Gemeinderat,
45. Sitzung vom 01.07.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 70 von 93
beschreibt, und zwar jetzt erst, während die Untersuchungskommission getagt hat. Es war am 20. Mai, dass das publiziert worden ist. Er schreibt: "Dahindämmern von 7 bis 17 Uhr, dann die letzte Mahlzeit und der pharmakologische Gutenachtkuss. Infolge Personalmangels kaum ein Tag-Nacht-Rhythmus, dafür ein sich ausbreitender sozialer und therapeutischer Nihilismus."
Wir werden dafür eintreten, dass das der
Vergangenheit angehört und dass wir in Zukunft für unsere Alten eine bessere
Versorgung haben. (Beifall bei der FPÖ.)
Vorsitzende GRin Renate Winklbauer: Zu
Wort gemeldet ist Frau GRin Dr Laschan. Ich erteile es ihr.
GRin Dr Claudia Laschan
(Sozialdemokratische Fraktion des Wiener
Landtags und Gemeinderats): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrter
Herr Berichterstatter! Sehr geehrte Damen und Herren!
Der Minderheitsbericht der Oppositionsfraktionen zeigt
deutlich die Herangehensweise an eine ernste, komplexe und differenziert
anzugehende Problematik, nämlich den Umgang der heutigen leistungsorientierten
Wettbewerbsgesellschaft mit älteren und alten Menschen. Das Wort
"Wettbewerb" besagt schon, dass es Gewinner und Verlierer gibt, und
die alten Menschen zählen sicher nicht zu den gewinnenden. Alter, Krankheit,
Armut und Tod sind Tabuthemen, die mit den Idealen gesund, reich, jung und
schön nichts zu tun haben. (GRin Dr Sigrid Pilz: Ein Wettbewerb ist das
gewesen?)
Menschen mit Krebserkrankungen berichten, dass durch
den chemotherapiebedingten Haarverlust, also durch das Offensichtlichwerden
einer schweren Erkrankung, Schwierigkeiten mit ihrem Freundes- und
Bekanntenkreis auftreten, nämlich dass sie gemieden werden.
Und diese Hilflosigkeit, dieses
Nicht-auseinander-setzen-Können oder -Wollen mit Endlichkeit, also mit dem Tod,
findet sich auf vielen Ebenen wieder, in der Familie, in der Werbung, in der
Arbeitswelt, in der Freizeit und auch in der politischen Diskussion um die
Pflege und Betreuung älterer Menschen. Ich fordere keine Betroffenheit, weil
Betroffenheit, die ist meistens gegeben, nämlich persönliche subjektive
Betroffenheit, das Erinnertwerden an die eigene Endlichkeit, das eigene Altern
und das eigene Kranksein.
Mit dieser Form von Betroffenheit wird in der
Öffentlichkeit ein unwürdiges Spiel getrieben. Das passt in die egozentrisch
orientierte Ellbogengesellschaft.
Ich fordere ein paar Ziele: Das
ist Einfühlungsvermögen, der Versuch, sich in den anderen hineinzuversetzen,
und ich fordere eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Ziel, die Situation
alter und sehr alter Menschen zu verbessern. Und dieser Minderheitsbericht
zeigt, wie die Herangehensweise der Oppositionsparteien ist. Teilweise
unsachlich, mit Gefühlen spielend und pauschalierend. Ich möchte Ihnen das an
Hand einiger Punkte vorführen.
1. Punkt: Es wird behauptet, zwei Sachwalter hätten
sich über Mängel bei der Pflege beschwert. Richtigstellung: Der einvernommene
Sachwalter sagte aus, dass Pflegemängel nicht der Beschwerdeinhalt gewesen
seien.
2. Punkt:
Der ärztliche Diskurs erfolgte nicht regelmäßig. – Ich möchte nur darauf
hinweisen, dass "Diskurs" Wortwechsel und Gedankenaustausch heißt und
dass das richtige Wort "Decurs" heißt, nämlich der Verlauf, Decursus
morbi, der Verlauf einer Krankheit. Und dieser Fehler ist kein
Flüchtigkeitsfehler, sondern der Ausdruck der fachlichen Ignoranz und der
Schlagwortideologie. Flüchtigkeitsfehler sind genug andere drinnen, auf die
ich, weil ich nicht kleinlich bin, nicht eingehen will, aber dieser ist kein
Flüchtigkeitsfehler, sondern ein Symptom.
3. Punkt:
Weder gegen den massiven Personalmangel noch gegen die veraltete Bausubstanz
wurden Maßnahmen gesetzt, steht in Ihrem Minderheitsbericht. – Wahr ist, dass
laufende Personalakquirierungsmaßnahmen stattgefunden haben, dass es eine
Anhebung der Mitarbeiterzahl gegeben hat, dass es wesentlich mehr Personal in
den öffentlichen als in den privaten Häusern gibt, dass es eine kontinuierliche
Bettenreduktion gegeben hat, dass es Baumaßnahmen in allen alten Einrichtungen
gegeben hat und dass es schließlich und endlich zwei Neubauten gegeben hat, ich
sage nur Floridsdorf und Geriatriezentrum Süd. Ich weiß nicht, ob das ein
Phantasiegebilde ist, das ich nur so sehe vor mir, oder ob wir uns dort nicht
auch zur Geriatriekommission fünf Mal getroffen haben. Also von "keinen
Maßnahmen" kann nicht die Rede sein.
4. Punkt:
Es werden überhaupt keine Therapien durchgeführt, steht im Minderheitsberichts.
– Ich kann aus keiner einzigen Zeugen- oder Sachverständigenaussage einen
Hinweis auf diese Behauptung entnehmen.
5. Punkt,
zum Stichwort "fehlende Kontrolle". – Ich möchte nur darauf
hinweisen, noch einmal, dass die StRin Pittermann – und das haben Sie in Ihrem
Minderheitsbericht immerhin erwähnt – im Jänner 2002 die Überprüfung der
privaten und öffentlichen Pflegeheime angeordnet hat und angewiesen hat durch
die MA 47.
6. Punkt: Es wird behauptet, dass die StRin
Pittermann keine notwendigen Maßnahmen im Pflegebereich gesetzt hätte. – Wieder
eine Pauschalierung und falsch. Ich sage nur Stichwort "Schließung der
Ghelengasse", ein privates Heim, wo untragbare Zustände geherrscht haben.
Das wurde geschlossen, und das ist, wie wir wissen, keine einfache Sache, ein
Haus zu schließen.
Zweiter Punkt vom 6. Punkt: Ehmsen-Höhnl hat in ihrer
Aussage bestätigt, dass sie von der StRin Pittermann zur strengen Kontrolle der
städtischen Heime aufgefordert und ermuntert wurde. Nachzulesen im Protokoll.
7. Punkt: Konkretes Zitat. Es steht in Ihrem
Minderheitsbericht: "Ob im jeweils konkreten Fall Gefahr in Verzug ist und
daher eine intensivere Suche stattzufinden hat, entscheidet der diensthabende
Arzt. Ob damit die Entscheidung in den richtigen Händen liegt, ist zu
bezweifeln." Bei diesem letzten Satz handelt es sich, würde ich meinen, um
eine wertende Formulierung, die jeder sachlichen Grundlage entbehrt und wo ich
mich nicht erinnern kann, dass wir da eine Diskussion in der
Untersuchungskommission gehabt hätten.
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