Gemeinderat,
55. Sitzung vom 28.04.2005, Wörtliches Protokoll - Seite 75 von 85
dem Standort tun könnte. Was ist euch eingefallen? Ein großes Einkaufszentrum, das jetzt ein bisserl anders heißt. An dem wunderbaren Standort! Das finde ich verheerend.
Jeder, der von uns reist – und das tun zum Glück
viele –, kennt die Situation nicht nur in den USA, sondern auch in Südamerika,
in vielen asiatischen Bereichen und weiß, wie dort Leben funktioniert. Man
wohnt in einer Gegend, in einer Community, fährt in die Garage hinunter, steigt
ins Auto, fährt ins Einkaufszentrum, steigt dort aus, und dort hat man das
Leben. Das, was die europäische Stadt und auch Wien noch ausmacht, dass man
einfach zu Fuß gehen kann, und das, was die Amerikaner mühsam nachbauen,
Erlebnis beim Einkauf, das sind unsere Einkaufsstraßen, das ist unsere Stadt,
das ist der 6., der 7., der 1., der 16., der 17., der 21. Bezirk im Kern noch.
Noch! So lange das Städtische, das Nebeneinander von Einkaufen, Arbeiten,
Freizeit, Wohnen kompakt stattfindet. Dass das auseinander geht, wissen wir.
Das ist nicht gesteuert, das ist leider der Trend zur Zentralisierung, der
Trend der Immobilienwirtschaft.
Es wäre Aufgabe, dem gegenzusteuern. Das nicht zu tun
und nicht einmal bereit zu sein, das Problem hier anzusprechen, das finde ich
den Frevel, den politisch die Sozialdemokratie begeht, und darum wird uns
dieses Thema leider weiter begleiten. – Danke schön. (Beifall bei den
GRÜNEN.)
Vorsitzende GRin Inge Zankl: Danke. –
Als Nächster zu Wort gemeldet ist der Herr GR Dkfm Dr Aichinger. Ich erteile es
ihm.
GR Dkfm Dr Fritz Aichinger (ÖVP-Klub
der Bundeshauptstadt Wien): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Meine sehr
geehrten Damen und Herren!
Wir haben heute hier ein Thema, man könnte schon
sagen, einen Dauerbrenner, der uns immer wieder in diesem Hause beschäftigt,
vor allem aus dem Grund, weil, wie ich glaube, die Stadtregierung und die Mehrheitsfraktion
bei diesem Thema immer wieder herumlaviert, keine eindeutigen Aussagen macht
und auch im Stadtentwicklungsplan nicht eindeutig dazu Stellung nimmt.
Im Stadtentwicklungsplan 1994, meine Damen und
Herren, war das nämlich der Fall. Da ist noch drinnen gestanden, dass die
gewachsenen zahlreichen Einkaufsstraßen in allen Wiener Stadtteilen das
Rückgrat und der Schwerpunkt für die Versorgung sein sollen und dass es nur
wenige Einkaufszentren an verschiedenen Standorten geben soll, die man berechtigterweise
dann, wenn es neue Stadtentwicklungen gibt, für die Versorgung sozusagen planen
beziehungsweise auch bauen muss.
Zwei, drei konkrete Zahlen noch
dazu. 1995 ist es so gewesen, dass wir, wie gesagt, in den 22 größten
Einkaufsstraßen 600 000 m² Verkaufsfläche, das war über ein Viertel
der gesamten Verkaufsfläche, gehabt haben. Diese Einkaufsstraßen sind langsam
zurückgegangen, Sie liegen bereits weit unter 600 000, meine Damen und
Herren, die Fachmärkte aber sind in diesem Zeitraum von 450 000 auf 800 000 m²
gestiegen und haben in dem Fall bereits einen Anteil von 30 Prozent
erreicht.
Die Wirtschaftskammer Wien, meine
Damen und Herren, hat – und das möchte ich vielleicht Kollegen Madejski sagen –
genau vor zwei Jahren bereits einen zeitlichen Widmungsstopp gefordert in dem
Sinne, um nachzudenken und ein Konzept auszuarbeiten, bei dem alle Betroffenen
ganz einfach wirklich an einem Strang ziehen und sagen, wie die Lösung für Wien
aussehen kann und wie es funktionieren kann. (Beifall bei der ÖVP.)
Die Wirtschaftskammer Wien war nie
prinzipiell gegen Einkaufszentren, sondern wir haben gesagt, man muss ganz
genau sagen, wo dieses Einkaufszentrum steht und was es für eine Berechtigung
hat. Wir haben Beispiele, meine Damen und Herren, wo das sicherlich notwendig
und gut war. Aber man sieht auch, meistens funktionieren die am besten, die in
gewachsenen Gegenden, in gewachsenen Einkaufsstraßen sind. Und das Beste ist,
dass wir dort feststellen können, dass zum Beispiel der Konsument großteils –
bis zu zwei Drittel und mehr – zu Fuß kommt. Das heißt, diese Einkaufszentren
werden viel mehr angenommen, und jene Zentren und jene Fachmärkte, die
prinzipiell mit dem Auto angefahren werden, haben dadurch natürlich umso mehr
Probleme.
Es sind heute bereits sehr viele
Argumente gefallen, und auch das ist hier bereits erwähnt worden: Die Kaufkraft
ist nicht vermehrbar. Ich kann Ihnen das noch ein bisschen genauer und
detaillierter anhand von Zahlen sagen. Die Kaufkraft in Wien ist die höchste in
Österreich, das stimmt, aber sie nimmt gegenüber dem gesamtösterreichischen
Durchschnitt in den letzten Jahren kontinuierlich ab und wird wesentlich
schwächer. Dazu eine konkrete Zahl, meine Damen und Herren: Der Einzelhandelsumsatz
in Wien vom Jahre 1995 bis 2004 ist um konkret 16 Prozent gestiegen. Wenn
Sie die Inflationsrate abziehen, sind Sie eigentlich seit 10 Jahren auf dem
gleichen Niveau des Einzelhandelsumsatzes in Wien. Österreichweit, meine Damen
und Herren – als Wiener muss ich sagen leider, als Unternehmer und Händler Gott
sei Dank – ist der Umsatz aber um 26 Prozent gestiegen. Das heißt, dort
schaut es anders aus. Bei uns gibt es ganz einfach leider nicht mehr Kaufkraft.
Es kann ganz einfach hier nicht mehr verkauft werden.
Gestern ist ein Einkaufszentrum im
10. Bezirk eröffnet worden, meine Damen und Herren. Wenn man hineingeht,
so ist es ein sehr schönes Projekt, aber ein Drittel der Flächen war am
Eröffnungstag nicht besetzt, war leer. Das zeigt schon, dass ganz einfach hier
nicht unbedingt der Bedarf gegeben ist, obwohl ich glaube, dass ein sehr, sehr
guter Standort gewählt wurde. Es geht da nicht mehr nur darum – der Kollege
Chorherr hat das ja angeschnitten –, dass wir die Investoren haben, es gibt
bereits einen Verdrängungswettbewerb innerhalb der Großen, das geht bereits bis
zu einem Vernichtungswettbewerb.
Wenn wir uns in Österreich auch
anschauen, wie hoch die Konzentration im Einzelhandel ist, dann wissen wir,
dass es einige Branchen gibt, wo drei Anbieter bereits über 90 Prozent des
gesamten Marktes beherrschen, und das kann es nicht sein. Das, meine Damen und
Herren, ist auch nicht zum Wohle der Konsumenten,
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