Gemeinderat,
45. Sitzung vom 01.07.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 48 von 93
einfach unmenschlich ist und sie ist unmenschlich, weil zu wenigem Personal zu viel aufgebürdet ist und weil in diesem alten Gemäuer Menschlichkeit sehr, sehr schwer auch wirklich gelebt werden kann.
Ich habe dort einen Schnuppertag gemacht und
vielleicht haben Sie die Zeit, zumindest einen halben solchen zu machen, es ist
sehr lehrreich. Es ist insofern sehr lehrreich, als man einfach an Ort und Stelle
Dinge sieht, die einem nur so in ihrer sozusagen unmenschlichen Grausamkeit
auffallen und die die Leute, die dort arbeiten, gar nicht sehen können.
Da habe ich zum Beispiel um 7 Uhr bei meinem Dienstantritt
festgestellt, dass dort in einem 4-Bett-Zimmer ein toter Mensch liegt, eine
alte Dame, die in der Nacht gestorben ist und es war auch ein ganz natürlicher
Tod. Aber sie ist dort gelegen und es hatte ihr jemand das Leintuch über den
Kopf gezogen - und daneben ist gefrühstückt worden. Die Dame, der ich beim
Essen geholfen habe, hat noch erzählt, was das für eine arge Person war und
dass die immer in den Ladeln gestierlt hat und ansonsten war einfach Betrieb.
Es gab keine Würde, es gab keine Pietät, es gab nichts, was diese alte Dame,
die tot war, nicht von irgendeinem Gepäckstück, das dort liegt, unterschieden
hätte. So war es. Man hat sie liegen lassen, bis Leichenträger gekommen sind
und sie in einen Blechsarg gelegt haben. Niemand hat sie verabschiedet, niemand
hat irgendeine Art von pietätvoller Situation für sie hergestellt. Und ich will
das dem Personal, Frau StRin Brauner, nicht vorwerfen, sondern so wird damit
umgegangen!
Ich habe auf der Station auch einen Herrn getroffen,
das ist einer von den, wie Sie sagen, Entwurzelten, die im GZW nicht richtig
untergebracht sind, der im Jahr 1930 geboren wurde. 1964 ist er ins
Geriatriezentrum gekommen, da war er 34 Jahre - viel zu jung für so etwas
-, weil er Asthma hatte. Er hatte nichts anderes als schwer beherrschbares
Asthma und das hat er heute noch. Er ist dort herumgelaufen wie ein - also ich
habe das Gefühl gehabt, er ist der Hausmeister, natürlich mit dem Gefühl, dass
er hierher gehört. Und jetzt im Jahr 2004 ist er mir fürs GZW noch zu jung
vorgekommen. Ich finde es entsetzlich, ich kann es gar nicht anders sagen, dass
wir das Menschen zumuten und man hat mir und sicher wahrheitsgemäß versichert,
der will da nicht weg. Also wenn man mich von 1964 bis 2004, also
40 Jahre, im GZW unterbringt, dann will ich wahrscheinlich auch nicht mehr
weg, weil ich mir die andere Welt nicht mehr vorstellen kann.
Frau Stadträtin, der Mensch im Mittelpunkt heißt,
dass wir die Strukturen radikal ändern und das heißt für mich, Frau Stadträtin,
und das möchte ich Ihnen noch sagen, bevor Sie vielleicht eine rauchen gehen
oder sonst irgendwas machen - (Amtsf StRin Mag Renate Brauner, den
Sitzungssaal verlassend: Ich rauche nicht!) Ah, Sie rauchen nicht. (Amtsf
StRin Mag Renate Brauner: Es gibt auch andere menschliche Bedürfnisse!) -,
wenn Sie das GZW auf 1 000 Betten reduzieren, dann betrachte ich das
als eine niederschmetternde Kapitulation vor den Verhältnissen!
Ich erzähle es jetzt Ihnen, Herr Bürgermeister, weil
ich hoffe, dass Sie das auch persönlich sehr interessiert und das ist auch mein
Eindruck von Ihnen. 1 000 Betten und sind es vielleicht auch nur 800
sind immer noch nicht das menschliche Maß. Und ich glaube, Herr Bürgermeister,
dass es gut täte, wenn wir sagen, was unter Lueger gut und richtig war - damals
hat es Bettgeher gegeben und viele Menschen, die nicht einmal ein Dach über dem
Kopf hatten - und damals wurde dieses Versorgungsheim gegründet, kann doch
unter Häupl nicht mehr modern sein! Es kann nicht mehr modern sein, dass wir in
der grünen Wiese große Kästen haben, in denen wir Menschen unterbringen. Ich
sehe alle Anstrengungen, Herr Bürgermeister, in die Richtung gehen, tun wir es
modernisieren, machen wir statt 8-Bett-Zimmer - früher waren es 30-Bett-Zimmer
- am Schluss 4-Bett-Zimmer daraus, als falsch. Es wird immer ein alter Kasten
bleiben. Der Denkmalschutz wird immer grässlich im Wege stehen und es bleibt
trotzdem abgelegen und schwierig zu erreichen. Die Mitzi-Tant’ aus dem
20. Bezirk braucht eine gute Stunde, bis sie da ist, bis sie zwei Mal seit
Hietzing umgestiegen ist. Das ist nicht das Wohnortnahe, Moderne! Und wenn wir
dort immer noch sagen „Und 1 000 müssen dort sein“ so sind es, finde ich,
um 700 zuviel und zwar nicht, weil die GRÜNEN so gerne mit Zahlen feilschen,
sondern weil Unmenschlichkeit durch unmenschliche Strukturen entsteht: Es ist
ja auch kein Zufall, dass es passieren konnte, dass sich im GZW dort jemand auf
einem Dachboden verkriecht und dann eingesperrt wird, denn auf einem Dachboden
in einer kleinen Pflegeeinrichtung geht einmal in der Woche der Hausmeister
hinauf und muss da was machen oder schaut nach. Die Unmenschlichkeit entsteht
dadurch, dass es zu anonym und zu unübersichtlich ist.
Ich möchte daher an die neue Frau Stadträtin
tatsächlich appellieren, dass man die Dinge, die wir in der Geriatriekommission
alle miteinander für gut gefunden haben, auch umsetzt. Wenn wir da gesessen
sind und gesagt haben „Wie wollen wir denn selber untergebracht werden?“ dann
hat niemand gesagt „In ein modernisiertes GZW, wenn es dort nur 4-Bett-Zimmer
gibt“, sondern jeder hat gesagt „Möglichst lang zu Hause und wenn es sein muss,
in meiner Wohnumgebung“. Ich glaube, wir sind es den Menschen schuldig, dass
wir ihnen das bieten, was wir für uns selber verlangen. Insofern würde ich mir
wünschen, dass eine Phantasie, die auf 600 Betten in Baumgarten und
1 000 im GZW abstellt, viel zu kurz greift.
Herr Bürgermeister, lassen wir einen Ruck durch die
Stadt gehen und die GRÜNEN sind die Konstruktivsten an Ihrer Seite, wenn wir
sagen, wir machen Schluss mit der spitalsähnlichen übermedikalisierten
Kasernenstruktur. Das hat auch etwas mit Gebäuden zu tun und mit Standorten,
denn dort drinnen lebt sich das Leben so wie es sich jetzt seit praktisch einem
Jahrhundert lebt und es sind halt Stationen statt Wohnräume und das sind halt
entmündigende Lebensbedingungen und nicht eine Aufwertung des hohen Alters.
Dann wünsche ich mir, Frau
Stadträtin, Herr
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