Gemeinderat,
57. Sitzung vom 27.06.2005, Wörtliches Protokoll - Seite 55 von 136
Gewinner der letzten Jahre dieses Wettbewerbes.
2002 war es die Firma Opel Beyschlag – nicht
unbedingt der klassische Klein- oder Mittelbetrieb.
2004 war es die Brauerei Ottakringer, auch nicht der
klassische Klein- oder Mittelbetrieb.
2003 war es die Franz Haas Waffelmaschinen-Industrie
AG.
Durchaus alles vorbildliche Familienbetriebe und
wichtig für die Wiener Wirtschaft, aber eben nicht der klassische Klein- oder
Mittelbetrieb.
Ich kenne zum Beispiel den Herrn Franz Haas seit mehr
als 30 Jahren und weiß, dass seine Waffelmaschinen-Industrie AG Standorte
in den Vereinigten Staaten, in Sao Paulo in Brasilien bis hin nach Hongkong
hat, also auch nicht der klassische Klein- oder Mittelbetrieb ist.
Die überwiegende Anzahl der Familienbetriebe im
Klein- und Mittelbetriebsbereich finden wir nicht in der Industrie, sondern
eher im Handel, bei den Dienstleistungen und so weiter, wie zum Beispiel in der
Gastronomie: Der Vater steht hinter der Theke, die Mutter in der Küche und der
Sohn kellneriert. Oder zum Beispiel wie in der Apotheke unseres Kollegen
Kowarik: Die Gattin kümmert sich um das Rechnungswesen, der Herr Apotheker,
seine Tochter und der Sohn schauen, dass die Kunden zufrieden sind.
Auch in Ihren Reihen gibt es sicher solche Betriebe,
und genau das sind die Betriebe, sehr geehrter Herr Vizebürgermeister, die der
klassische größte Dienstgeber Wiens sind. Denn natürlich sind in diesen
Betrieben nicht ausschließlich Familienangehörige beschäftigt, son-dern, wie
ich auf Grund von Statistiken eingangs schon erwähnt habe, auch Familienfremde.
Und genau das sind jene Betriebe, um die sich die Stadt Wien intensiv kümmern
sollte, die von Wien gezielt gefördert werden müssten. Denn Sie selbst, sehr
geehrter Herr Vizebürgermeister, haben ja betont, dass die Stärke solcher Betriebe
in konjunkturell schwierigen Zeiten liegt. Bitte handeln Sie auch so!
Aber leider, genau das Gegenteil ist der Fall. Die
Wirtschaftsförderung, die tatsächlich den Klein- oder Mittelbetrieben zugute kommt,
ist 2004 abermals, wie schon 2003, gekürzt worden. Die Förderaktion der Stadt
Wien wurde massiv verschlechtert: Kürzung der Nahversorgungszuschüsse von
50 000 EUR auf nur mehr 10 000 EUR pro Betrieb. Kürzung der
Wiener Innovationsförderung um zwei Drittel. Abschaffung der Wiener
Telematikförderung. Kürzung der Wiener Strukturverbesserungsaktion um ein
Drittel.
Im Jahre 2004 sind daher auch die Mittel des Wiener
Wirtschaftsförderungsfonds, der für die Klein- und Mittelbetriebe gedacht ist, gekürzt
worden. Diese Förderungskürzungen machten 2004 genauso wie schon 2003
7 Millionen EUR aus. Die Stadtregierung, sehr geehrter Herr
Vizebürgermeister, hat somit das Volumen der Förderungen für die Klein- und
Mittelbetriebe in den beiden letzten Jahren um insgesamt
14 Millionen EUR gekürzt, und das, sehr geehrter Herr
Vizebürgermeister, in konjunkturell schwierigen Zeiten. Für uns Freiheitlichen
eine unverständliche Vorgangsweise. (Beifall bei der FPÖ.)
An sich müsste man annehmen, dass Wien und seine
dafür verantwortlichen Politiker alles tun, um die besten Voraussetzungen für
die Betriebe, vor allem aber für den größten Dienstgeber Wiens, für die Klein-
und Mittelbetriebe, zu schaffen. Leider ist genau das Gegenteil der Fall.
Dass diverse Wirtschaftsförderungen gekürzt werden,
habe ich schon erwähnt.
Nochmals in Erinnerung rufen muss ich, dass die
Wiener Wirtschaftsförderung schon per 1. Jänner 2002 halbiert wurde, und
das ist bedauerlich. Aber leider werden den Betrieben nicht nur Förderungen aberkannt,
sondern die Betriebe noch zusätzlich belastet. Herr StR Schock hat dies ja
bereits vorhin erwähnt.
Und das alles, sehr geehrter Herr Vizebürgermeister,
ist schädlich für die Wiener Wirtschaft und die KUM Wiens.
Diese negativen Maßnahmen, Förderungskürzungen und
zusätzlichen Belastungen wirken sich natürlich auch auf die wirtschaftliche
Situation der Betriebe aus. Wie schon eingangs erwähnt, müssen rund
20 Betriebe pro Tag österreichweit Insolvenz anmelden. Nach Angaben des
Kreditschutzverbandes vom Monat Oktober 2004 sind die Firmenpleiten in
Österreich enorm gestiegen. Bei einem österreichweiten Vergleich der Monate 1
bis 9/2003 mit den Monaten 1 bis 9/2004 gab es eine Erhöhung der Firmenpleiten
in Österreich um 12 Prozent und in Wien sogar um 16 Prozent. Und
allein im ersten Halbjahr 2005 sind die Unternehmensinsolvenzen um weitere
15 Prozent gestiegen. Die Hauptursache für die Insolvenzen ist die dünne
Eigenkapitaldecke der Unternehmer.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe diese
Zahlen bereits vor einem Jahr bei der Budgetdebatte für das Jahr 2004 erwähnt.
Die Eigenkapitalausstattung der Betriebe ist aber so dramatisch, dass ich sie
wiederholen muss: Betriebe, die 10 bis 49 Dienstnehmer beschäftigen, haben
ein durchschnittliches Eigenkapital von 13,9 Prozent, und Betriebe, die 1
bis 9 Dienstnehmer beschäftigen, haben überhaupt nur 2,2 Prozent
Eigenkapital.
Aber,
meine sehr geehrten Damen und Herren, was noch viel dramatischer ist: Von
diesen Betrieben haben 88 Prozent ein negatives Eigenkapital. Das
bedeutet, dass 88 Prozent dieser Betriebe überschuldet oder sogar
Krisenbetriebe sind und somit vom Fremdkapital, zum Beispiel Krediten,
Überziehungen et cetera, abhängig sind. Und hier, sehr geehrter Herr
Vizebürgermeister, gilt es zu handeln, hier müsste Wien seine Betriebe massiv
unterstützen.
In der Steiermark hat man sogar eine Pleiteholding
für KMUs gegründet, über die steirische Umstrukturierungsgesellschaft STUG
sollen die Betriebe saniert und anschließend wieder verkauft werden. Ich darf
den steirischen Wirtschaftslandesrat zitieren: „Es kommt oft zu Insolvenzen,
obwohl die betroffenen Firmen nur relativ gering überschuldet sind. Solche
Betriebe können auch mit nicht besonders hohem finanziellen Einsatz gerettet
werden."
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