Gemeinderat,
55. Sitzung vom 28.04.2005, Wörtliches Protokoll - Seite 12 von 85
Kultur und Wissenschaft gerichtet: Das neue Logo des Volkstheaters ist ein roter
fünf-zackiger Stern. Mit dem ehemaligen Kärntner KP-Kandidaten Kressnik beginnt
der Spielplan am 4. September. Michael Schottenberg definiert das
Volkstheater als "politisches Volkstheater". Der rote Stern leuchtet
für Schottenberg ... "als Signal für all dessen, was ich unter Theater
verstehe". Schottenberg will damit offenbar eines der großen Wiener Theater
als politisches Instrument missbrauchen. Halten Sie diese Vorgehensweise in
Wien, fünfzehn Jahre nach Auflösung der DDR, für zeitgemäß?
Bitte, Herr Stadtrat.
Amtsf StR Dr Andreas Mailath-Pokorny:
Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren!
Die Frau Gemeinderätin fragt mich im Zusammenhang mit
der neuen Direktion des Volkstheaters, ob ich die Vorgangsweise der
Programmgestaltung 15 Jahre nach Auflösung der DDR für zeitgemäß halte.
Sehr geehrte Frau Gemeinderätin!
Die Antwort ist ein klares Ja. Ja,
sie ist zeitgemäß, auch 15 Jahre nach Auflösung der DDR, wenngleich ich
ehrlich zugeben muss, dass ich den Zusammenhang zwischen der Programmgestaltung
der neuen Volkstheaterdirektion und der Auflösung der DDR nicht ganz sehe. Aber
der Reihe nach.
Wenn Sie Michael Schottenberg, den
neuen Direktor des Volkstheaters, zitieren, der rote Stern leuchte für ihn als
Signal all dessen, was er unter Theater verstehe, dann verstehe ich nicht,
warum Sie diese in allen Zeitungen nachzulesende Passage nicht zur Gänze
wiedergeben, sondern Schottenbergs Interpretation durch eigene Mutmaßungen
ersetzen.
Nur zur Erklärung auch für die
vielen jungen Gäste hier im Gemeinderat, es geht darum, dass die neue Direktion
des Volkstheaters als Zeichen auf dem Volkstheater ein solches Signal setzen
will. (Der Redner zeigt ein Vorschauheft
des Volkstheaters her, auf dem sich der angesprochene rote Stern auf dem
Titelblatt befindet.) Darüber befragt mich die Frau Gemeinderätin.
Michael Schottenberg hat dazu
gesagt: „Der rote Stern wird vom Volkstheater leuchten als ein Signal für das,
was ich" - Schottenberg – „unter Theater verstehe. Er soll ein Symbol der
Republik meiner Spieler und Narren sein. In dieser Republik lässt sich die Zeit
beschleunigen, verlangsamen und zum Stillstand bringen. In diesem Land gelten
andere Gesetze." - Zitat Schottenberg Ende.
Was daran verwerflich sein soll,
kann ich nicht ganz nachvollziehen. Für Schottenberg, so kann man es in der
Spielzeitvorschau 2005/6 nachlesen, kann, darf und muss Theater alles sein.
Wiederum Zitat: „Erotisch und frech, witzig und grausam, poetisch und karg,
tragisch und komödiantisch, unterhaltsam und anrührend und auch politisch,
indem es Stellung bezieht, provokant, laut und deutlich wird, wenn die
Situation es erfordert."
Sprachrohr für die Menschen in
dieser Stadt zu sein, aktuelle Themen und Trends dieser Stadt aufzugreifen und
sich einzumischen, war und ist seit jeher die Leitmaxime des Wiener
Volkstheaters, seit es 1889 von Wiener Bürgern als selbstbewusste und
emanzipatorische Antwort auf das damals saturierte Hofburgtheater gegründet
wurde. Dieser Ur-Intention der Gründer, nämlich breiten Bevölkerungskreisen
neben dem Volksstück vor allem klassische und moderne Literatur nahe zu
bringen, fühlt sich im Übrigen auch Michael Schottenberg verpflichtet. Eben
dies ist auch aus seinem Spielplan abzulesen: Nestroy, Horvath, Hauptmann,
Schiller, Fassbinder und Bernhard, um nur einige zu nennen.
Aus diesem Spielplan abzuleiten,
dass damit ein großes Wiener Theater als politisches Instrument missbraucht
werde, entbehrt jeglicher Grundlage. Wie und ob ein solcher Spielplan und damit
das Theater, das Michael Schottenberg meint, 15 oder mehr Jahre vor Auflösung
der DDR eben dort möglich gewesen wäre, das müssen Sie mir erst einmal
erklären.
Des Weiteren, sehr geehrte Frau
Gemeinderätin, finden Sie es ungehörig, dass Schottenberg seine erste Saison
mit einer Arbeit des, wie Sie sagen, "ehemaligen Kärntner KP-Kandidaten
Kresnik eröffnet."
Die Biographie von Johann Kresnik
auf seine Vergangenheit als ehemaliger Kärntner KP-Mandatar zu reduzieren,
zeugt nicht nur vor einer sehr eingeschränkten Wahrnehmung, sondern das
schlägt, ob wissentlich oder unwissentlich, die außergewöhnliche
Theaterkarriere Johann Kresniks, der als Schöpfer des sogenannten
choreographischen Theaters zu Weltruhm gelangte. Würde man den Namen, im
Übrigen richtig geschrieben mit einem s und nicht mit zwei, etwa in der
Google-Suche eingeben, so würde man knapp 7 000 Einträge finden und
man würde, so es einem nicht bekannt ist, sehr schnell erfahren, dass Kresnik,
nachdem er Kärnten in den 60er Jahren verlassen hat, als Ballettdirektor,
Regisseur und Choreograph an nahezu allen namhaften deutschsprachigen Bühnen
gearbeitet hat. Sein Weg führte ihn dabei von - unter Anführungszeichen -
KP-Hochburgen wie dem Bremer Theater, dem deutschen Schauspielhaus, dem
Thaliatheater Hamburg, dem Schauspiel Hannover und so weiter über das
Burgtheater bis hin zu den Salzburger Festspielen. Die Frage, ob diese
Engagements wie viele Jahre auch immer nach der Auflösung der DDR zeitgemäß
waren, würde ich ebenfalls mit einem klaren Ja beantworten und sehe daher auch
kein Problem darin, dass Johann Kresnik nunmehr 2005 am Volkstheater in Wien
arbeiten wird, noch dazu mit einem gerade für das Gedenkjahr 2005
wichtigen Thema, dem auch die vorgestern im Wiener Stadt- und Landesarchiv
eröffnete Ausstellung "Kindereuthanasie in Wien 1940 bis 45" gewidmet
ist, nämlich den Vorgängen am Wiener Spiegelgrund während der NS-Zeit.
Zum Stern, der Sie so aufregt: Er
ist leider nicht blau, aber immerhin auch nicht orange. Er ist rot. Aber wenn
Sie dieses Vorschauheft zur Hand nehmen (Der
Redner zeigt erneut das Vorschauheft des Volkstheaters her.), so werden Sie
feststellen, der Hintergrund ist grün und der Schriftzug
"Volkstheater" ist in schwarz gehalten, wenn, glaube ich, auch schon
etwas abgebröckelt. Es ist ein Stern, das ist klar ersichtlich und hat insofern
nichts
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