Gemeinderat,
53. Sitzung vom 25.02.2005, Wörtliches Protokoll - Seite 91 von 102
In diesem Sinne kann ich, glaube ich, auch schon zum
Schluss kommen. (GR Heinz Hufnagl: Das ist gescheit!) Wir unterstützen
das Anliegen, einen Wiener Armutsbericht zu machen, und wir hoffen, dass dieser
Antrag hier auch eine Mehrheit findet. Denn nur eine gute Analyse kann eine
Basis für eine zukunftsweisende Politik sein. (Beifall bei der ÖVP.)
Vorsitzender GR Dr Herbert Madejski: Zum
Wort gemeldet ist Herr GR Maresch. (GR Dipl Ing Martin Margulies auf dem Weg
zum Rednerpult: Nein, Margulies!)
Bei mir steht Maresch. (GR Dipl Ing Martin
Margulies: Ich glaube, das ist falsch übertragen!) Also gut, das sind eh
Zwillinge, daher lassen wir Gnade vor Recht ergehen. (GR Franz Ekkamp: Das
ist stark! - Rufe bei den GRÜNEN.)
GR Dipl Ing Martin Margulies (Grüner
Klub im Rathaus): Ich weiß, dass zu dem Zeitpunkt, als ich mich gemeldet
habe, ich glaube, eine Freiheitliche Schriftführerin war. Wenn sie uns nicht
unterscheiden kann, kann ich nichts dafür. Nichtsdestoweniger steht Ihnen diese
unqualifizierte Meldung "sind ja eh Zwillinge" als Vorsitzender
überhaupt nicht zu, und ersuche ich Sie, sich zu entschuldigen. (Beifall und
Zwischenrufe bei den GRÜNEN.)
Zweiter Punkt: Es ist recht spannend, wenn heute die
Kollegen und Kolleginnen von den Freiheitlichen und der ÖVP unserem Antrag
zustimmen, dass in Wien eigentlich eine Selbstverständlichkeit passiert: Dass
angesichts der immer traurigeren Situation der Menschen, die in Armut leben
oder armutsgefährdet sind, ein Wiener Armutsbericht erstellt wird. Es ist eine
Ironie des Schicksals, dass diese beiden Fraktionen zustimmen und die
Sozialdemokratie augenscheinlich nicht. Denn ich hätte es mir, insbesondere
auch aufgrund der Redebeiträge, die heute gekommen sind, eher umgekehrt
erwartet. Überdies wird auch ein Armutsbericht wahrscheinlich nichts daran
ändern, dass die ÖVP und die Freiheitlichen so agieren, wie sie es in den
letzten fünf Jahren gemacht haben. Für die Sozialdemokratie böte sich jedoch die
Chance, endlich von der Verwaltung der Armut zur Gestaltung zu kommen, zur
Gestaltung (GR Dr Andreas Salcher: Gestaltung der Armut!), Armut in Wien
tatsächlich zu bekämpfen, Armutsgefährdung zu bekämpfen. (Zwischenrufe bei
der ÖVP.)
Es sind heute in der Diskussion unterschiedlichste
Punkte vermischt worden. Ein Höhepunkt war, wie sich Frau Korosec in die
Niederungen der Weltwirtschaftspolitik hinab begeben hat, indem sie gesagt hat:
„Globalisierung findet statt und hat keine Telefonnummer." (Heiterkeit bei
den GRÜNEN.)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielleicht ist
es spannend, mit Ihnen eine Diskussion über alles Mögliche zu führen, aber
wirtschaftspolitisch haben Sie nicht brilliert. Denn Globalisierung findet
nicht einfach statt! Globalisierung hat gigantische Hintergründe, wenn man sie
sich anschaut, und die Telefonnummern suchen Sie sich dann selbst heraus, im
Zusammenhang mit der WTO, im Zusammenhang mit der EU-Kommission, im
Zusammenhang mit dem EU-Rat und so weiter und so fort, mit dem Vorgehen Ihres
Bundeskanzlers und auch der Bundeskanzler in den anderen EU-Staaten! (Zwischenrufe
bei FPÖ und ÖVP.)
Globalisierung, nämlich wie sie stattfindet - und das
ist das Bedauerliche, wie sie stattfindet -, findet gewollt statt. Die immer
weitere Liberalisierung und Privatisierung von öffentlichen Dienstleistungen,
die Privatisierung des Gesundheitswesens, die Privatisierung des Wassers, die
Privatisierung der öffentlichen Verkehrsmittel wird global gesehen.
Globalisierung findet nicht einfach statt und passiert nicht einfach, sondern
sie verfolgt gewisse Interessen (GR Dr Andreas Salcher: Des Kapitals?),
in Wirklichkeit Interessen des internationalen Finanzkapitals. (Heiterkeit
bei GR Dr Andreas Salcher.)
Es kommt auch nicht von ungefähr, dass die Finanzmärkte
dasjenige waren, was als Erstes geöffnet wurde, während Menschen, die Grenzen
überwinden wollen, die sich woanders niederlassen wollen, immer noch
abgeschottet werden, zum Teil kriminalisiert werden und letztendlich
abgeschoben werden. Und Sie stehen für diese neoliberale Politik (GR Dr
Andreas Salcher: ...den Weltmarkt!), eine Politik, die dann auch ihre
Auswirkungen hat, dass es in Wirklichkeit nicht wundert.
Nur ein Beispiel, weil Sie davon reden, man sollte
doch tatsächlich wirtschaftspolitische Impulse setzen. Da gebe ich Ihnen in
einem Punkt Recht: Ich glaube, dass in Wien in Fragen der Armutsbekämpfung
vieles besser zu machen wäre, insbesondere wenn man auf Grundlage eines
Armutsberichtes genauere Daten bekommen würde.
Vielleicht ein Satz zu Kollegen Vettermann: Man kann
darüber streiten, ob man wirklich in einen Armutsbericht aufnehmen will, welche
Haustiere die Menschen haben. Aber Sie können nicht abstreiten, dass es einen
gravierenden sozialen Unterschied macht, ob sich jemand ein Pferd oder nur ein
Meerschweinchen als Haustier leisten kann. (GR Heinz Vettermann: Habe ich ja
gesagt!) Da besteht einfach ein riesengroßer Unterschied, und es sagt die
Frage der Haustierhaltung tatsächlich etwas darüber aus, in welchem System
sozial eingebettet ein Mensch lebt. (GR Kurth-Bodo Blind: Wissen Sie...?)
Aber kommen wir zurück zur Frage der Globalisierung.
Kommen wir auch zurück zur Frage... (GR Günther Barnet: Globalisierung,
Haustiere, auch...?) Es war nur ein kurzer Sprung zur Stadt Wien zurück. -
Reden wir einmal über die Nachfragepolitik. Sie werfen vor, die Stadt Wien
investiert nicht. Dann frage ich Sie einmal: Was ist denn dafür verantwortlich,
dass es Kommunen in Wirklichkeit nicht mehr möglich ist, in Zeiten einer
höheren Arbeitslosigkeit Ausschreibungen ganz bewusst regional zu vergeben, um
die regionale Wertschöpfung zu steigern? Sie wissen, das ist das
Bundesvergabegesetz, und es ist das EU-weite Vergaberecht. (GR Günther
Barnet: Aber das ist schon bei WTO-Abkommen herausgekommen! ...nicht die
Bundesregierung!)
Kollege Barnet, Sie geben mir
Recht, wenn Sie sagen, Globalisierung findet nicht einfach statt. In der WTO
sitzt, wie Sie wissen, auch nicht irgendwer, sondern dort
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