Gemeinderat,
45. Sitzung vom 01.07.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 62 von 93
Betten, die bis zu 100 Prozent betragen hatte, macht aber auch verständlich, dass eine radikale Absystemisierung der Bettenanzahl pro Zimmer insbesondere in den älteren Anstalten, in denen 70 Prozent der Pflegepersonen untergebracht waren, eine Gefährdung bei der Versorgungssituation der pflegebedürftigen Menschen mit sich gebracht hätte.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben in
der Untersuchungskommission zusätzlich zu diesen Feststellungen und
Schlussfolgerungen auch den gesellschaftlichen Wertewandel angesprochen. Durch
diesen gesellschaftlichen Wertewandel sind auch die Leistungsansprüche im
Geriatriebereich in den letzten Jahren gestiegen.
Dieser Entwicklung trägt die Stadt Wien nun mit der
Vorstellung der Pflegeoffensive 2010 Rechnung. Grundsätzlich hat Bgm Dr Michael
Häupl neben der Zusicherung der Bereitstellung der notwendigen Mittel auch auf
die Bedeutung des Ausbaus der Pflege zu Hause und auf neue Wohnformen
hingewiesen. Er erachtete es in der Kommission auch als wichtig, die Menschen
so lange wie möglich in ihrer vertrauten Umgebung zu behalten und ihnen dort
eine adäquate Pflege zukommen zu lassen. (StRin Karin Landauer: Der Herr
Bürgermeister hat gesagt, dass er politische Verantwortung übernimmt! Das haben
Sie nicht dort stehen!) Deshalb wird die Einrichtung dieser Wohnformen -
auch in Kooperation mit Privaten - forciert. Zu diesem Zweck ist auch der
Einsatz von Wohnbauförderungsmitteln von großer Bedeutung und eine Kürzung
dieser Mittel, wie sie derzeit auf Bundesebene diskutiert wird, keineswegs
tragbar.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der Wiener
Pflegeoffensive 2010 soll nun eine umfangreiche Geriatriereform der Stadt
umgesetzt werden. (StRin Karin Landauer: 20 Jahre zu spät!) Im
Rahmen der Geriatriekommission wurde dazu auch ein Bericht erarbeitet. Ich
stelle daher den Antrag, diesem Bericht der Untersuchungskommission
zuzustimmen. - Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)
Vorsitzender GR Günther Reiter: Danke schön,
Herr Berichterstatter. - Ich bitte nunmehr die Minderheitenberichterin, Frau
GRin Korosec, um ihren Debattenbeitrag. Ihre Redezeit beträgt 30 Minuten.
Berichterstatterin GRin Ingrid Korosec:
Herr Vorsitzender! Frau Stadträtin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Nachdem schwerwiegende Missstände im Geriatriezentrum
Wienerwald an die Öffentlichkeit gedrungen sind, wurde eine gemeinderätliche
Untersuchungskommission eingesetzt, die von den drei Oppositionsparteien gefordert
wurde. Diese Untersuchungskommission hat seit dem vergangen Oktober intensiv
gearbeitet, ca 800 Seiten Protokoll liegen vor.
Im Zuge der zahlreichen Befragungen von Zeugen hat
sich die politische Verantwortung der Wiener SPÖ für die skandalösen Vorfälle
manifestiert. Im Juni wurde ein Toter auf dem Dachboden des GZW gefunden, was
ebenfalls auf die falschen Strukturen und auf die massiven baulichen Mängel
zurückzuführen ist. Daher und auch aus vielen anderen Gründen wäre es unbedingt
notwendig gewesen, dass die Untersuchungskommission ihre Arbeit bis in den
Herbst fortsetzt. (Beifall bei ÖVP, FPÖ und GRÜNEN.) Weitere Zeugen
sollten befragt werden und Beweisanträge eingebracht werden. Die
Mehrheitsfraktion hat es abgelehnt!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die
Untersuchungskommission wurde nicht den Vorschriften der Wiener Stadtverfassung
entsprechend durchgeführt. Es wurden die Minderheitenrechte, welche einem
Drittel der Mitglieder der Untersuchungskommission zustehen, nicht ausreichend
berücksichtigt. Die Untersuchungskommission wurde einseitig von der SPÖ für
beendet erklärt. Die SPÖ hat bereits vor Befragung der letzten Zeugin ihren
Endbericht vorlegt und darüber abgestimmt, ohne Rücksicht auf den Wunsch der
Opposition, diese Untersuchungskommission noch fortzusetzen zur Klärung
weiterer Missstände und Mängel im Bereich der städtischen Pflegeheime, die im
Einsetzungsauftrag aufgelistet sind, nämlich Baumgarten, Liesing,
Geriatrieabteilung Otto-Wagner-Spital. Aber nicht nur die Rechte der Opposition
wurden mit Füßen getreten, sondern auch Zeugenaussagen wurde kein Respekt
gezollt.
Es liegt auf der Hand: Die SPÖ will, dass die
tatsächlich untersuchten und erwiesenen Missstände in den städtischen
Pflegeheimen möglichst vertuscht und beschönigt werden sollen. (Beifall bei
ÖVP, FPÖ und GRÜNEN.) Die derzeitige Stadtregierung hat offenbar kein
Interesse daran, Missstände und Mängel, die so gravierend sind, dass Menschen
ums Leben kommen, aufzuklären und für die Zukunft abzustellen. Das ist sicher nicht
im Interesse der Bürgerinnen und Bürger! (Beifall bei ÖVP, FPÖ und GRÜNEN.)
Meine Damen und Herren! Aus zeitökonomischen Gründen
werde ich Ihnen jetzt den Minderheitsbericht nicht vorlesen. Er wird dem
Protokoll beigegeben. Ich nehme an, Sie sind damit einverstanden. Wenn das aber
jemand wünscht, dann tue ich es natürlich. (Beifall bei ÖVP, FPÖ und
GRÜNEN.)
Lassen Sie
mich daher zusammenfassen. Die gesellschaftliche Nichtachtung alter Menschen
spiegelt sich in der jahrzehntelangen Ignoranz dieses Bereiches durch die SPÖ
und deren konkreter Politik wider. Die Untersuchungskommission hat gezeigt,
dass der jahrzehntelange Stillstand im Bereich der Pflege und Betreuung der
Bewohnerinnen und Bewohner in den städtischen Pflegheimen in die Verantwortung
des Bgm Dr Häupl, des VBgm Dr Rieder und der StRin Dr Pittermann-Höcker fällt.
Der allergrößte Teil der
Finanzmittel im Gesundheitsbereich wird den Krankenanstalten zur Verfügung
gestellt. Der ambulante und stationäre Altenbetreuungsbereich wird trotz ständig
steigenden Bedarfs chronisch unterdotiert. Zukunftsweisende Pläne - Wiener
Pflegeheimplan 2001 - und eine Vielzahl von Konzepten für eine zeitgemäße
geriatrische Versorgung verschwinden in den Schubladen. Dem Mangel an
Pflegepersonal und therapeutischem Personal wird nicht entgegengewirkt.
Schlechte Arbeitsbedingungen, verfehlte
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