Gemeinderat,
46. Sitzung vom 23.09.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 70 von 119
wahrscheinlich nicht so im Detail diesen Akt kennen.
Also was verbirgt sich hinter dem Verkauf der Liegenschaft EZ 3524,
KatG Brigittenau? Das ist ganz einfach der Verkauf des ehemaligen Männerheims
Meldemannstraße an die Firma Auto-Abbeförderung, Auto-Abschleppdienst,
Auto-Bergung, Auto-Rettung Toman & Co, Inhaber Max Haas Gesellschaft mbH
Auf Anfragen sowohl im Ausschuss auch als auch in der Landesregierungssitzung,
was denn diese Firma gedenkt, künftig mit der Liegenschaft zu machen, war es
zumindest bis jetzt nicht möglich, eine Auskunft zu erhalten. Letztendlich hat
es immer geheißen: „Wir wissen es eigentlich nicht." Gerüchte gibt es
bereits. Man geht davon aus, dass hier ein Billighotel errichtet werden soll.
Ich glaube, ich muss Ihnen allen wohl nicht erzählen, wer in diesem Heim
in der Meldemannstraße eine Zeitlang gewohnt hat. Es ist eine Person, die jedenfalls
für Deutschlands und Österreichs Geschichte eine große Rolle gespielt hat, eine
Zeitlang eine sehr traurige Rolle. Jedenfalls gibt es diesbezüglich
Befürchtungen, sofern hier ein Billighotel errichtet wird, dass mitunter die
Tatsache, dass Adolf Hitler dieses Heim in seiner Jugend bewohnt hat, sehr wohl
ein Anziehungspunkt für ziemlich fragwürdigen Tourismus in dieser Stadt werden
könnte. Ich sehe, der Herr Stadtrat freut sich bereits, denn er lacht.
Wenn man sich diesen Akt genau anschaut, findet man darin einen Brief
voller Besorgnis, von niemand Geringerem als dem Herrn Bezirksvorsteher Lacina,
der immerhin für diesen Bezirk spricht. Für diejenigen von Ihnen, die es
vielleicht noch nicht gehört haben, der Bezirk hat darüber beraten und die Fraktionen
sind eindeutig der Meinung, dass es keine gute Idee ist und dass sie das nicht
wollen, was wir hier heute vorhaben. Weil ich, wie gesagt, davon ausgehe, dass
die meisten diesen Brief noch nicht gelesen haben, möchte ich ihn Ihnen von
dieser Stelle aus vorlesen, denn etwas anderes habe ich dem dann nicht mehr
hinzuzufügen. Ich kann nur mehr sagen, ich schließe mich dieser Stellungnahme
des Herrn Bezirksvorstehers vollinhaltlich an.
Der Brief richtet sich an den Herrn VBgm Rieder und lautet wie folgt:
„Sehr geehrter Herr Vizebürgermeister! Lieber Freund!
Mit großem Erstaunen musste ich den Medien am Samstag, dem 7.8.2004,
entnehmen, dass am 11.8.2004" - das war also bereits im August – „das
ehemalige Männerheim Meldemannstraße in einem Bieterverfahren endgültig
verkauft werden soll. Die Interessentensuche wurde in einem Gespräch
vereinbart, weitere Informationen waren nicht gegeben beziehungsweise nur auf
Aufforderung und Bitten." - Soviel vielleicht zum Thema Umgang mit den
Bezirken, aber das soll andernorts einmal erörtert werden. – „Es gibt zwei
verschiedene Gesichtspunkte bei dem Verkauf der Immobilien. Erstens: Der
wirtschaftliche Standpunkt: die MA 69 hat den Auftrag, das beste Euroergebnis
zu erzielen." - Ja das stimmt. – „Zweitens: Die gesellschaftspolitische
Verpflichtung der Stadt und des Bezirkes, der älteren Generation lebenswertes
Altern zu garantieren.
Zu Punkt 1: Für die angrenzenden Liegenschaften der ehemaligen Firma
Wabco-Westinghaus und NÖM wurde im Jahre 99 im Rahmen eines Wettbewerbs ein
qualitätsvolles städtebauliches Leitbild entwickelt. Selbst-verständlich wurde
auch auf das Männerheim Bezug genommen. Fachhochschule, IT-Cluster, Handelsschule
beziehungsweise Handelsakademie sowie rund 400 Wohnungen sind nicht nur
geplant oder fertig. Die restlichen Bauvorhaben werden spätestens im
Frühjahr 2005 begonnen werden.
Dazu: Die Architektur würde sich für ein Billighotel bis zu
1 000 Betten eignen. So auch der 'KURIER'. Städtebaulicher
Wahnsinn.", meint nun der Herr Bezirksvorsteher, „Was ist mit
Busparkplätzen? Was ist mit PKW-Parkplätzen? Billighotel, besuchen Sie die
Gedenkstätte für Ewiggestrige, ist für mich eine große Gefahr." - Meine
Damen und Herren, auch ich sehe es so. – „Andernfalls jetzt", setzt der
Brief fort, „Fitnesszentren in dieser Größe. Was ist mit den PKW-Parkplätzen?
Oder aber auch Wohnbau. Wo ist die soziale Infrastruktur? Auch hier: Wo sind
die PKW-Parkplätze?
Es werden Entscheidungen ohne den Bezirk getroffen! Entscheidungen,
welche nicht mehr reparabel sind. Als Bezirksvorsteher muss ich das ablehnen.
Und jetzt zu Punkt 2: Ich rufe in Erinnerung, hier geht es um die
gesellschaftspolitischen Verpflichtungen der Stadt Wien, auch um die
sozialpolitischen Verpflichtungen. Das Strategiekonzept für die Betreuung älterer
Menschen in Wien, Stand 16. Juni 2004, also erst vor ein paar
Monaten, hält Folgendes fest:
Klare Zielsetzungen, Rückbau bei
Großeinrichtungen auf eine zumutbare und überschaubare Größe bis 2010 unter
besonderer Berücksichtigung der Versorgungssicherheit. Das Angebot muss stärker
dezentral und wohnortnahe ausgebaut werden. Das heißt, bei Neubauten oder
Neunutzungen ist auf ein ausgewogenes Angebot innerhalb Wiens zu achten.
In der Leopoldstadt und der Brigittenau gibt es keine derartige
Einrichtung, außer in den drei Pensionistenwohnhäusern, die voll ausgelastet
sind. In diesen beiden Bezirken leben 13 305 Menschen, welche
75 Jahre und wesentlich älter sind, das sind mehr als 10 Prozent der
Wiener Bevölkerung in diesem Alter. Die Erreichbarkeit für Ehepartner,
Angehörige sowie Nachbarn oder Freunde ist bestens gegeben, sofern man das …“
Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer (unterbrechend):
Frau GRin Mag Vassilakou, ich habe jetzt ein leichtes Problem.
GRin Mag Maria Vassilakou (fortsetzend): Sie werden
sehen, Herr Vorsitzender, wenn Sie mir 3 Minuten geben, ich komme gleich
zum Schluss ... (GR Harry Kopietz: Das geht leider nicht!)
Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer (unterbrechend):
Entschuldigung, wir haben eine demokratisch gemeinsam beschlossene
Geschäftsordnung, und es ist 16 Uhr.
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