Gemeinderat,
2. Sitzung vom 01.12.2005, Wörtliches Protokoll - Seite 8 von 64
Meine Fragen: Wo bleiben die
Maßnahmen vor Schuleintritt? Was hat Sie bisher davon abgehalten, für Kinder,
die der deutschen Sprache noch nicht mächtig sind, ein verpflichtendes
Vorschuljahr auf Deutsch einzuführen? Und ist das Vorarlberger Modell, bei dem
die Lehrer Türkisch lernen müssen und die Kinder nicht mehr Deutsch, für Wien
ein Vorbild?
Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer: Bitte.
Bgm Dr Michael Häupl:
Sehr geehrter Herr Gemeinderat!
Auch das können wir vielleicht gleich am Anfang
machen: Zusatzfrage heißt eine und nicht drei. Aber es ist mir ein besonderes
Vergnügen, dazu gerade auch auf das Vorarlberger Modell einzugehen.
Ich bitte Sie nur, zunächst einmal von einem
abzusehen, nämlich von der Behauptung, die so oft wiederholt wird, wie sie
falsch ist, und durch ständige Wiederholung wird sie nicht wahr: Dass die
PISA-Studie in Wien besonders schlecht ausgefallen wäre. Denn kein Mensch kann
aufgrund der Quantitäten, also allein der Zahlen, der Endzahlen bei dieser
PISA-Studie, die Wiener überhaupt in einer vernünftigen Form herausrechnen.
Daher würde ich wirklich bitten, dass man mit dieser Mär einfach Schluss macht.
Denn sie macht eigentlich nur Wien sinnlos schlecht und bringt uns in keiner
Art und Weise weiter.
Was die zweite Frage betrifft, insbesondere was die
Pflichtschulen betrifft, so werden Sie mit Prozentzahlen mit Sicherheit sehr
gut operieren können. Die Realität jedoch ist eine andere, und sie ist
schwierig genug, das ist keine Frage. Die Realität ist, dass Kinder mit
nichtdeutscher Muttersprache nicht automatisch nicht Deutsch können. Ich erlebe
das auch, wiederum nicht nur als Bürgermeister, der irgendwo entfremdet
herumsitzt, sondern durchaus im realen Familienleben, dass eine ganze Menge der
Schulkollegen nicht zuletzt auch meiner Kinder einen gelegentlich pointierteren
Ottakringer Slang sprechen, als es die eigenen Kinder tun. Das muss man also
auch ein bisschen mit dem realen Parkerlebnis oder mit dem realen Schulerlebnis
in unserer Stadt konfrontieren.
Nichtsdestoweniger ist es keine Frage, dass nicht
ganz 10 000 Kinder in unserer Stadt nicht mit hinreichender
Deutsch-Sprachkompetenz ausgestattet sind und daher diese Förderung brauchen.
Aus dieser Zahl resultiert letztendlich auch die Bedarfszahl an zusätzlichen
Lehrern in diesem Bereich, und die Zahl an zusätzlichen Lehrern in diesem
Bereich liegt bei uns bei etwas über 300 von den 700, die wir, insgesamt gesehen,
an zusätzlichen Lehrern brauchen.
Da wir hier 164 zusätzliche Lehrer bereits haben,
haben wir auch herausgerechnet - nur aus dem, was real Vereinbarung ist,
resultierend aus dem Finanzausgleich, in Erfüllung des Finanzausgleichs -, dass
wir 168 zusätzliche Lehrer brauchen, von denen wir hier reden. Ich denke, dass
wir, wenn wir aus diesem Kontingent der 332 Lehrer, resultierend aus der
Erfüllung des Finanzausgleichs, 168 zusätzliche Lehrer für das Schuljahr
2006/2007 bekommen werden, mit jener Zahl an Lehrern ausgestattet sein werden,
die nötig ist, um diesen knapp 10 000, diesen 9 800 Kindern die
entsprechende Förderung zukommen zu lassen.
Sie sehen also, dass wir hier in einer Entwicklung
sind, die natürlich im Einklang mit einer Grundauffassung steht, die wir hier
vertreten: Schule ist vom Bund zu bezahlen. Das fordern wir ein, das tun wir
auch. Ich denke, dass es bei Erfüllung dieser Forderung nach 168 Lehrern
auch entsprechend funktioniert.
Was das Vorarlberger Modell betrifft, so überzeichnen
Sie dieses. Denn ähnlich, wie wir das auch in Wien durchführen, gibt es ein
wesentliches Prinzip, und das heißt Freiwilligkeit. Die Freiwilligkeit gilt
auch in diesem Modell in Vorarlberg für Lehrer. Ich persönlich bin durchaus der
Auffassung, dass es extremen Sinn macht, Sprachen zu lernen, natürlich auf
freiwilliger Basis.
Es können durchaus Situationen eintreten, in denen
das nach dem Motto abläuft: Der Not gehorchend, nicht dem eigenen Triebe. Wenn
man sich beispielsweise irgendwo in Südamerika befindet, wo im Wesentlichen
auch nicht Englisch gesprochen wird, dann lernt man sehr rasch Spanisch, oder
man hungert. Solche Situationen befinden sich möglicherweise nicht in Ihrem
Erlebnisbereich, aber das kann auch noch kommen. Da lernt man dann die Sprache
sehr schnell, man lernt sie sehr rasch.
Ich halte es durchaus für sinnvoll, wenn man in
Vorarlberg Lehrer dazu animiert und auch materiell fördert, dass sie
Sprachkompetenz in türkischer Sprache erwerben. Ich kann da keinen Fehler im
Prinzip erkennen. Das heißt ja nicht, dass es keinen Unterricht in deutscher
Sprache in Vorarlberg gibt, das kann man wirklich nicht sagen. Wir sehen diese
Situation anders, wir wollen hier Lehrer zusätzlich zur Verfügung stellen,
stellen uns dabei aber niemandem in den Weg, ganz im Gegenteil, wir sehen das
auch gerne, wenn dabei andere Sprachkompetenzen erworben werden.
Aber unsere Zielsetzung ist natürlich die, dass
diejenigen Menschen, die bei uns leben, diejenigen jungen Menschen, die bei uns
in die Schulen gehen, auch Deutsch lernen. Denn es ändert ja nichts an der
Tatsache, dass ohne Kenntnis dieser Sprache der Berufsweg und auch die
Integrationsmöglichkeiten in unserer Gesellschaft sehr, sehr viel schwieriger
sind. Ohne Deutschkenntnisse wird man große Schwierigkeiten haben, eine
Lehrausbildung, eine fortführende Schulausbildung oder auch eine
Universitätsausbildung zu erwerben und sich sohin voll in die Gesellschaft
integrieren zu können. Das ist unsere Zielsetzung, die wir am Ende des Tages
erreichen wollen und sicherlich auch erreichen werden.
Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer: Danke schön. - Nächste Zusatzfrage: Frau GRin
Jerusalem.
GRin Susanne Jerusalem (Grüner Klub im Rathaus): Herr
Bürgermeister!
Sie haben mich vorhin darauf
hingewiesen, dass die Zahl, die ich genannt habe - als ich gesagt habe, Sie
haben 1 000 Lehrer zusätzlich gefordert -, deswegen nicht richtig
ist, weil sich da Dinge überlappen und
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