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Gemeinderat, 58. Sitzung vom 30.06.2005, Wörtliches Protokoll  -  Seite 35 von 104

 

wesentlichen Probleme der Stadt werden nicht mehr angegangen und bleiben ungelöst. Und das ist nicht im Interesse dieser Stadt, das ist nicht im Interesse der Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt, also ist es im Sinne Wiens, dass wir recht rasch wählen und dann, wenn die Karten neu gemischt sind, einfach weiterarbeiten zum Wohle der Stadt.

 

Aber es gibt auch noch einen zweiten Grund, warum dieser Neuwahlantrag heute wichtig ist.

 

Ja, meine Damen und Herren, insbesondere von der ÖVP, vom BZW und in Wahrheit auch von der FPÖ, weil Sie ja letztendlich nicht ganz unbeteiligt sind an dieser Bundesregierung, nicht so, wie Sie jetzt tun. (GR Mag Hilmar Kabas: Der Unterschied ist wichtig!) Ja, es ist wichtig, dass Wien wählt. So rasch wie möglich, also im Oktober. Das ist ein guter Termin. Warum? Weil wir noch immer die Hoffnung nicht verlieren, dass sich der Herr Bundeskanzler eines Besseren besinnt und diese instabile Bundesregierung nicht in die EU-Präsidentschaft führt. Denn er kann sich selbst und er kann auch Österreich eine unglaubliche Blamage ersparen, wenn diese Regierung nicht mitten in der EU-Präsidentschaft platzt. Und wenn Sie glauben, Sie können irgendjemandem in der Bevölkerung, geschweige denn hier drinnen, weismachen, dass diese Regierung nicht gefährdet wäre, mitten in der EU-Präsidentschaft zu platzen, da kann man ja nur lachen, wenn man weiß, wer ihr Koalitionspartner derzeit ist. Ja, wer glaubt es denn, dass Herr Haider, nur weil er jetzt eine Brille trägt, weiser geworden ist? Wer glaubt es denn, dass er jetzt Garant für Stabilität ist, insbesondere gerade bei EU-Fragen? Wer will es denn riskieren, dass er einen Rappel kriegt mitten in der EU-Präsidentschaft, und dann stehen wir da ohne Regierung und müssen mitten in der EU-Präsidentschaft wählen? Sie haben eine Chance, nicht Sie, sondern Ihre Kolleginnen und Kollegen, die im Parlament sitzen, und Ihre Kolleginnen und Kollegen in der Bundesregierung. Das ist die letzte Chance, sie zu ergreifen und tatsächlich gemeinsam mit Wien oder spätestens sehr bald danach wählen zu lassen. Und deshalb, gerade deshalb, weil das in den letzten Tagen auch öffentlich kommentiert und kritisiert worden ist, ist der Wahltermin bewusst noch relativ offen gehalten in diesem Antrag, damit es noch Spielräume gibt und damit es noch möglich ist, das zu tun. Und damit es, last but not least, auch keine faulen Ausreden geben kann, damit es nachher nicht heißt, man hätte ja nicht die Wahlen vorverlegen können, weil Wien mit einem unpassenden Termin zuvorgekommen wäre. Sie haben eine Chance, und insofern kann ich nur appellieren von dieser Stelle aus an den Herrn Bundeskanzler: Sie haben eine Chance, nutzen Sie sie.

 

Und wenn wir schon bei der Bundesregierung sind, eines muss ich schon auch festhalten: Das Erbe, das diese ausklingende Bundesregierung hinterlässt, auch und vor allem für die Bundeshauptstadt, ist wirklich ein schlimmes. Das kann man nur mit einem Wort bezeichnen: Baustellen, wo man hinschaut, lauter Baustellen. Baustelle Universitäten, Baustelle Schulen, Baustelle Gesundheitssystem und allen voran Baustelle Armut, Armut, meine Damen und Herren. Noch nie hat es so viele Arbeitslose gegeben wie in den letzten Jahren. (GR Gerhard Pfeiffer: Vor allem nicht in Wien!) Rekordarbeitslosigkeit. Noch nie haben so viele Menschen in Österreich und in Wien unter der Armutsgrenze gelebt. Innerhalb von zwei Jahren hat sich die Zahl von Menschen, die unter der Armutsgrenze leben in Österreich, verdoppelt. Verdoppelt! Da gibt es keine Ausreden mehr, woher das kommen kann. Da müssen Sie sich selbst fragen, wie man das schaffen konnte innerhalb von zwei Jahren. (GRin Mag Heidemarie Unterreiner: Schauen Sie nach Deutschland!) Innerhalb von zwei Jahren hat sich die Anzahl der Menschen, die trotz Arbeit arm sind, ja, die trotz Arbeit, obwohl sie beschäftigt sind, Ausgleichszahlungen aus der Sozialhilfe beziehen müssen in Wien, vervielfacht. Also die Anzahl der Working Poor hat sich vervielfacht. Das muss man sich vorstellen. Noch nie hat es so viel Working Poor in Österreich gegeben. Noch nie, oder sagen wir es umgekehrt, noch nie war so lang das Leben und auch das Wohnen ohne Gegenmaßnahmen so teuer. Mietenexplosion und gleichzeitig Stagnieren auf höchstem Niveau und überhaupt nichts, nichts, was eine Entspannung bedeuten könnte seitens der Bundespolitik. Nein, im Gegenzug dazu wurden nur einfach Mieterinnen- und Mieterrechte salamitaktikmäßig, zizerlweise weiter ausgehöhlt.

 

Vielleicht ein Letztes. Noch nie hat es einen derart negativen Trend bei der Einkommensentwicklung gegeben zwischen Männern und Frauen wie jetzt. Die Einkommensschere bei uns wird immer größer zwischen Mann und Frau, klarerweise zu Lasten der Frauen.

 

Das heißt, Fazit, für die Sozialschwachen in dieser Stadt und auch für den Mittelstand ist in diesen letzten Jahren das Leben nicht einfacher geworden, es ist schwerer geworden, es ist viel schwerer geworden, und da gibt’s nichts zu rütteln.

 

Und dann kommen noch so als Tüpfelchen aufs i die Gudenuse und die Kampls. Und ja, Sie müssen sich das auch sagen lassen: Sie haben eine Bundesregierung gebildet, die von Volksvertretern gestützt wird, wie es Herr Gudenus und Herr Kampl sind. Und das haben Sie getan wider besseren Wissens, denn man kann sagen, Herr Kampl hat uns unter Umständen mit seinen Aussagen relativ überrascht, aber beim Herrn Gudenus hat man das schon gewusst. Das hat man gewusst. Man hat seit Jahren gewusst, dass er bei der Existenz von Gaskammern eigentlich eine eindeutige Antwort hat, nämlich, na ja, hm, was weiß man. Und wider besseren Wissens, wider besseren Wissens haben Sie eine Bundesregierung gebildet mit einer Partei, die solche Volksvertreter in öffentliche Mandate setzt. Und dann wundert man sich ja auch überhaupt nicht mehr, wenn dann just im Gedankenjahr, just im Gedenkjahr genau diese Volksvertreter uns grüßen lassen mit Grüßen aus der Vergangenheit. Insofern, meine Damen und Herren, ist diese Bundesregierung eindeutig keine Koalition mit der Zukunft, sondern eine Koalition mit der Vergangenheit. Und da braucht man sich auch überhaupt nicht zu wundern, dass die Wien-Wahl eine Denkzettelwahl sein wird. Deshalb

 

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