Gemeinderat,
3. Sitzung vom 13.12.2005, Wörtliches Protokoll - Seite 56 von 80
außerhalb der Städte, wo es bei einem Wetter wie hier noch immer im besten Fall Zelte gibt, damit die Menschen über den Winter kommen.
Ich sage in Richtung reiche Welt: Ich finde es
skandalös, dass wir uns das anschauen und halt zur Tagesordnung übergehen!
Jetzt ist mein Beruf Gemeinderat. Ich weiß, wir sind hier nicht der Nationalrat
und nicht die Europäische Union, aber immerhin die Stadt Wien, und die Stadt
Wien gibt viel Geld sinnvoll aus, und über manche Dinge diskutieren wir, aber
jedenfalls sind wir eine reiche Stadt.
Deswegen will ich jetzt einen Antrag betreffend
Winter-Soforthilfe für pakistanische Bebenopfer einbringen, für die man
zwischen nichts und unendlich etwas tun kann. Ich habe mir lange überlegt, was
eine realistische Zahl ist, die man hier vertreten und in einer Budgetdebatte
beschließen kann. Ich habe dann ein wenig kopfgerechnet, bis jetzt hat sich
sonst niemand hier mit einer anderen Summe eingebracht, und daher habe ich mir
gedacht: 20 Cent pro Einwohner ist eine vertretbare Summe.
Grob multipliziert: Die Stadt Wien stellt
230 000 EUR Soforthilfe zur Verfügung, um pakistanischen Bebenopfern
das Überleben des Winters zu ermöglichen. Ganz bewusst nenne ich keine
spezifischen NGOs, ich glaube, es gibt etliche erfahrene NGOs, die dort tätig
sind, um die Lebens- und Überlebensbedingungen im Bebengebiet in diesem Winter
zu verbessern.
Um nur ein bisschen eine Größenordnung zu geben: Ich
habe mir gedacht: Was sind 230 000 EUR? – Das ist auf der einen
Seite viel. Im Planungsausschuss habe ich mir dann gedacht, dass ich zum
Vergleich einen Aufwand suche, wo die Stadt Wien etwa 230 000 EUR
ausgibt Ich meine das nicht zynisch, sondern ich finde, dass wir uns das
leisten können!
Im letzten Planungsausschuss betraf
Postnummer 18 die Bewachung und Betriebsaufsicht für die Opern- und die
Albertina-Passage und das Verkehrsbauwerk Schottentor, und ich fand heraus,
dass für drei Passagen für ein Jahr lang Betriebsaufsicht und Bewachung
390 000 EUR aufgewendet werden!
Ich finde schlicht und einfach, dass das, was uns ein
Jahr die Bewachung und Betriebsaufsicht - nicht die Reinigung, das ist das
ganze mal zwei - des Jonas-Reindls, der Opern- und Albertina-Passage wert
sind, das können wir für die Bebenopfer in Pakistan auch zur Verfügung stellen.
In diesem Sinn: Wien ist eine reiche Stadt, und ich bitte Sie um Zustimmung. (Beifall
bei den GRÜNEN.)
Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer:
Danke schön.
Es liegt keine Wortmeldung mehr vor.
Ich erteile dem Herrn Stadtrat das Wort.
Amtsf StR Dipl Ing Rudolf Schicker:
Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Vorsitzender!
Ich möchte ein paar Minuten dafür verwenden, nicht
nur auf die Fragen beziehungsweise die Kritik der Opposition einzugehen,
sondern auch ein paar Anmerkungen zur Entwicklungsphilosophie für diese Stadt
zu machen.
Ich habe nur ganz wenige Punkte aus den Wortmeldungen
der Opposition herausgehört, die sich überhaupt mit der Zukunft beschäftigt
haben. Ich habe sehr viel über die Abhandlung von Flächenwidmungen aus den 90er
Jahren und über die Abhandlung in Untersuchungskommissionen gehört, die sich
mit meinen Vorgängern beschäftigt haben. All das ist aber immerhin schon
mindestens viereinhalb bis fünf Jahre oder länger her!
Wir versuchen, dieses Wien, diese Stadt im südlichen
Zentraleuropa, als Zentrum, als Drehscheibe und als Interaktionspunkt zu
positionieren und in diesem Wien die Möglichkeiten zu schaffen, dass die neuen Mitgliedsstaaten
der Europäischen Union und die alten Mitgliedsstaaten der Europäischen Union
miteinander in Kontakt treten und Verbindungen herstellen können. Das bedeutet,
das gesamte Modell der städtischen Entwicklung mit den internationalen Ebenen
abzustimmen. Das betrifft die Bahnhöfe, vor allem den neuen Bahnhof Wien-Europa
Mitte, das betrifft sämtliche sonstigen Infrastruktureinrichtungen, und das
betrifft natürlich auch die Weltoffenheit dieser Stadt, Offenheit für
Investitionen, Offenheit für die Welt nicht nur im kulturellen Bereich, sondern
auch auf dem Gebiet der wirtschaftlichen Entwicklung, der Forschung, der
Technologie, des Technologiestandortes Wien.
Genau diese Punkte sind im Unterschied zu früheren
Jahren im Stadtentwicklungsplan 2005 ganz explizit enthalten und stellen
Schwerpunkte dar. Wer sich damals im aufkeimenden Wahlkampf nicht damit
beschäftigt hat, kann ja jetzt noch nachlesen, dass wir uns ganz intensiv damit
beschäftigt haben, wie man die Position des Standortes Wien festigen, ausweiten
und für die Zukunft absichern kann.
Daher ist es auch notwendig, dass wir die künftige
Situation dieser Stadt zunächst einmal skizzieren und daraus ablesen, wie viel
Zuwachs an Bevölkerung – auch durch Zuwanderung – diese Stadt denn
künftig haben wird, welche Notwendigkeit an Ausweitung des Wohnraums besteht.
Wir wissen, dass wir, grob gerechnet, 60 000 Wohneinheiten in den
nächsten zehn Jahren benötigen werden. Wir wissen, dass wir in dieser Stadt
auch die Integration verschiedenster Bevölkerungsgruppen erreichen müssen und
dass der soziale Ausgleich zwischen den Bevölkerungsgruppen weiterhin Bestand
haben muss.
Genau darum geht es auch im Stadtentwicklungsplan. Es
geht hiebei nicht darum, große Würfe zu machen, die dann für Investoren besonders
interessant sind, aber die Bevölkerung links und rechts davon überhaupt nicht
berücksichtigen und keinen Bedacht darauf nehmen, dass es auch Gruppen gibt,
die innerhalb einer Stadt andere Interaktionsmuster haben, als ins Auto zu
steigen und dann möglichst schnell davonzubrausen. Vielmehr geht es vor allem
auch um die Gruppen, die den öffentlichen Raum und ihre Bewegungsfreiheit
brauchen, die dort unter Umständen Spiele betreiben wollen, die dort einkaufen,
zum Arzt und in die Apotheke gehen müssen.
Kurz: Es geht um eine durchdachte Stadt, in der auf die
verschiedensten Bevölkerungsgruppen Rücksicht
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