Gemeinderat,
51. Sitzung vom 17.12.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 44 von 89
ist stärker auf die
Interessen der Wirtschaft und der Gewerbetreibenden orientiert. Ich dachte
immer, das sei ihr starkes Rückgrat und verstehe daher nicht, warum sich immer
in den einzelnen Politikbereichen immer mehr herausstellt, dass Ihnen
eigentlich die Interessen der ehemals Ihnen zugehörigen Klientel egal sind,
denn gerade diese Dienstleistungsrichtlinie läuft den Interessen der Klein- und
Mittelbetriebe in Österreich entgegen, bringt für die Klein- und Mittelbetriebe
Rechtsunsicherheit. Das sind nämlich diejenigen, die nicht die Chance haben,
sich niedrigere Qualitätsstandards heraussuchen zu können, sondern die vor Ort
sind, deren Arbeit unterlaufen wird, die einen starken Wettbewerbsnachteil
erlangen würden und auch keine Chance mehr haben, gegen unlautere
Rechtspraktiken einzuschreiten, würde diese Richtlinie durchgezogen werden. In
diesem Sinne bin ich wirklich immer wieder verwundert, wie Sie einfach die
Wahrung der sozialen Standards am österreichischen Arbeitsmarkt in Ihren Antrag
schreiben und die Interessen der erzeugenden Klein- und Mittelbetriebe hier in
Österreich eigentlich vollkommen negieren.
Unser Antrag hingegen, das
möchte ich betonen, ist wesentlich. Weil der Kollege Gerstl gemeint hat, man
könnte seinem durchaus zustimmen und es hätten sich damit alle anderen
erübrigt, möchte ich schon noch einmal erklären, warum es sich nicht erübrigt
hat, unseren Antrag zu beschließen. Wir gehen detaillierter darauf ein und
formulieren, wo unsere Wünsche liegen: Vertragliche Absicherung der
Handlungsspielräume für die Gebietskörperschaften, vor allem im Hinblick auf
die Daseinsvorsorge, keine Diskriminierung heimischer Dienstleistungsanbieter -
ein Punkt, der anscheinend inzwischen der Sozialdemokratie und dem
sozialdemokratischen Wirtschaftsverband ein stärkeres Anliegen als der ÖVP und
der Wirtschaftskammer ist -, kein Verwaltungsmehraufwand und vor allem die
Informationspflicht und keine Umgehungsmöglichkeiten in Sicherheits-, Arbeits-,
Verbraucher- und Verbraucherinnen-, Umwelt- und Gesundheitsschutz sowie
Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten auch vor Ort. Das fordern wir.
Ich möchte auch betonen,
dass unser Antrag die gemeinsame Position aller österreichischen Bundesländer
eingearbeitet hat und ich eigentlich daher davon ausgegangen bin, dass er somit
für alle vier Parteien hier im Hause so beschließbar ist. (Beifall bei der
SPÖ.)
Vorsitzende GRin Renate Winklbauer:
Als nächster Redner zum Wort gemeldet ist Herr GR Margulies. – Bitte.
GR Dipl Ing Martin Margulies
(Grüner Klub im Rathaus): Frau Vorsitzende! Herr Berichterstatter!
Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich möchte ebenfalls bei der
so genannten Bolkestein-Richtlinie fortsetzen, insbesondere deshalb, weil der
Nachfolger, Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy auch nicht unbedingt hoffen
lässt, dass im Bereich von weiteren Liberalisierungsbestrebungen die EU endlich
eine andere Richtung einschlägt.
Dennoch vielleicht ganz kurz
zu der von Andreas Schieder angesprochenen Nahversorgungsdebatte innerhalb der
GRÜNEN. Wer die Wiener GRÜNEN kennt, weiß, dass unsere Position, was
Liberalisierungsschritte betrifft, relativ klar ist, insbesondere wenn es um
den Bereich der Daseinsvorsorge geht. Uns ist der Ausdruck
"Dienstleistungen im öffentlichen Interesse" lieber.
Selbstverständlich umfasst das auch den Nahverkehr. Dass es in einer Partei wie
den GRÜNEN natürlich auch Menschen gibt, die nicht unbedingt die Meinung der
Wiener GRÜNEN teilen, ist vollkommen klar, aber wir sind nicht diejenigen, die
mit den Freiheitlichen eine Koalition machen, wie in Kärnten, die mit der ÖVP
eine Koalition machen, wie in Salzburg, die allein regieren et cetera. (GR Christian Oxonitsch: Und was ist in
Oberösterreich?) - Ja, es gibt in Oberösterreich
einmal Schwarz-Grün, das stimmt, aber wir sind nicht die Partei der
Beliebigkeit, so wie Sie es darstellen. Auch wenn Sie heute glücklicherweise
hier im Landtag gegen die Bolkestein-Richtlinie auftreten, straft Sie Ihre
konkrete Arbeit in Wien Lügen. Sie gliedern in unterschiedlichsten Bereichen
aus und verkaufen diese Art der Liberalisierungsbestrebungen dann auf einer
ganz anderen Ebene. Daher, lieber Andreas Schieder, wenn du über die Wiener
GRÜNEN sprichst und uns etwas vorwerfen willst, dann sprich über die Wiener
GRÜNEN.
Eine letzte Antwort dazu:
Die Position von Gabriele Moser ist nicht die offizielle Position der GRÜNEN.
Lies das Programm der Bundes-GRÜNEN. Aber es ist ihr unbenommen zu sagen, dass
sie diesbezüglich dazu steht. Du kannst dir sicher sein, dass wir als Wiener
GRÜNE dafür eintreten werden, dass die Nahversorgung nicht liberalisiert wird.
Ich hoffe, das ist dir jetzt vollkommen klar. Ich ersuche, in Hinkunft auf
solche Sachen zu verzichten, weil, wie gesagt, es ist bedauerlich, dass die SPÖ
sogar mit dem Herrn Jörg Haider eine Koalition macht und dann versucht,
irgendwelche Unstimmigkeiten innerhalb der GRÜNEN zu konstruieren.
Zurück zur Bolkestein-Richtlinie:
Wie gesagt, es ist sehr erfreulich, dass Sie diesmal mitgehen. Dennoch möchte
ich, sage ich jetzt einmal, ein bisschen politischer an diese ganze Sache
herangehen, weil diese weitere Sortierung des Wettbewerbs in der Liberalisierung
hat als Hintergrund diesen gesamten neoliberalen Hintergedanken. Ich glaube,
dass es höchst an der Zeit ist, sich diesen Neoliberalismus einmal genau
anzuschauen, denn dann wird man darauf kommen, dass er nicht nur die sozialen
Probleme nicht löst, die ökologischen Probleme nicht löst, sondern dass der
Neoliberalismus in Wirklichkeit aus ökonomischer Betrachtungsweise in Summe
eine Beleidigung für die Intelligenz einer Gesellschaft ist, weil wenn man sich
die Entwicklung in Europa, wo Wettbewerb forciert wurde, wo Privatisierungen
forciert wurden et cetera, ansieht, so hatte Europa in den letzten
50 Jahren noch nie so viele Arbeitslose und in den letzten 20 Jahren
so eine Wirtschaftskrise. (GR Gerhard
Pfeiffer: Was schlagen Sie vor?) Wo ist denn der erhoffte Aufschwung, der
gerade von den Forcierern der weiteren Liberalisierung und von den
Privatisierungsfetischisten versprochen wurde? Wo ist der Aufschwung, der dazu
geführt hätte, dass die Arbeitslosigkeit
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