Gemeinderat,
56. Sitzung vom 24.05.2005, Wörtliches Protokoll - Seite 12 von 104
sie bis heute die einzige nachhaltige Information zu Nationalsozialismus, Widerstand und Verfolgung in Wien dar. Die nach modernen, didaktischen Grundsätzen dringend nötige Neuaufstellung wird derzeit mit finanziellen Mitteln der Stadt Wien umgesetzt und im Oktober wieder eröffnet werden. Mit dieser wichtigen Infrastrukturinvestition wird im Jubiläumsjahr 2005 ein nachhaltiger Schritt gesetzt, der über temporäre Ereignisse und kurzfristige Feierlichkeiten hinausgeht.
Die Wiener Stadt- und Landesbibliothek und das Stadt-
und Landesarchiv leisteten zum Gelingen eines würdigen Beitrags zum
Jubiläumsjahr hervorragende Arbeit. Die Stadt- und Landesbibliothek kuratierte
eine sehr bemerkenswerte Ausstellung in Moskau, die die russische Besatzung in
Österreich nachzeichnete und weiters eine Ausstellung, die sich ebenso wie die
"Sinalco-Epoche" im Wien-Museum mit einem alltags- und
sozialgeschichtlichen Thema auseinander setzt. Gezeigt wird die Ausstellung
"off limits, amerikanische Soldaten in Wien 1945-1955“, die die
Freizeitgestaltung der US-Truppen in Wien in den Mittelpunkt rückt.
Das Stadt- und Landesarchiv hat mit einer Ausstellung
der Geschichte der Kinder vom Spiegelgrund, der Opfer der so genannten
Euthanasie, eines der dunkelsten Kapitel der NS-Zeit überhaupt, berührt. Besonderes
Augenmerk verdient dabei das Begleitprojekt zur aktiven Einbindung von Wiener
Schülern und Schülerinnen.
Im Jüdischen Museum ist noch bis Anfang Juli eine
Ausstellung mit dem Titel "Jetzt ist er bös, der Tennenbaum" zu
sehen. Im Rahmen dieser didaktisch hervorragend aufbereiteten Schau wird nicht
nur auf die anti-semitische Grundhaltung in der österreichischen Gesellschaft
verwiesen, sondern auch auf jahrzehntelange parteipolitische, ideologische
Unaufrichtigkeit, historisches Unbewusstsein, beziehungsweise bewusste Verdrängung
der Geschichte. Dass das Jugendbegleitprogramm zur Ausstellung bereits bis zum
Ende ausgebucht ist, ist ein gutes Indiz für den Erfolg dieser wichtigen Ausstellung
des Jüdischen Museums.
Neben den hier genannten größeren Ausstellungsprojekten
fanden in den letzten Wochen nicht zuletzt zahlreiche Lesungen, Symposien und
Veranstaltungen statt. Die “Wiener Vorlesungen“ zogen beispielsweise Bilanz
über Entwicklungen und Zäsuren der Geschichte der Zweiten Republik, wobei sich
der Bogen von Gesellschaft und Politik bis hin zu Kultur und Alltag spannt.
Erst vor wenigen Tagen setzte sich Bundespräsident Dr Heinz Fischer in
einer “Wiener Vorlesung“ ausführlich mit der Geschichte der Zweiten Republik
auseinander.
Zu all diesen Veranstaltungen und Ausstellungen ist
den Kultureinrichtungen der Stadt Wien von dieser Stelle aus zu gratulieren. Es
wurde und wird hier hervorragende Arbeit geleistet und diese wird von den Wienerinnen
und Wienern auch gerne angenommen. Die kommenden Wochen und Monate, in denen
noch einige Höhepunkte folgen werden, lassen noch einiges erwarten.
Wir haben damit jedenfalls versucht, den reinen Feierlichkeiten,
die sich auf das Staatsvertragsjubiläum zu beschränken drohten und von denen
auch die Gefahr ausgegangen ist, dass man quasi eine rein affirmative, also
eine nur bejahende Sicht auf die Nachkriegszeit von 1955 bis heute
stattfinden lässt, eine, glaube ich, durchaus kritische Sicht der Dinge
entgegen zu setzen, die nicht mit dem Jahr 1955 beginnt, sondern in
Wahrheit mit dem Jahr 1945 beziehungsweise 1938 und teilweise sogar
mit dem Jahr 1934. – Danke sehr.
Vorsitzende GRin Inge Zankl: Danke
sehr.
Die 1. Zusatzfrage, Herr Dr Serles.
GR Dr Wilfried Serles (Bündnis
Zukunft Wien – die Stadtpartei): Herr Stadtrat!
Sie haben an die Schüler und Schülerinnen eine Einladung
ausgesprochen, die Museen der Stadt Wien zu besuchen.
Können Sie sich vorstellen, dass Sie den Schülern und
Schülerinnen sozusagen noch einen weiteren Schritt entgegenkommen, sie
einladen, die Museen der Stadt Wien einmal gratis zu besuchen, und ihnen dort
eine Führung angedeihen lassen, etwa durch "Die Sinalco-Epoche", weil
das mit Sicherheit Dinge sind, die die Schüler und Schülerinnen bewegen werden
und die sicher auf Interesse stoßen werden?
Vorsitzende GRin Inge Zankl: Herr
Stadtrat, bitte.
Amtsf StR Dr Andreas Mailath-Pokorny: Sehr
geehrter Herr Gemeinderat!
Wie Sie vielleicht wissen, ist es mir gelungen, zumindest
zwei Tage im Wien-Museum oder in den Wiener Museen aus genau der Überlegung
heraus eintrittsfrei zu gestalten, dass man vor allem Familien, aber auch jungen
Menschen es ermöglichen sollte, diese Ausstellungen, auch die permanenten
Ausstellungen, zu besuchen und insofern ist das im Grunde schon verwirklicht.
Die Wiener Museen sind am Freitag, glaube ich, Vormittag und am gesamten
Sonntag bei freiem Eintritt zu besuchen.
Vorsitzende GRin Inge Zankl: Danke,
Herr Stadtrat.
2. Zusatzfrage, Frau Mag Ringler.
GRin Mag Marie Ringler (Grüner Klub
im Rathaus): Herr Stadtrat!
Das hätte die Frage nach der Führung natürlich noch
nicht beantwortet, obwohl es bedauerlich ist, dass der Herr GR Serles nicht weiß,
dass es tatsächlich sehr positiv ist, dass es Gratistage gibt. Das ist eine
gute Initiative, das unterstützen wir sehr.
Also erstens die Frage nach der Gratisführung, die möchte ich hier
durchaus auch wiederholen, und die zweite Frage, die sich mir stellt, ist: Im
Rahmen dieser Feierlichkeiten zum Gedenkjahr haben wir einen Akt in diesem
Gemeinderat beschlossen, der ein Jubelfest beinhaltet, wo Ende September im
Rathaus ein großes Jubelfest stattfinden soll und mir stellt sich nun die
Frage, ob Sie sich einsetzen werden, dass dies nicht ein ausschließliches
SPÖ-Jubelfest wird, sondern dass auch alle anderen Parteien in adäquater Form
eingebunden werden?
Vorsitzende GRin Inge Zankl: Bitte Herr
Stadtrat.
Amtsf StR Dr Andreas Mailath-Pokorny (erheitert):
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