Gemeinderat,
44. Sitzung vom 28.06.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 25 von 121
abgehoben wurden. Ja, ich meine, da brauchen wir
einfach mehr oder neue Ideen, um die Wirtschaft anzukurbeln. Ich sage jetzt aus
meiner Sicht, was fehlt, ist insbesondere eine aktive Industriepolitik und die
Unterstützung von gewerblichen Klein- und Mittelunternehmungen im Bereich der
Sachgüterproduktion. (Beifall bei der
ÖVP.)
Jetzt weiß ich schon, das war nie ein besonders
geliebtes Kind der Wirtschaftspolitik, weil Sachgüterproduktion klingt immer so
nach stinkenden, lärmenden, raumverzehrenden, liegenschaftsverzehrenden
Arbeitsplätzen, die noch dazu viel günstiger in anderen Staaten zu bieten sind.
Aber es ist trotzdem dramatisch, wenn ich mich dieser Herausforderung nicht stelle.
Laut Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger sind die
unselbstständig Beschäftigten in der Sachgütererzeugung in Wien von 1995 bis
2003 um fast 30 Prozent gesunken. Das ist an sich schon dramatisch. Im
Vergleich zu Österreich, wo sie nur um 7 Prozent gesunken sind, ist das
natürlich ein schlechtes Bild, auch wenn ich weiß und zugebe, dass in einem
Ballungsraum die Sachgüterproduktion natürlich immer einen anderen Stellenwert
hatte.
Wir haben ja Schwerpunkte in der Förderungspolitik in
Wien, die durchaus richtig sind und die ich auch gar nicht in Frage stellen
möchte, nämlich Innovation und Technologie, Kreativwirtschaft, für die wir ja
im Herbst vergangenen Jahres eine eigene Gesellschaft zur Betreuung gegründet
haben und die herkömmlichen Förderungsschienen, allerdings mit geringeren
Ansätzen, die aber auch hauptsächlich in den Handel und in die Dienstleistungen
fließen.
Meine Forderung wird an sich durch den Jahresbericht
des Wirtschaftsförderungsfonds bestätigt. Es ist hier davon die Rede, dass, wie
in vielen Metropolen hochentwickelter Industriestaaten, auch in Wien seit
einigen Jahren ein starker wirtschaftlicher Strukturwandel erfolgt ist. So
wächst die Zahl jener Betriebe, die unternehmensnahe Dienstleistungen anbieten
gegenüber dem Produktionssektor, der enorm stagniert. Und jetzt steht ein
bemerkenswerter Satz; ich zitiere wörtlich aus dem Jahresbericht des
Wirtschaftsförderungsfonds: „Würde man dieser Entwicklung nicht bewusst
gegensteuern, stünden wir sehr bald vor einer absurden Situation: Einem
wachsenden Angebot von unternehmensnahen Dienstleistungen steht eine ständig
kleiner werdende Zahl von Unternehmen gegenüber, die diese Dienstleistungen
nachfragen.“ Ja, meine Damen und Herren, wir können nicht damit rechnen, dass
die unternehmensbezogenen Dienstleister weiterhin den Aufschwung bewirken und
wachsen, wenn wir jene Unternehmungen verlieren, die diese Dienstleistungen
nachfragen sollen. Und ich meine, wir müssen danach trachten, dass die
strukturelle Breite der Stadtwirtschaft auch wirklich gesichert wird. (Beifall bei der ÖVP.)
Es ist ja interessant, dass ich die Bestätigung
meiner Forderung im Entwurf des Stadtentwicklungsplans gefunden habe, der für 2005
vorbereitet wird - das war auch nicht immer so - und in einem Diskurspapier,
das im Büro der Koordinationsstelle zur Umsetzung des Strategieplans in Wien im
Rahmen eines Arbeitskreises erstellt wurde, in dem im Übrigen der
Wirtschaftsförderungsfonds auch vertreten war.
Warum ist der Produktionssektor, der industrielle wie
der gewerbliche, insbesondere im Bereich der Klein- und Mittelunternehmungen
auch für eine Großstadt so unverzichtbar? Der Produktionssektor setzt
innovative Entwicklungsimpulse. Der Produktionssektor ergibt natürlich
Nachfrage nach Forschung und Dienstleistungen. Die Produkte sind in hohem Maße
exportfähig. Auch das braucht eine Kommune. Die Klein- und Mittelunternehmen,
die sehr häufig im gewerblichen Produktionssektor zu finden sind, sind
krisensicherer als Großunternehmungen, was die Arbeitsmarktsituation betrifft.
Ich glaube, das haben viele erkannt, nicht nur ich, denn ich bemerke in den
Auseinandersetzungen der letzten Zeit, dass jetzt alle Parteien, die hier
vertreten sind, neuerdings ihr Herz für die Klein- und Mittelunternehmungen
gefunden haben und dem besondere Aufmerksamkeit widmen wollen. Und der
Produktionssektor ist wichtig für die Arbeitsmarktsituation, denn nur
High-tech-Betriebe werden zu schweren Qualifikationsproblemen führen. Wir haben
die hochausgebildeten Arbeitskräfte nicht in dem Maße und wir haben die
Arbeitslosigkeit vor allen Dingen in jenen Sektoren, wo die Arbeitskräfte noch
nach herkömmlichem Muster, sage ich jetzt einmal vorsichtig, ausgebildet waren
und die natürlich nicht so schnell umqualifiziert werden können.
Und ich sage es noch einmal, es geht mir nicht um
eine veraltete Industrie, sondern es geht um die Produktion auf breiter Basis.
Was meine ich damit? Es ist ja kein Zweifel, dass wir auch in Wien eine so
genannte „Versorgungsproduktion“ brauchen. Das ist eine Wortschöpfung von mir,
Versorgungsproduktion. Wir schätzen unsere Gärtner und unsere
Landwirtschaftsbetriebe, wir müssen aber auch unsere Lebensmittelbetriebe
schätzen. Es ist ja nicht denkbar, dass wir unsere Semmeln eines Tages aus der
Slowakei oder aus Ungarn importieren. Wir brauchen intelligente Produkte. Das
ist eine lohnenswerte Produktion. Das muss nicht immer nur High-tech-Level
sein. Ich habe zum Beispiel erfahren, dass Wien einen der großen
Herzeigebetriebe hat, was die Airbagproduktion betrifft. Das ist ja was. Das
ist ein Wert für sich und hier müssen wir unterstützen.
Auch der
Wirtschaftsförderungsfonds in seinem Jahresbericht kommt zu dem Ergebnis, dass
wir neben den Bereichen Forschung und Entwicklung zum Beispiel auch den
kapitalintensiven Sparten wie der Auto- und Autozulieferindustrie unser
Augenmerk schenken müssen. Soweit befinde ich mich in ausgesprochen guter
Gesellschaft und der Stadtentwicklungsplan geht in diesem Bereich sogar noch
darüber hinaus. Es wird nicht nur ein Bekenntnis zur aktiven Industriepolitik
abgegeben, sondern auch zur Sicherung der Klein- und Mittelunternehmungen im
dichtbebauten Stadtgebiet unter dem Titel der Bestandspflege. Auch das ist ein
Ewigthema, auch von mir schon seit vielen, vielen Jahren ein Ewigthema. Ich
habe es immer schon gepredigt.
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