Gemeinderat,
51. Sitzung vom 17.12.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 82 von 89
Da heißt es nur, es werden manche zu Themenclustern
zusammengezogen.
Nicht dass wir etwas gegen die Evaluierung der
Institute haben, und wir hatten auch nie etwas dagegen. Ich glaube, es ist
notwendig, dass auch im Forschungsbereich Evaluierung Einzug hält. Aber so, wie
es passiert ist, können wir nicht nachvollziehen, warum eigentlich über die
Institute drübergefahren wurde und in einer Art und Weise hier vorgegangen
wurde, was eigentlich einer Forschungslandschaft nicht zuträglich ist, so mit
ihren Forscherinnen und Forschern umzugehen.
Es ist dann von der Ludwig Boltzmann-Gesellschaft
einiges an Richtlinien erlassen worden, wie ein zukünftiges Institut auszusehen
hat. Hier sind einige Veränderungen angestrebt worden. Im medizinischen Bereich
sollen Institute mit 15 Vollzeitbeschäftigten bestehen bleiben und im sozial-
und geisteswissenschaftlichen Bereich mit 10. Das ist relativ untypisch für die
Forschungslandschaft in Österreich und ist eigentlich völlig den bisher
bestehenden Strukturen gegenläufig, da die Ludwig Boltzmann-Institute zum Teil
sehr kleinteilig organisiert waren.
Vor allem in den medizinischen Ludwig
Boltzmann-Instituten, von denen es ja an den Wiener Gemeindespitälern sehr
viele gibt, haben vielfach mehrere ForscherInnen als Ärzte gearbeitet
beziehungsweise die Ärzte waren auch die ForscherInnen. Das hat der Ludwig
Boltzmann-Gesellschaft keinen Groschen Geld gekostet, und gerade hier wird
massiv in die Forschungslandschaft eingeschnitten.
Ich möchte Ihnen nur auszugsweise den Brief eines
Institutsleiters aus dem medizinischen Bereich vorlesen, der eigentlich ganz
klar zeigt, wie die Verärgerung in dieser Szene auch auf die Wiener SPÖ ist, da
Sie eigentlich mit diesem Akt jetzt das gutheißen, was die Ludwig
Boltzmann-Gesellschaft macht. Der Brief ist vom Ludwig Boltzmann-Institut für
funktionelle Hirntopographie und steht stellvertretend für alle anderen Ludwig
Boltzmann-Institute in den medizinischen Gemeindespitälern, die eigentlich alle
oder von denen ein Großteil von der Schließung jetzt bedroht sind. Da heißt es
nämlich:
„Nun ist es geschehen, mein eigenes Ludwig
Boltzmann-Institut für funktionelle Hirntopographie soll geschlossen werden.
Eine Gnadenfrist wird noch bis Ende 2005 eingeräumt. Ich gehöre zu den
Institutsleitern, die mit einer Evaluierung einverstanden waren. Diese
Evaluierung ist über einen Dr Van der Molen, University of Twente, Enschede,
Niederlande, erfolgt. Obwohl mein Institut wissenschaftlich hervorragend
dasteht, auch international beachtliche Publikationen mit einem Infektfaktor
von 65, soll das Boltzmann-Institut stillgelegt werden. Als Begründung werden
rein formale Gründe, das Institut sei zu klein und die Schnittstelle zwischen
Institut und Universitätsbetrieb zu verschwommen, genannt. Ferner wird
mitgeteilt, das Institut habe keine eigenen Forschungsthemen gehabt. Gerade das
Letztere ist aus-gesprochen falsch. Unsere Jahresberichte weisen eindeutig
Themengebiete auf, die nur im Institut bearbeitet wurden. Die Jahresberichte
waren aber auf deutsch verfasst, die Evaluierung jedoch auf englisch.
Meine Kritik an dieser Evaluierung ist, dass es von
vornherein eine Evaluation with the intend to kill gewesen ist.
Wissenschaftliche Verdienste werden nicht beachtet oder unter den Teppich
gekehrt und nur formale Gründe werden gelten gelassen. Die von der Ludwig
Boltzmann-Gesellschaft durchgeführte Evaluierung, wobei ich nur für mein
Institut sprechen kann, ist nicht fair und nicht gerecht abgewickelt worden.
Auch die GRÜ-NEN haben ein gutes Gefühl, was gerecht und was ungerecht
ist."
Den Rest der Dankesworte an uns, dass wir uns hier
eingesetzt haben, erspare ich Ihnen.
„Die hier nur kurz skizzierte brutale Attitüde gegen
ein renommiertes Boltzmann-Institut, welches seit 1994 besteht, sucht in der
internationalen Wissenschaft und Wissenschaftsevaluierung seinesgleichen. Die
Evaluierung durch die Ludwig Boltzmann-Gesellschaft ist in ihrer rabiaten
Vorgangsweise auch dadurch gekennzeichnet, dass das Budget meines
Boltzmann-Instituts auf 50 Prozent gekürzt wurde, weil, wie gesagt wurde,
die Evaluierung Geld kostet. Ich frage Sie: Finden Sie das in Ordnung? Mit
Geld, das dem Institut eigentlich zustand, wurde es hingerichtet."
Es ist sehr drastisch formuliert, aber wenn man mit
dem betroffenen Institut dann im Weiteren spricht, so sind die genauso
emotionalisiert, wie es in diesem Brief hinüberkommt, und entsetzt, dass es
eigentlich von Seiten der Stadt keine Möglichkeit gab, auch nur irgendwie auf
die Ludwig Boltzmann-Gesellschaft einzuwirken, obwohl der Herr
Vizebürgermeister im Vorstand dieser Ludwig Boltzmann-Gesellschaft sitzt.
Sie haben nun offensichtlich kein Problem mit der
Vorgehensweise der Ludwig Boltzmann-Gesellschaft, sonst würde dieser Akt nicht
heute zur Beschlussfassung vorliegen. Und Sie werden sich wahrscheinlich noch
mit dem Problem des Kahlschlags der Wiener Wissenschaftsszene, der dadurch
ausgelöst wird, auseinander setzen müssen. Wir haben immer wieder diese
Vorgehensweise der Ludwig Boltzmann-Gesellschaft kritisiert. Wir haben
versucht, einen Dialog mit der Ludwig Boltzmann-Gesellschaft und den
betroffenen Instituten zu führen. Der kam nicht zustande, weil es die Ludwig
Boltzmann-Gesellschaft seit 2003 ablehnt, sich mit den Instituten auch wirklich
auseinander zu setzen und auszudiskutieren, warum welche Vorgangsweise gewählt
wurde.
Wir werden aus all diesen Gründen diesem Akt nicht
zustimmen, und wir werden sehen, was mit den Gemeindespitälern, mit den Ludwig
Boltzmann-Instituten in Wien weiter passieren wird. – Danke. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer: Die
Debatte ist somit geschlossen. – Frau Berichterstatterin.
Berichterstatterin GRin Renate Winklbauer: Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Die Ludwig Boltzmann-Gesellschaft
besteht seit fast 45 Jahren. Sie ist 1960 gegründet worden, alle seine
Träger-, Organisations- und Forschungseinrichtungen.
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular