Gemeinderat,
53. Sitzung vom 25.02.2005, Wörtliches Protokoll - Seite 83 von 102
sind und so weiter, aber wie es den Kindern in der Stadt geht und wie sie selbst ihre Situation zum Teil sehen, davon ist leider nichts nachzulesen.
Gerade deswegen brauchen wir auch und vor allem für
die Kinder und Jugendlichen einen Armutsbericht. Denn wenn wir vor allem
14 Prozent der männlichen Jugendlichen unter 20 Jahren und
16 Prozent der weiblichen Jugendlichen unter 20 Jahren haben, so können
wir nicht einfach so tun, als würde uns das in Wien nichts angehen. Das sind
die Österreich-Zahlen, für Wien wissen wir es schlichtweg nicht. Wir können
Schätzungen abgeben, wir können Mutmaßungen abgeben, können im Teesud lesen,
aber es gibt einfach keine verifizierten Zahlen dazu. Das finde ich eigentlich
für eine Stadt, und das hat die Klubobfrau der GRÜNEN, Maria Vassilakou schon
ausgeführt, für eine der reichsten Städte in Europa, ein Armutszeugnis, dass
wir unter anderem nicht wissen, wie es unseren Kindern und Jugendlichen in der
Stadt geht und wie arm sie eigentlich sind.
Die Armut bei den Kindern heißt nicht nur, dass sie
sich nichts kaufen können und dass die Eltern sich nichts kaufen können,
sondern noch etwas anderes. Sie hat nämlich Auswirkungen und äußert sich in der
Schule, bei der beruflichen Ausbildung, in der Freizeitgestaltung und auch in
der Interaktion mit anderen und mit Gleichaltrigen, dass sie an schulischen
Veranstaltungen nicht teilnehmen können und dass sie auch krank sind, denn
nirgends, in keiner der Gruppen, die von Armut betroffen sind, ist es so stark
zu erkennen, dass die Zahnschäden von Kindern massiv dort auftreten, wo die
Eltern sehr wenig Geld haben oder dass die Asthmaerkrankungen massiv zunehmen.
Der SPÖ fällt eigentlich nichts beziehungsweise fast
nichts dazu ein, außer einer Aussendung des Kollegen Vettermann, der meint,
dass Statistiken genug da sind, dass man dem Statistischen Jahrbuch der Stadt
Wien ja entnehmen kann, wie es in der Stadt ausschaut und dass die Menschen,
die von Armut betroffen sind, nichts von einem Armutsbericht beziehungsweise
von einem eigenen Druckwerk hätten.
Die Frage ist schon, ob dieses Druckwerk, das hier
angeführt ist, den Menschen etwas bringt. Wenn man sich das anschaut, was drinnen
steht, ist es ja schön, dass wir wissen, dass es zum Beispiel im Jahr 2003
57 031 Geldaushilfen zur Sicherung des Lebensbedarfs gegeben hat,
aber was ist damit weiter passiert? Wie geht es den Menschen, die das bekommen
haben? Oder dass wir im Jahr 2003 28 185 alleinstehende Mütter mit
Kindern, mit einem Kind unter 18 Jahren, hatten. Wie geht es denen? Wie
ist die Situation dieser Menschen?
Gut, dass es das Zahlenmaterial gibt, aber es gibt
eigentlich keine politische Schlussfolgerung daraus. Wo sind die Maßnahmen?
Welche Maßnahmen setzen Sie ob dieser Zahlen, die Sie in diesem Statistischen
Jahrbuch sammeln? Was passiert konkret, wenn Sie sich weigern und anscheinend
nach wie vor weigern, hier einen Armutsbericht vorzulegen, sich die Situation der
Menschen in dieser Stadt anzusehen und wirkliche Maßnahmen zu treffen, wie Sie
den Menschen helfen, die in dieser Stadt massiv von Armut bedroht sind?
Ich möchte den Beschluss- und Resolutionsantrag
betreffend den Wiener Armutsbericht einbringen.
In formeller Hinsicht beantragen wir die sofortige
Abstimmung dieses Antrags.
Zweitens möchte ich einen Beschluss- und
Resolutionsantrag der Kollegin Pilz und von mir einbringen, der eine andere
Gruppe von Menschen in dieser Stadt betrifft, die auch und massiv von der Armut
bedroht sind, nämlich Menschen, die es nötig haben, in Krankenhäusern, in
Tageskliniken, in stationären Settings Behandlungen in Anspruch nehmen zu
müssen.
Es wurde ja im Dezember durch eine Anordnung der
Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat von der Wiener Gebietskrankenkassa
verlangt, dass für jeden Krankentransport eine Kostenbeteiligung in der Höhe
der doppelten Rezeptgebühr fällig wird und diese von den Menschen, die zu
diesen Behandlungen transportiert werden müssen, nun eingehoben wird. Wenn man
sich das anschaut, auf wie viel diese Kosten nun kommen, so ist es eigentlich
ein Wahnsinn, wenn man sich überlegt, wie sich die Menschen diese Kosten, die
sich ungefähr auf 540 EUR pro Monat belaufen werden, das leisten können
sollen, die aber diese Betreuungs- und Therapieangebote mehr als notwendig
brauchen und diese Therapie- und Betreuungsangebote um ein Vielfaches billiger
sind, als wenn sie dann stationär irgendwo aufgenommen werden müssen oder in
ein Pflegeheim müssen. So ist es eigentlich nicht nachvollziehbar, warum hier
von Seiten der Stadt Wien nichts unternommen wird, sondern einfach hingenommen
wird, dass Menschen ihre Therapien abbrechen müssen, weil sie halt keine
540 EUR haben, um sich das leisten zu können.
Deswegen stellen wir den Beschlussantrag:
„Der Gemeinderat fordert die zuständige Stadträtin
auf, Maßnahmen zu treffen, um den betroffenen PatientInnen die zukünftigen und
bereits angefallenen Kosten für den Fahrtendienst zu ersetzen. Über die
getroffenen Maßnahmen soll im Gemeinderatsausschuss Gesundheit und Soziales im
April 2005 von der Frau Stadträtin berichtet werden.
In formeller Hinsicht beantragen wir die sofortige
Abstimmung dieses Antrags.“
Meine Damen und Herren, es ist wahrscheinlich
anzunehmen, dass dem Antrag auf einen Wiener Armutsbericht wieder nicht Folge
geleistet wird, aber ich hoffe doch, dass uns der Kollege Vettermann oder falls
noch jemand von der Sozialdemokratie herausgeht, erklären wird, was denn die
Stadt Wien mit der Situation der Menschen, die von Armut betroffen sind, zu tun
gedenkt und uns nicht wieder nur erklärt, wie super Wien ist, was die Kollegin
Klicka schon gemacht hat, sondern dass wirklich einmal jemand berichtet, was
die Stadt Wien dabei zu tun gedenkt. - Danke. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Vorsitzende GRin Inge Zankl: Als
Nächster zum Wort gemeldet ist Herr GR Walter Strobl. Ich erteile es ihm.
GR Walter Strobl (ÖVP-Klub der
Bundeshauptstadt Wien): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Meine Damen und
Herren!
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