«  1  »

 

Gemeinderat, 45. Sitzung vom 01.07.2004, Wörtliches Protokoll  -  Seite 63 von 93

 

Führungsstrukturen und schlechte Bezahlung verfestigen die Personalmisere.

 

Der Kasernencharakter der Großpflegeheime wird seit Jahrzehnten unhinterfragt hingenommen und mit dem Hinweis "alte Menschen wollen doch nicht allein sein" legitimiert. Behördliche Kontrollen durch den Magistrat wurden in den öffentlichen Pflegeheimen nicht durchgeführt, nach dem Motto: "Was niemand weiß, macht niemand heiß!" Die Anforderungen der Pflegedokumentation waren und sind nach wie vor praxisfremd und führten zu keiner Qualitätsverbesserung.

 

Die kollegiale Führung, das Management des KAV und die politisch zuständigen Stadträte und Stadträtin haben Verantwortung an die jeweils andere Stelle delegiert. Durch die vielen Hierarchieebenen nahm letztlich niemand Verantwortung und Steuerung wahr. Die Dienstaufsicht hat versagt, unnötig viele Hierarchieebenen - Stationsschwester, Stationsärztin, Oberschwester, Oberärztin, Primarärztin, kollegiale Führung, verschiedene Stellen im KAV und Magistrat - und ein ineffizientes Beschwerdemanagement lassen Mängel und Missstände über Jahre unentdeckt und ohne Konsequenzen. Freiheitsbeschränkende Maßnahmen werden ohne gesetzliche Regelung gesetzt.

 

Die kollegiale Führung und die Leitung im KAV lassen die MitarbeiterInnen mit diesen schwierigen Problemen vollkommen allein. Die Heimordnung für die Pflegeheime der Gemeinde Wien enthält weniger Rechte für die BewohnerInnen als das Strafvollzugsgesetz für die Unterbringung in Gefängnissen.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das alles ist ein Bankrotterklärung sozialdemokratischer Politik. Betroffen sind die pflegebedürftigen Menschen dieser Stadt, Menschen, die dazu beigetragen haben, dass wir heute in dieser schönen Stadt gut leben können. Es ist unsere verdammte Pflicht, und zwar wirklich die Pflicht von uns allen, alles zu unternehmen, um die Lebensbedingungen dieser Menschen, die heute pflegebedürftig sind, aber auch in Zukunft für alle, die einmal in diese Situation kommen, zu verbessern und zu ändern. (Beifall bei ÖVP, FPÖ und GRÜNEN.)

 

Vorsitzende GRin Renate Winklbauer: Ich eröffne die Debatte, wobei ich bemerke, dass die Gesamtdauer der Debatte mit maximal fünf Stunden begrenzt ist. (GRin Dr Sigrid Pilz: Werden wir nicht auskommen!)

 

Die Geschäftsordnung sieht im § 39b Abs 6 vor, dass die Redezeit pro Redner 15 Minuten beträgt. Ausgenommen von dieser Regelung sind der Bürgermeister und die amtsführenden Stadträte, deren Redezeit mit jeweils 20 Minuten begrenzt ist.

 

Zum Wort gemeldet ist Herr GR Kurt Wagner. Ich erteile es ihm.

 

GR Kurt Wagner (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtags und Gemeinderats): Frau Vorsitzende! Herr Berichterstatter! Meine Damen und Herren!

 

Sie erlauben mir ebenfalls, mich - und das ist im Prinzip jetzt nicht ein Kompliment, sondern eine Gegebenheit der Zeit - meiner Vorrednerin anzuschließen, auch ich werde mich bemühen, es aufgrund der fortgeschrittenen Zeit besonders kurz zu halten. Nichtsdestoweniger erlauben Sie mir aber, hier auf sie kurz zu replizieren.

 

Meine Damen und Herren! Wenn die Kollegin Korosec meinte, die sozialdemokratische Fraktion in der Untersuchungskommission hätte Zeugenaussagen keinen Respekt gezollt, dann darf ich das wieder auf das Entschiedenste zurückweisen. Von uns können Sie nicht behaupten, dass wir bei Zeugenaussagen ein Verhalten gegenüber Zeugen gezeigt hätten, das Anlass zur Kritik gegeben hätte. Umgekehrt kann man hier sehr wohl einiges vorbringen.

 

Lieber Herr Kollege Dr Serles, Sie haben heute Vormittag ein Zitat getätigt, worauf ich jetzt antworten möchte. Sie haben heute gesagt, die Sozialdemokratie im Rathaus würde versuchen, die Opposition mundtot zu machen. (StRin Karin Landauer: Ja!) Ich kann Ihnen eines sagen: Wir sind weit davon entfernt, und uns würde das nicht einfallen! So höre ich Sie zum Beispiel viel zu gerne reden und diskutiere viel zu gerne mit Ihnen. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

 

Wer vielleicht in der Vergangenheit versucht hat, politisch Andersdenkende mundtot zu machen - Sie werden sich vielleicht erinnern können, dass es eine Aussage gab: Wenn Politiker im Ausland Bemerkungen machen, die nicht ganz konform mit der Regierungspolitik sind, dann hätte sich ein Politiker durchaus damit anfreunden können, ebendiese andersdenkenden Politiker strafrechtlich zu verfolgen. Der damals amtierende Justizminister hat dazu gemeint, diese Idee wäre überlegenswert. Sie werden es nicht glauben, wer dies war: Landeshauptmann Dr Jörg Haider! Kein Mensch von unserer Partei würde auf so eine Idee kommen. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

 

Meine Damen und Herren von der Opposition! Was Sie aber in der Untersuchungskommission fallweise verwechselt haben, ist dass die Untersuchungskommission Aufträge hat, nämlich zu untersuchen, Wahrheiten zu hinterfragen; sie ist aber kein Tribunal. Frau Dr Pilz und Herr Dr Serles, Sie sind in dieser Untersuchungskommission keine Chefankläger und keine Oberstaatsanwälte gewesen. Dafür hatten wir einen sehr korrekt agierenden Vorsitzenden, einen Juristen, und seinen Stellvertreter, einen Notar, bei denen ich mich bei dieser Gelegenheit für die korrekte Verhandlungsleitung und -führung namens unserer Fraktion sehr herzlich bedanken möchte. (Beifall bei der SPÖ. - Zwischenruf des GR Günther Barnet.)

 

Meine Damen und Herren! Wir haben heute wieder von meiner Vorrednerin Korosec ein Lehrstück an demokratiepolitischen Vorstellungen erlebt, allerdings ist es nur bei dem Lehrstück geblieben. In der Praxis ist jene Partei, der Kollegin Korosec angehört, selbst Lichtjahre davon entfernt. In Wien, meine Damen und Herren, hat die Untersuchungskommission neun Monate lang intensivst getagt. Auf Bundesebene könnte sie nicht einmal einen Tag tagen, weil es dieses Recht von Oppositionsparteien schlichtweg nicht gibt. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Wien hat als einziges Bundesland die Möglichkeit

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular