Gemeinderat,
51. Sitzung vom 17.12.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 43 von 89
niedrigsten Standards folgen und das führt auch noch zu einer zusätzlichen Rechtsunsicherheit, weil zum Beispiel der Konsument, die Konsumentin mitunter nicht weiß, welche Rechtsvorschrift jetzt gilt und noch dazu das Herkunftsland für die Kontrolle zuständig ist.
Es sind mehrere Rechtsbereiche betroffen, um aber
jetzt beim Konsumentenschutz zu bleiben, hieße das für den Fall einer Werbung,
die unlauter ist, sagen wir zum Beispiel diese klassischen Gewinnspiele, eine
Zusendung aus einem Land, wo keine Rechtsvorschriften sind, der Konsument weiß
dann nicht einmal mehr, gilt das jetzt für ihn, gilt das nicht für ihn, weil er
eigentlich wissen müsste, welche Rechtsvorschrift in dem hereinsendenden Land,
zum Beispiel in Holland oder in anderen Ländern, gilt und er noch dazu nicht
weiß, wie er sich dazu verhalten soll.
Ausnahmen sind in dieser Dienstleistungsrichtlinie
nur dort vorgesehen, wo schon liberalisiert ist, nämlich bei der Post und im
Energiebereich.
In der Entsenderichtlinie ist vorgesehen, dass die
Bestimmungen an dem Ort der Leistungserbringung vorgesehen sind, allerdings
nicht die Kontrolle. Daraus entsteht wiederum ein Problem, nämlich dass die
Kontrolle über die Einhaltung der Vorschrift eben nicht am Ort der
Dienstleistungserbringung ist, sondern am Ort des Dienstleisterunternehmens,
was es ungleich schwieriger macht, bestehende Standards durchzusetzen.
Weiters ist die Abgrenzung der
Dienstleistungsrichtlinie von der Daseinsvorsorge unklar. Es ist nicht klar,
welche Dienstleistungen nach wie vor unter die Daseinsvorsorge fallen und
welche nicht, beziehungsweise welche Richtlinie gilt. Das Herkunftslandprinzip,
wie gesagt, führt zum kleinsten gemeinsamen Nenner, was wiederum ein
Widerspruch auch zum generellen Ziel der Europäischen Union ist, nämlich
Kohäsion und Harmonisierung auf einem höheren, mittleren Niveau stattfinden zu
lassen, sondern das ist eindeutig nur eine Reduktion von Standards, von
Qualitätsstandards, VerbraucherInnenstandards und von arbeits- und
sozialrechtlichen Bestimmungen.
Wir haben auch schon Erfahrungen. Es ist ja nicht so,
dass das zum ersten Mal probiert wird. Das Herkunftslandprinzip ist zum
Beispiel in der so genannten e-Commerce-Richtlinie verankert. Dort weiß man
schon aus den Erfahrungen, dass sich dieses Herkunftslandprinzip absolut nicht
bewährt hat. Es würde das Herkunftslandprinzip, wie ich zuvor schon erwähnt
habe, auch heißen, weil die EU inzwischen 25 Mitgliedsländer hat, gelten
25 Rechtsordnungen an ein und demselben Ort und es nicht nur einem
rechtsunkundigen Laien, einer Verbraucherin, einem Verbraucher, unmöglich ist,
diese zu kennen, sondern auch eigentlich allen Experten in diesem Bereich bis
zu den Gerichten. Diese Rechtsunsicherheit trifft aber nicht nur die
VerbraucherInnen, sondern auch die heimischen Unternehmer und
Dienstleistungserbringer, weil wie soll ein kleines oder mittleres Unternehmen
sich jetzt dagegen wehren, dass ein anderer mit einem niedrigeren Standard
kommt? Und wie soll er noch dazu erkennen, ob dieser seine Standards auf
rechtlicher Basis unterläuft oder eben nicht? Es greift auch in die Subsidiarität
und in die regionalen Zuständigkeiten ein.
Ich möchte aber, weil es auch eine politische Debatte
ist und mehrere Anträge von mehreren Parteien demnächst vorliegen werden, schon
noch darauf hinweisen, dass ich finde, dass der Antrag der grünen Fraktion
durchaus Teile unseres Antrags beinhaltet und daher auch nicht problematisch
ist. Viel schwerer tue ich mir allerdings mit den öffentlichen Aussagen der
GRÜNEN, Beispiel am 27. November in der "Presse" auf
Seite 25: „Grüne wollen Nahverkehr liberalisieren". Die Presse
analysiert auch gleich, dass die Position der GRÜNEN in vielen Punkten gleich
der Position der Österreichischen Volkspartei ist, nämlich: „Die GRÜNEN haben
daher eine offizielle Position zum Nahverkehr erarbeitet, die überraschenderweise
in vielen Punkten den Plänen von ÖVP-Verkehrsstaatssekretär Helmut Kukacka
ähnelt. Auch die GRÜNEN treten dafür ein, den Wettbewerb im Nahverkehr durch
Liberalisierung zu fördern. Der einzige Unterschied zur ÖVP ist, die GRÜNEN
wollen, dass die Mittel vom Bund für den Nahverkehr großzügiger bemessen
werden." Ich würde schon gerne heute bei meinem Nachredner erfahren, ob
das der Fall ist oder nicht, weil eben die Frage des Nahverkehrs eine jener
wichtigen Fragen der Stadt Wien ist und ich ehrlich gesagt seit Ende November
stark beunruhigt über die grüne Positionierung bin, die immerhin von niemand
Geringerem als von Gabriele Moser, Nationalratsabgeordnete der GRÜNEN, stammt.
Der Kollege Gerstl hat hier auch den Antrag seiner
Fraktion gelobt. Ich möchte zum Antrag der ÖVP sagen, Sie haben sich, glaube
ich, das nicht ausreichend intensiv angeschaut. Sie schreiben vom
Wim-Kok-Bericht und schreiben richtigerweise, dass Fritz Verzetnitsch als
ÖGB-Präsident und als ehemaliger Präsident des Europäischen Gewerkschaftsbundes
beigezogen war. Wenn man allerdings den Kok-Bericht liest, dann weiß man auch,
dass er nach wie vor Wert auf eines der Lissabon-Ziele legt, nämlich die
soziale Kohäsion zu erhalten und dass auch die Lissabon-Strategie einen
Schwerpunkt auf Bildung und Ausbildung legt und dass er gerade mit der
Dienstleistungsrichtlinie auch Bildung und Ausbildung dem nationalen Standard,
also dieser Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners folgt, also nichts nützt.
Wim Kok betont in seinem Bericht vor allem die Säumigkeit der nationalen
Regierungen, in Bildung und Ausbildung zu investieren. Wenn dann eine Wiener
Landesorganisation das anführt, denke ich mir, wenn Ihnen das ein Anliegen
wäre, dann müssten Sie eigentlich einmal die von Ihnen geführte Bundesregierung
auffordern, hier nicht so säumig zu sein, sondern mehr in Bildung und
Ausbildung, in Forschung und Entwicklung zu investieren. (Beifall bei der
SPÖ.)
Ich
möchte noch sagen, dass ich in zunehmendem Maße die ÖVP nicht verstehe. Ich
habe bis jetzt die politische Parteienentwicklung so eingeordnet: Die
Sozialdemokratie ist stärker auf die Interessen der Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer orientiert und die ÖVP
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