Gemeinderat,
57. Sitzung vom 28.06.2005, Wörtliches Protokoll - Seite 98 von 116
Vorsitzender Prochaska richtig gesagt hat, sehr, sehr umfangreich wäre, läge er in gedruckter Version vor. Deswegen habe ich auch nur einen Teil, eigentlich nur einen einzigen Akt, mir vorgenommen.
In einem Landtag könnten wir vielleicht alle 150 Poststücke
durchdiskutieren, weil da gibt es keine Redebeschränkung. Hier ist es, glaube
ich, kaum möglich, alle Titel aufzuzählen. Aber es haben ja alle die CD
erhalten, ein interessantes Stück zum Lesen.
Das Hauptproblem des Kontrollamts wird schnell
erkannt, wenn ich in den Akt hineingehe. Da geht es um den Wiener
Krankenanstaltenverbund, der zwischen 1999 und 2003 im Sozialmedizinischen
Zentrum-Süd ein Geriatrisches Zentrum eingerichtet hat – und eine Küche, nicht
zu vergessen.
Und was mir wirklich immer gut gefällt, ist die
Sprache des Kontrollamts. Obwohl hier massive Verfehlungen aufgedeckt werden,
kommt die Sprache nicht wie ein Holzhammer daher, sondern es ist immer ein
bisschen, na fast schon Understatement dabei.
Ich zitiere, damit wir alle wissen, worum es geht:
„Die Unternehmung Wiener Krankenanstaltenverbund ließ in den Jahren 1999 bis
2003 von einem Generalplaner im Sozialmedizinischen Zentrum-Süd ein
Geriatrisches Zentrum errichten. Kurz nach Baubeginn wurden umfangreiche Projektänderungen
vorgenommen, die sowohl im Verantwortungsbereich des Wiener KAV als auch in
jenem des Generalplaners lagen. Entgegen den Bestimmungen des Vertrages wurden
schriftliche Vereinbarungen über die Höhe und Angemessenheit der damit
verbundenen Kosten nicht abgeschlossen. Dies hatte zur Folge," – da kommt
so eine schöne Formulierung – „dass zwischen den Vertragspartnern
Unstimmigkeiten über die von 36 Millionen EUR auf nunmehr rund 50 Millionen EUR
gestiegenen Errichtungskosten auftraten."
Anschließend: „Der Wiener Krankenanstaltenverbund
erklärte, den Empfehlungen des Kontrollamts entsprechen und in Hinkunft bei
Projekten die Interessen der Stadt Wien effizienter durchtesten zu
wollen." Na, immerhin hat er nicht gesagt "schmeck's", sondern
er hat gesagt, in Zukunft werden wir das anders machen. In Zukunft werden wir
uns bemühen, all das zu tun, was wir bereits hier hätten tun können.
Und wenn man es durchliest, obwohl die Geschichte
längst von Sigrid Pilz auch an dieser Stelle und im entsprechenden Ausschuss
schon durchgearbeitet wurde, ist es beim genauen Durchlesen immer wieder ein
Aha-Erlebnis, wenn man draufkommt, wie die Architekten ausgesucht werden, wie
die Ausschreibungen funktionieren, wie hier Juryentscheidungen zustande kommen.
Da sind mehrere Firmen eingeladen worden vorzulegen,
wie das ausschauen soll. Mehrere Architekten. Auf Weisung des damaligen
Generaldirektors des KAV wurden zu den zehn ausgewählten Bewerbern weitere
sechs zum Hearing eingeladen. Eine Weisung. 15 Leute sitzen in der
Hearingkommission und haben eine ganze Menge Kriterien: Präsentation
9 Prozent, Kreativität 22 Prozent, Teamorganisation 10 Prozent
und so weiter. 100 Prozent Kriterien. Sie kommen zu einem Ergebnis. Das
Ergebnis ist nicht eindeutig. Die Kommission hat eigentlich dann die Aufgabe,
die Top 3 zu nehmen und in eine zweite Runde zu schicken.
Genau das macht diese Kommission. Sie nimmt den
Ersten, Zweiten und Dritten und sagt, wir machen eine zweite Runde. Soweit, so
gut. Abweichend von dieser Regelung lotst die Kommission jedoch neben den drei
erstgereihten Bewerbern auch den, nicht den Vierten oder Fünften und auch nicht
den Sechsten oder Siebten, das könnte ich noch weiterzählen, sondern den
Dreizehnten von diesem Kriteriumsbewerb von vorher, den Architekten S, zum
weiteren Wettbewerb ein.
Ich glaube, wie die Geschichte ausgeht, das können
Sie alle jetzt schon ungefähr ausrechnen, aber sagen wir, der Erste, Zweite,
Dritte und Dreizehnte sind noch im Rennen. Die Einladung von weiteren Wettbewerbern
– das war dann die Entschuldigung des Wiener Krankenanstaltenverbundes, warum
er das gemacht hat, den Dreizehnten noch zusätzlich eingeladen, ich sage jetzt
Ausrede –, die Einladung von weiteren Bewerbern sollte offensichtlich weitere
Impulse für den Wettbewerb bringen, und deswegen hat man den Dreizehnten
eingeladen. Man sagt, das ist normalerweise eine Unglückszahl. Das wollen wir
ihm nicht antun. Dann hat er einmal Glück, er ist Dreizehnter, muss sich aber
nicht grämen, sondern darf in der nächsten Runde dabei sein. Fein.
Jetzt kommt natürlich das Kontrollamt und sagt:
Entschuldigung, aber dieser Umstand und so weiter. Ich lasse das jetzt aus.
Jetzt kommt die nächste Runde, die vier sind immer
noch im Rennen. Was macht man? Man ändert die Kriterien. Ist nicht vorgesehen,
natürlich nicht. Plötzlich wird – jetzt muss ich es trotzdem noch einmal
aufzählen – neben den Kriterien Präsentation, Referenzen, Teamorganisation,
Teamqualifikation, fachspezifische Erfahrung, Kosten- und Termintreue, Verfügbarkeit
von Ressourcen auch noch gestrichen das Kriterium projektspezifische Erfahrung.
Alle diese Kriterien, die in der ersten Runde
zählten, zählen nicht mehr, fertig. 100 Prozent jetzt plötzlich
Kreativität. So unglaublich das ist, der Dreizehnte ist am ersten Platz und hat
gewonnen. In der Begründung ihrer Entscheidung vermeinte die Jury, in dessen
Konzept den architektonisch hochwertigsten Lösungsansatz aller Teilnehmer zu
erkennen.
Allerdings hatte die Jury bei den übrigen Projekten
und bei dem auch einen Überarbeitungsbedarf erkannt. Sie gab sogar zu, dass
der, der jetzt gewonnen hat, Gestaltungsschwächen in den Wohnbereichen hat,
einen mangelhaften Bezug zum Patientenalltag und relativ hohe Betriebskosten.
Er hat trotzdem gewonnen. Er erfüllt die Kriterien im ersten Durchgang nicht,
er wird Dreizehnter. Er kommt in den zweiten Durchgang. Dann sagt die Jury all
diese Dinge, die ich jetzt vorgelesen habe, und der gewinnt es trotzdem. Es ist
fast schon ungeheuerlich. Es ist fast schon ein Schildbürgerstreich par
excellence.
Das geht so weiter. In der Folge
wird es dann noch ein bisschen abenteuerlicher. Die Küche ist einmal im
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