Gemeinderat,
53. Sitzung vom 25.02.2005, Wörtliches Protokoll - Seite 90 von 102
Sozialministerium, das
einen profunden Bericht, einen neutralen Bericht, der nicht mit
Schuldzuweisungen arbeitet, über die tatsächliche Situation in Österreich
hergestellt hat. (Beifall bei der ÖVP. - GR Dr Kurt Stürzenbecher: Ein
schwacher Applaus! - GR Harry Kopietz: 2 Prozent Zustimmung waren das! -
GR Dr Kurt Stürzenbecher: 1 Prozent!) Dieser Bericht ist eine
gute Basis für alle weiteren Überlegungen.
Die Wiener Situation ist in der Tat eine besondere,
und deswegen ist es sehr wichtig, sich auch mit Wien im Näheren zu
beschäftigen. Armut ist ja - so geht das auch aus dem Bericht hervor - nicht
nur eine Frage des Einkommens, sondern es gibt viele andere Formen von Armut,
die nicht so leicht statistisch nachzuweisen sind. Insofern halten wir einen
derartigen Bericht für sehr notwendig und unterstützen dieses Anliegen auch.
Aus dem Armutsbericht des Sozialministeriums geht
hervor, dass es drei Sicherungsinstanzen gegen Armut gibt: Einerseits eine
aktive Arbeitsmarktpolitik - ein Arbeitsplatz ist immer noch die beste Gewähr
gegen Armut -, zum Zweiten das System der Familie, und zum Dritten der
Sozialstaat. Es ist einmal wichtig, dass wir uns hier mit dem Phänomen der
Armut beschäftigen. Ich glaube, die Armen haben nichts davon, wenn wir uns in
gegenseitigen Schuldzuweisungen ergehen. Nachdem aber der Reflex der SPÖ in
diesem Haus immer der ist, dass an allem die Bundesregierung schuld ist, muss
man natürlich hier etwas dagegen sagen, das kann man nicht unwidersprochen im
Raum stehen lassen.
Tatsache ist, dass der Arbeitsmarkt in Wien in keiner
guten Situation ist. Die Gemeinde Wien hat mehr als genug Geld in der Hand -
und wir beschließen hier ja auch bei jeder Sitzung relativ große Summen für
alle möglichen Anliegen -, dass man eine effiziente Arbeitsmarktpolitik
betreiben kann. Arbeitslose dann in Schulungen zu verstecken, wenn sie
arbeitslos sind, das ist eine etwas einfallslose Sache, die für die Statistik
gut ist (GR Godwin Schuster: Wer macht denn das?), den Menschen aber im
Prinzip nicht wirklich hilft. (GR Godwin Schuster: Ist das AMS Wien oder
Bund?)
Im Wiener AMS haben Sie mehr als genug Mitsprache,
weil das ja sozialpartnerschaftlich besetzt ist. (GR Godwin Schuster: Verantwortlich
ist vielleicht auch ein Roter? Bartenstein ist auch SPÖ-Mitglied?) Nein,
nein, Bartenstein ist nur die Aufsichtsbehörde, ist aber nicht im operativen
Bereich tätig. (GR Godwin Schuster: ...gibt kein Geld her! - Weitere
Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Geld ist genug da, nur wird das Geld von Ihnen nicht
optimal eingesetzt. Das haben wir schon beim Wiener ArbeitnehmerInnen
Förderungsfonds gesehen, da feiern Sie lieber 10 Jahre, statt dass Sie Kurse
für Arbeitslose anbieten. (GR Godwin Schuster: Wer macht denn das?)
Gehen Sie in die Gremien vom WAFF! (Beifall bei der ÖVP. - GR Godwin
Schuster: Der ÖAAB sitzt dort und sagt, aus grundsätzlichen Erwägungen wollen
wir... nicht!) Der ÖAAB hat aber leider keine Mehrheit. Wenn Sie uns eine
Mehrheit verschaffen, dann werden wir Ihnen zeigen, wie das wirklich geht. (Beifall
bei der ÖVP. - GR Christian Oxonitsch: Angesichts
der tollen Fernsehspots...! - Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Für die Familienpolitik hat auch diese
Bundesregierung mehr als genug geleistet. Ich darf nur daran erinnern, das
Kinderbetreuungsgeld ist eine Absicherung, eine umfassende Absicherung und
nicht geknüpft an eine vorher ausgeübte Erwerbstätigkeit. (GR Heinz Hufnagl:
Und nach zwei Jahren gibt es keinen Kündigungsschutz mehr!) Gerade der
Bereich Familie ist auch im Rahmen der Steuerreform vom Nationalrat und von der
Bundesregierung mehr als großzügig behandelt worden. Wien hat sehr wohl auch
Zuständigkeiten im Sozialbereich. (GR Heinz Hufnagl: Warum haben Sie den Kündigungsschutz
nicht auf drei Jahre erhöht?) Die Sozialhilfe ist Landesangelegenheit, die
Hilfe in besonderen Lebenslagen ist Landesangelegenheit, und da kann man sich
nicht so einfach aus der Verantwortung davonstehlen. (Zwischenrufe bei der
SPÖ.)
Dass die Sozialquote sinkt, ist auch nicht richtig.
Wenn Sie sich den Armutsbericht anschauen, dann werden Sie sehen, dass die
Sozialquote keineswegs im Sinken begriffen ist. (GR Godwin Schuster: Die
Jungen kriegen keine Jobs! ...wie ein Büttenredner reden!) Aber man muss
Sie daran erinnern, dass man eine Sozialquote auch von irgendwoher
erwirtschaften muss. Wir haben ja gerade daran schwer abzutragen, dass Sie
viele Jahre das Geld, das wir noch gar nicht erwirtschaftet hatten, schon im
Vorhinein ausgegeben haben. Wenn wir das nicht getan hätten, wäre jetzt mehr
als genug Geld da. Wir zahlen ja immer noch die Schulden der
sozialdemokratischen Bundeskanzler ab. (GR Godwin Schuster: Peinliche
Phrasen...! - GR Heinz Hufnagl: 13 Jahre Koalition! - Weitere Zwischenrufe
bei der SPÖ.)
Welche Erfolge eine rot-grüne Arbeitsmarktpolitik
haben kann und hat, das sieht man ja in Deutschland. Dort hat man die Schulden,
die vielen Schulden, und trotzdem die Arbeitslosen. Dazu wollen wir es in
Österreich nicht kommen lassen. (Beifall bei der ÖVP. - GR Heinz Hufnagl:
Die "blühenden Landschaften" des Herrn Kohl! - Weitere Zwischenrufe
bei der SPÖ und den GRÜNEN.)
Ich möchte nicht den Teufel an die Wand malen. Aber
nur ein Gedankenexperiment: Was machen Sie denn, wenn Sie wirklich einmal
wieder an der Bundesregierung sind? Wir werden dafür sorgen, oder der Wähler
wird hoffentlich dafür sorgen, dass das so schnell nicht gehen wird. Was machen
Sie denn dann? (Heftige Zwischenrufe bei der SPÖ.) Dann können Sie sich
nicht mehr so einfach auf die Bundesebene verlassen, dann müssen Sie nämlich
selbst etwas gestalten. Derweil einmal verwalten Sie nur, und verwalten können
die Beamten besser als Politiker. Meistens machen es die Beamten durch das
Verwalten besser, Politik braucht man zum Gestalten. (GR Franz Ekkamp: Herr
Kollege! Mit verbundenen Augen geht es besser!) Also wenn Sie sich schon
startklar machen, dann machen Sie sich jetzt bereits hier im Gemeinderat
startklar. Machen Sie einmal eine aktive Politik und beschränken Sie sich nicht
nur darauf, den Status quo in Wien zu verteidigen. So toll ist es nämlich
nicht. (Beifall bei der ÖVP. - Zwischenrufe bei der SPÖ.)
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