Gemeinderat,
57. Sitzung vom 28.06.2005, Wörtliches Protokoll - Seite 8 von 116
Ringler.)
Vorsitzender GR Dr Herbert Madejski:
Zum Wort gemeldet ist Frau GRin Mag Unterreiner. - Bitte.
GRin Mag Heidemarie Unterreiner (Klub
der Wiener Freiheitlichen): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrter
Herr Berichterstatter! Sehr geehrter Herr Stadtrat! Sehr geehrte Damen und
Herren!
Geldflüsse definieren die Politik. Jede hier im Hause
vertretene Partei hat so ihre Schwerpunkte. Die Kulturpolitik der Freiheitlichen
ist durch vier dieser Punkte definiert:
Punkt eins: Kunst und Kultur und deren Lehre sind
frei und sollen sich daher auch frei von politischer Einflussnahme entfalten
können. (GRin Mag Marie Ringler: Sagen
Sie das Ihrem Landeshauptmann!)
Punkt zwei: Kunst und Kultur kann nicht allein
marktwirtschaftlichen Kriterien unterworfen werden und sollen deshalb
öffentlich gefördert werden.
Punkt drei: Das kulturelle Erbe soll bewahrt werden.
Punkt vier: Die kulturelle Identität soll bewahrt und
gestärkt werden.
Schauen wir uns einmal Punkt eins an. In Wien ist es
so, dass die Kulturpolitik garantiert nicht ohne parteipolitische Einflussnahme
gemacht wird. Ganz im Gegenteil, die Kulturpolitik dient dem absoluten
Machterhalt der SPÖ. Wir alle können uns noch an den Kampfruf von Pasterk
erinnern, das Kulturressort sei das Ideologieressort. Genau das führt
Mailath-Pokorny verstärkt durch. Zwar hat Marboe, unser Interimskulturstadtrat,
einen Versuch gestartet, den Einfluss der Sozialdemokraten auf die Kulturpolitik
in Wien einzudämmen, aber er ist, wir können uns alle daran erinnern,
gescheitert, nämlich als bei der Bildung einer bürgerlichen Koalition, Sie
können sich alle erinnern, damals der Mob auf die Straße gegangen ist und
skandiert hat: „Widerstand, Widerstand, Schüssel, Haider an die Wand!“ Noch
dazu wurde er unterstützt von “sensiblen“ Künstlern wie Elfriede Jelinek. Dazu
hat Marboe geschwiegen und nichts dazu gesagt.
Wir können uns alle an diese Politagitation von
Schlingensief damals vor der Oper erinnern, das war ja der Höhepunkt,
eingeladen von Luc Bondy. Luc Bondy hat damals schon gesagt: „Am liebsten würde
ich jeden Tag eine Aktion gegen diese Regierung machen." Das letzte Mal
hat mein Kollege Ernst Woller von der SPÖ gesagt: „Ja, dieser Vorwurf der
Unterreiner, dass es da irgendwelche Verzahnungen zwischen SPÖ und zwischen
Kulturpolitik gäbe, wird damit, allein durch diesen Ausspruch, schon einmal
zurückgestellt." Man kann nicht mehr sagen als dass man am liebsten
jeden Tag eine Aktion gegen eine bürgerliche Regierung machen möchte. Meine
sehr geehrten Damen und Herren, inzwischen ist Luc Bondy schon so wichtig
geworden, dass er bereits politische Entscheidungen fällt, denn wie Andreas
Salcher gesagt hat, wurden konkrete Gespräche mit Kusej über die Verlängerung
der Festwochen geführt. Als Mailath-Pokorny das gewagt hat, hat sich Luc Bondy
sofort eingeschaltet. Ein indigniertes Räuspern hat schon genügt und man hat
sofort davon abgesehen, über Verhandlungen zu reden, hat sogar seinen Vertrag bis
2010 verlängert und hat sogar dann noch mehr Gelder gewährt. Also ganz
offensichtlich ist es so, dass Luc Bondy sehr brav die SPÖ unterstützt und
dadurch kann er sich natürlich auch etwas wünschen. Wenn er ganz einfach länger
Intendant bleiben will, dann wird seinem Wunsch natürlich entsprochen.
Während auf der einen Seite die Klein- und
Mittelbühnen Wiens zu Notgemeinschaften zusammengeschlossen werden müssen, weil
die Theaterreform sie an den Rande des Abgrunds gebracht hat, gewähren Sie,
Herr StR Mailath-Pokorny, Institutionen mit parteipolitisch eindeutiger
Ausrichtung satte Erhöhungen. (GR Ernst
Woller: Das stimmt doch nicht!) Ernst Woller, dagegen kannst du wirklich
nichts halten! Die Festwochen sind schon längst zu einem Multikultispektakel
ohne jeglichen Wien-Bezug geworden. Sie sind ein reiner Importbetrieb geworden
und sie sind wahnsinnig teuer. Es entsteht fast keine Produktion in Wien. Diese
forcierte Multikultischiene lässt Eigenes, Selbstständiges, eigene Identität
schon lange nicht mehr zu. Man weiß auch international ganz genau, dass es in
Wien sehr viel Geld gibt. Während Künstler aus dem Ausland bedient werden,
werden die Künstler in Wien ausgehungert, außer man ist mit Ihnen befreundet.
Jüngst wurde Luc Bondy sogar noch zum zweiten Geschäftsführer gemacht.
Dadurch hat er auch noch mehr Einfluss auf Budgetverteilung, Sponsorengelder
und auf Co-Produktionspartner. Außerdem ist die Direktion aufgeblasen. Es gibt
auch noch einen Intendanten, neben dem Intendanten noch einen Schauspieldirektor
und noch einen Musikdirektor. Der Musikdirektor Lissner versteht es sehr gut,
ein internationales Netzwerk aufzubauen, wo Produktionen, die in Wien gezeigt
werden, auch einmal woanders vermarktet werden können. Die Deckungsquote ist
skandalös gering, hat im Vorjahr noch 30 Prozent betragen, eine
Deckungsquote, wo anderswo die Verantwortlichen auf die Barrikaden steigen
würden. Heuer ist die Auslastung besser, aber nur deswegen, weil die
Besucherzahl auf 50 621 gesunken ist. Im Vorjahr waren es noch 58 813.
Premieren wurden reihenweise abgesagt, es gab weniger Produktionen. Wenn man
sich das ausrechnet, bedeutet das, dass ein Sitzplatz für die Festwochen mit
300 EUR gefördert wird. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist
wirklich skandalös! Ich meine, neben der Einflussnahme eines Intendanten auf
den Stadtrat in Wien ist es einer der Gründe, warum die Festwochen abgelehnt
werden müssen!
Die Theaterlandschaft wird nicht reicher, sie wird immer ärmer durch die so genannte Theaterreform, die keine ist. Theater werden ausgehungert, zerschlagen! Ursprünglich mit dem Ziel, die freien Gruppen effizienter zu gestalten, ist es so gekommen, dass die Zerstörung der heimischen Theaterszene geschafft wurde. Internationale Gruppen, die aus Tel Aviv, aus New York, aus London, aus München, aus Bochum, aus Zürich kommen, kriegen feine Vierjahresverträge, während die Wiener Theater mit dem Überleben kämpfen müssen. Sogar
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