Gemeinderat,
42. Sitzung vom 28.04.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 50 von 76
gar nicht verstiegen, aber ungefähr auf den Punkt
muss man es leider bringen.
Das heißt, wir haben schon zwei gemeinsame Nenner
gefunden: Erstens brauchen die Arbeitslosen eine Lobby und zweitens gibt es
diese Lobby noch nicht. Das heißt, man muss eine Einrichtung schaffen, die
nicht nur Lobbyarbeit macht, sondern auch eine rechtliche Vertretung übernimmt,
berät, informiert und wirklich für die Arbeitslosen arbeitet, und zwar nur für
die Arbeitslosen und deren Rechte. Ich glaube, auch darauf könnte man sich
durchaus verständigen.
Der Herr GR Scheed hat es im Grunde genommen auch
gesagt. Er hat meiner Meinung nach nur einen argen Denkfehler drinnen. Er sagt
nämlich, wir brauchen eine Arbeitslosenanwaltschaft, aber nur, wenn sie für
alle Österreicher eingerichtet wird. Das ist praktisch, weil indem ich das nur
dem Bund zuordne, wohlwissend, dass er das nie tun wird, verzichte ich ohnehin
gleich auf die Arbeitslosenanwaltschaft. Da, wo wir etwas tun könnten, nämlich
hier im Gemeinderat, könnten wir handeln. Hier muss man diese Lobby für die
Arbeitslosen eindeutig einrichten. (GR
Godwin Schuster: Schaffen wir etwas Zahnloses!)
Das heißt, was ich jetzt gerne machen möchte, ist,
darum zu bitten, die Sache noch einmal in allen Parteien durchzudenken. Wir
sind zuständig, wir sind verantwortlich. Wir als Wiener Gemeinderat werden weder
die Arbeiterkammer noch die Gewerkschaft reformieren. Wir werden auch den Bund
nicht dazu zwingen können, eine Arbeitslosenanwaltschaft einzurichten. Im
Gegenteil, wir wissen, er wird es nicht tun. Das, was wir tun können, ist als
Wiener Gemeinderat oder als Land Wien zu sagen, wir wissen, es braucht eine
Lobby für Arbeitslose, wir richten eine ein, wir machen eine
Arbeitslosenanwaltschaft. Das können wir tun. Ich fordere Sie auf, das zu tun! (Beifall
bei den GRÜNEN. – GR Godwin Schuster: Die Menschen sind zu wertvoll für
Alibiaktionen!)
Ich habe dich nicht verstanden. (GR Godwin Schuster: Die Menschen sind zu wertvoll, als dass man ihnen
mit Alibiaktionen etwas vorgaukelt!) Sehen Sie, das ist gut! Ich möchte es
laut wiederholen. Der Herr GR Schuster hat gesagt, die Menschen seien zu
wertvoll, als dass man ihnen irgendwelche Alibiaktionen vorgaukeln sollte. Das
stimmt! In diesem Sinne sollten Sie sich möglicherweise Ihren heutigen Antrag
sparen, weil eine größere Alibiaktion ist mir selten untergekommen, als wenn
man einen Antrag stellt, der sich an eine Bundesregierung richtet, die diese
Arbeitslosenanwaltschaft mit Sicherheit nicht einrichten wird.
Keine Alibiaktion hingegen wäre es, wenn der nächste
Redner der SPÖ herauskommt und sagt: "Eigentlich ohnedies gescheit, was da
gesagt wird. Wir haben es uns überlegt, wir machen in Wien eine
Arbeitslosenanwaltschaft." (Beifall bei den GRÜNEN.)
Dann haben Sie meinen ganzen Applaus und meine ganze
Zustimmung. Wäre es nicht schön, wenn man am 1. Mai vor diese Menschen
hintreten könnte, man, anstatt nur auf den Bund hinzuhauen – was durchaus seine
Berechtigung hat – darüber hinaus noch etwas mehr zu bieten hätte als
Alibiaktionen und sagen könnte: "Passt auf Leute, wir haben eine gute Idee
gehabt. Wir haben jetzt eine Arbeitslosenanwaltschaft. Wir machen eine Lobby
für arbeitslose Menschen." (GR
Godwin Schuster: Ohne die Möglichkeit, etwas umzusetzen! Das müssen Sie
dazusagen!) – Das haben sich diese Menschen, die so wertvoll sind, wie Sie
selbst gesagt haben, auch verdient.
Ich möchte, abgesehen von dieser
Arbeitslosenanwaltschaft, meine Wortmeldung auch dazu benutzen, noch auf einige
wenige Sachen, die ohnehin schon angesprochen wurden, hinzuweisen, nämlich die
enorme Jugendarbeitslosigkeit, wo in Wien etwas geschehen muss. Wir müssen uns
etwas überlegen, um zu verhindern, dass junge Menschen so rasch wieder aus dem
Arbeitsmarkt hinausfallen oder überhaupt nicht hineinkommen. Das ist eine
menschliche, persönliche Tragödie, weil sie nirgendwo Fuß fassen können. Ich
glaube, man muss hier einen weiteren Schwerpunkt setzen. Es ist schon gefallen,
ich glaube, der Herr GR Römer hat auf die hohe Anzahl der jungen Menschen, die
keinen Berufsabschluss haben und zum Beispiel gar nicht in diesen Lehrstellenmarkt
hineinkommen, hingewiesen. Auch darüber sollten wir uns weiter den Kopf
zerbrechen.
Ich habe es nicht nur einmal gesagt, sondern viele
Male, ich bin der Ansicht, dass das duale Ausbildungssystem seit vielen Jahren
– ich sage es, glaube ich, schon seit zehn Jahren – nicht mehr ausreicht, man
nicht länger zuschauen sollte und eine zweite Schiene einrichten sollte, die da
heißt, nicht nur irgendwelche zehn Monate lang dauernde Kurse zu veranstalten (GR Godwin Schuster: Das hat sich schon
geändert! Es geht auf zwölf Monate!), sondern dass man tatsächlich eine
zweite schulische Schiene eröffnet und sagt, jeder Jugendliche, der in Wien mit
15, 16 von der Schule geht und eine Berufsausbildung braucht, hat auch das
Recht auf eine derartige Berufsausbildung. Da ist es dann egal, ob sich der
Jugendliche für das duale System oder für ein schulisches System entscheidet.
Es muss jedenfalls gewährleistet sein, dass jeder Jugendliche eine
Berufsausbildung machen kann. Darauf muss es ein Recht geben. Es kann nicht so sein,
dass dazwischen ein, zwei oder drei Jahre sind, wo dieser Jugendliche sozusagen
– ich sage es salopp – auf der Straße herumkugelt und nicht weiß, wohin er soll
und was er tun soll. Das ist ein dringendes Anliegen der GRÜNEN.
Ein zweites dringendes Anliegen
der GRÜNEN möchte ich heute jedenfalls noch einmal in Erinnerung gebracht
haben, nämlich die Forderung nach einer einkommensabhängigen Staffelung für
alles, was Eintritte, Tarife und so weiter betrifft, damit alle Menschen mobil
sind, an der Kultur und am sozialen Leben, aber durchaus auch am Sport und in
der Freizeit am Leben in Wien teilhaben können. Da wird man irgendetwas wie
eine Fairnesscard einrichten müssen, wo Menschen, die wenig Geld haben, weniger
für alles zahlen, wo die Stadt dazu in der Lage ist, das zu unterstützen, ob
das jetzt die öffentlichen Verkehrsmittel sind oder der Eintritt in
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