
nehmen, sondern auch nachzuforschen.
Ich denke, dass wir in Wien mit diesem Denkmal einen
wichtigen Schritt gesetzt haben, und ich möchte nur daran erinnern, dass für
die GRÜNEN dieses Denkmal und die Schaffung dieses Denkmals auch nicht
unumstritten war, wir uns aber durchgesetzt haben und uns zu diesem Denkmal
bekannt haben. Ich halte es für richtig, dies gerade auch im Gedenkjahr zu
erwähnen.
Wenn Sie sagen, Frau GRin Cordon, wir sollten uns
auch kritisch mit unserer Vergangenheit auseinander setzen, so haben Sie
zweifellos Recht. Auch hier darf ich für die Stadt Wien in Anspruch nehmen,
dass wir das, wie ich meine, sehr tiefgreifend und ohne Tabus getan haben. Denn
die Ausstellung im Jüdischen Museum "Jetzt ist er bös, der
Tennenbaum" - ein Zitat aus dem "Herrn Karl", wie wir alle
wissen, einem sehr blasierten Österreicher, der diese Zeit in einer Art und
Weise deutet, wie wir das nicht sehen -, diese Ausstellung "Jetzt ist er
bös, der Tennenbaum" geht sehr kritisch mit den Österreicherinnen und
Österreichern um, die nichts in dieser Zeit getan haben, und geht auch sehr
kritisch mit der Zeit nach 1945 um, als es darum gegangen ist, sich mit der
Nazi-Zeit auseinander zu setzen. Es war eine sehr schmerzhafte Ausstellung, die
durchaus auch den Finger auf die Wunden gelegt hat, aber eine Ausstellung, die
mit Unterstützung der Stadt Wien stattfinden konnte und auf die ich auch
persönlich sehr stolz bin.
Die Anregung Ihrerseits - die sich auch im Antrag
findet -, ein weiteres Denkmal "Stolpersteine" einzurichten, ist eine
interessante Option, wie es auch mehrere Optionen gibt. Es wird gerade geprüft,
welche Option umgesetzt werden wird, deshalb möchte ich auch hier erwähnen,
dass wir dezidiert für die Zuweisung dieses Antrages sind, damit es im
Ausschuss die Gelegenheit gibt, unterschiedliche Varianten zu prüfen und zu
einer Entscheidung zu kommen.
Aber auch hier möchte ich nur darauf verweisen, dass
wir für eine weitere Personengruppe, die Sie auch aufgelistet haben, sehr wohl
einen entsprechenden Schritt setzen, nämlich für die Homosexuellen, die in dieser
Zeit verfolgt und ermordet worden sind, und es sehr wohl hier in absehbarer
Zeit auch ein entsprechendes Denkmal geben wird. Aber nicht nur das, sondern
kombiniert auch eine Ausstellung, die am Nationalfeiertag, dem
26. Oktober, eröffnet werden wird und die Vertreibung, Verfolgung und
Ermordung von Homosexuellen ausweisen wird, sich aber auch mit der
Diskriminierung nach 1945 beschäftigen wird.
Ich möchte damit nur zeigen, dass wir hier Ihre
Anregungen sehr ernst nehmen und dass wir als Stadt Wien gerade im Gedenkjahr
sehr viele nachhaltige Aktivitäten gesetzt haben.
Abschließend noch ein Hinweis auf die vielen Vereine,
die es in diesem Bereich gibt: Ich denke hier nur an Orpheus Trust, an die
Theodor-Kramer-Gesellschaft, an die Jura-Soyfer-Gesellschaft, die mir jetzt
spontan einfallen und von denen ich weiß, dass Sie dort auch selbst mitwirken.
Sie sind sehr wohl auch von der Stadt Wien unterstützt worden, und zwar, wie
ich meine, mit wachsender Tendenz, sehr im Unterschied zur Unterstützung der
jeweiligen Bundesministerien, Frau GRin Cordon. Ich habe das öfter schon auch
von dieser Stelle aus erwähnt: Wir sollten, glaube ich, unsere Kritik immer
auch an die richtigen Adressaten richten. Gerade in diesem Fall gilt die
Kritik, wie ich meine, besonders auch den Institutionen des Bundes, die sich
schrittweise aus der Förderung dieser Vereine zurückgezogen haben.
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