Gemeinderat,
53. Sitzung vom 25.02.2005, Wörtliches Protokoll - Seite 84 von 102
Was mir nicht ganz klar ist, ist wenn sich die SPÖ
hier vom Rednerpult aus nicht gern mit den Wiener Problemen beschäftigt,
sondern lieber überlegt, wie sie sich auf Bundesebene ihrer Meinung nach im
Vergleich zu Wien messen möchte, obwohl wir bewiesen haben, dass es hier ganz
andere Berichte, die vorliegen, gibt. Dann frage ich mich: Warum legen Sie
nicht einen Armutsbericht für Wien vor? Was haben Sie zu verbergen? (GR Heinz Vettermann: Nichts!) Das ist
die Frage.
Wenn Sie nichts zu verbergen haben, dann machen Sie einen
ordentlichen Bericht und dann wird man auch ordentlich darüber diskutieren
können und man muss nicht, wie es teilweise meine VorrednerInnen schon gesagt
haben, in irgendwelchen Statistikbüchern irgendwelche Unterlagen suchen, die in
Wahrheit zu der Frage der Armut nicht sehr detailliert Auskunft geben. Man kann
sich den Rest dann zusammendenken oder man muss auf Untersuchungen oder
Berichte, wie sie die Caritas machen oder wie es teilweise in der
Arbeiterkammer stattfindet, zurückgreifen. Das ist ein Armutszeugnis für eine
Stadtverwaltung, die nicht im Stande ist, mit einem sozial wichtigen und immer
wichtiger werdenden Thema sich ordentlich auseinander zu setzen und die Daten
offen auf den Tisch zu legen!
Meine Damen und Herren, ich kann nahtlos an meine
Vorrednerin anschließen. Es geht faktisch um die Frage, und das ist auch
zentral so zu sehen, mit welchem Armutsbegriff wir uns beschäftigen. Ich kann
insofern an meine Vorrednerin anschließen, als es sich nachweislich, das zeigen
alle internationalen Studien eindeutig, zuerst einmal um die Frage eines
kindgerechten Armutsbegriffs handeln muss. Kindgerechter Armutsbegriff heißt,
dass er die besondere Situation der Kinder darstellt und die Unterversorgung
und die Benachteiligung nicht nur als einen rein ökonomischen Bereich
darstellt, sondern die gesamte Lebenssituation des Kindes und auch die
Befindlichkeit erfasst. Das ist Standard. So kann man es international überall
nachlesen. Das wäre wichtig, wenn das für Wien auch eine gewisse Bedeutung
hätte.
Warum nun? Es geht um Beeinträchtigungen, speziell im
Kinderbereich, im emotionalen, im sozialen, im somatischen und im physischen,
weil es hier um Befindlichkeiten geht, die bei Kindern ganz anders als bei
Erwachsenen durch die Unterversorgung und auch durch das Gefühl, dass eine
gewisse Ohnmacht der Eltern in der Bewältigung anstehender Probleme ganz
einfach das Selbstbewusstsein der Kinder, das Selbstwertgefühl der Kinder
massiv beeinträchtigt, in ihrer Entwicklung massiv stört und dadurch in der
Gesellschaft und sozial ausgrenzt. Das heißt, wir haben es hier mit einer Art
Armut als soziales Erbe zu tun. Es geht also um die Frage der sozialen Stellung
der Eltern und damit sozusagen auch in der Folge der Wirkungen auf die Kinder.
Wir haben hier überhaupt keine Untersuchungen in Wien. Es gibt Vermutungen. Es
gibt ideologische Behauptungen, die Sie gerne verwenden, wenn es ums
Argumentieren geht, warum Sie für die Gesamtschule sind.
Ich sage Ihnen, mit der Gesamtschule hat das nur am
Rande etwas zu tun. Die soziale Stabilität, um die es hier in Wahrheit geht,
also was die Gesellschaft tut, um das Auseinanderklaffen zu verringern
beziehungsweise die Unterschiede nicht noch weiter zu verstärken, kann
sicherlich nur durch eine ganztägige Betreuung aufgehoben werden. Eine
ganztägige Betreuung heißt aber, dass das Angebot da sein muss. So wie wir uns
als ÖVP immer verstanden haben, im Unterschied zur SPÖ, die immer vorgibt zu
wissen, was Menschen glücklich macht, haben wir die Formulierung, dass wir
wissen, dass die Menschen selber entscheiden sollen, was sie glücklich macht.
Daher wollen wir, dass Eltern auch entscheiden können, welche Art von
ganztägiger Schule sie selbst haben wollen. (Beifall
bei der ÖVP.)
Aber
die Frage der ganztägigen Betreuung kann nicht getrennt gesehen werden vom
Angebot in Wien. Jetzt mag es schon sein, dass Wien im Vergleich zu den anderen
Bundesländern mehr ganztägige Schulbetreuungsmöglichkeiten hat. Das wird sicher
stimmen. Nur das ist ja auch nicht die Frage, weil es sich hier um ein
Ballungsgebiet und um nicht vergleichbare Situationen im ländlichen Bereich
handelt. Das heißt, wir müssen Ballungsgebiete international vergleichen. Wir
müssen uns Hamburg anschauen, wir müssen uns Köln anschauen, wir müssen uns
München anschauen. Dann, meine Damen und Herren von der SPÖ, können Sie einmal
von den Vergleichen sprechen, die Sie sonst immer gern zitieren. Und da schauen
wir nicht so gut aus.
Wir haben von 448 Pflichtschulen 139 mit
ganztägiger Betreuung. Das ist
wahrlich nicht gerade die großartige Situation eines Angebots, wo ich sagen
kann, ich kann hiermit den Kindern, um die es ganz besonders geht, auch
gesichert ein Angebot vermitteln, wo sie ihre Defizite und auch ihre sozialen
Schwierigkeiten in einer geschützten und fördernden Situation vielleicht in
einer rehabilitativen Form abbauen können. Das haben wir nicht. Wir könnten
auch, und das wäre zum Beispiel so ein Angebot, den ganztägigen Schulbetrieb so
organisieren.
Die Fördermaßnahmen werden in einem gewissen Ausmaß
in Wien zweifelsohne geboten. Man wird sich noch gesondert einmal über die
Effizienz der Fördermaßnahmen unterhalten müssen. Aber wenn immerhin im
Pflichtschulbereich 23 bis 24 Prozent aller Pflichtschullehrer in der
Sonderverwendung, also in der Betreuung, in speziellen Aufgaben, stecken, wenn
wir da spezielle Psychagogen haben, die zweifelsohne eine hohe Ausbildung
haben, aber nicht sicherstellen können, dass die Notwendigkeit für die Schüler,
tatsächlich betreut zu werden, gedeckt werden kann, dann muss man halt andere
Wege gehen, meine Damen und Herren. Dann darf man nicht sagen, es ist eh alles
in Ordnung und wir lassen alles so wie es ist. Ich könnte mir vorstellen, dass
man hier sehr gut auf kommunaler Ebene eine Betreuung, die als Vorsorge zu
verstehen ist, über den Bereich der ganztägigen Schulen anbietet.
Nun, was fehlt in Wien insgesamt?
Es fehlt ein bedarfsgerechtes Betreuungsangebot. Ich spreche jetzt
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