Gemeinderat,
42. Sitzung vom 28.04.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 16 von 76
550 000 EUR pro Monat Verzögerung.
Aber das ist noch nicht alles: Sie haben es auch
geschafft, voraussichtlich einen Run auf die Spitalsambulanzen in Wien
hervorzurufen. Da hätte ich schon auch eine Frage an Sie, meine Damen und
Herren von der Sozialdemokratie: Sind wir denn in Wien darauf vorbereitet? Sind
die Spitalsambulanzen vorbereitet auf diesen Run, der vorauszusehen ist? - Aber
vielleicht können Sie ja dann die Gelegenheit nutzen, um mir diese Frage zu
beantworten.
Sie haben es zusätzlich geschafft, die
Generika-Initiative, die geplant war, de facto auch noch rückgängig zu machen.
Sie tritt nicht in Kraft, und auch das kostet übrigens - zusätzlich zu den
550 000 EUR, von denen ich gerade gesprochen habe - noch einmal
188 000 EUR pro Monat Verzögerung.
Und was Sie, last but not least, auch noch geschafft
haben, ist höchstwahrscheinlich die Einführung eines Selbstbehalts durch die
Hintertür, wenn sich nichts ändert, und das heißt auch: Die Schaffung einer
Zweiklassenmedizin in Wien. Denn klar: Diejenigen, die besser verdienen,
fürchten sich nicht vor dem Selbstbehalt; die können dieses Geld ja locker
hinlegen. Aber diejenigen, die wenig verdienen - und das sind sehr oft ältere
Menschen, das sind sehr oft chronisch kranke Menschen, das sind sehr oft
behinderte Menschen -, genau diejenigen werden sich jetzt fragen müssen, ob sie
sich das leisten können.
Also Fazit: Was haben Sie geschafft? - Ich werde
Ihnen sagen, was Sie geschafft haben: Sie haben es geschafft, der
Gebietskrankenkasse teures Geld zu kosten - Ihre Entscheidungen sind teuer -,
und Sie haben es geschafft, uns 100 Jahre zurückzuschicken. Sprich, meine
Damen und Herren: Wer mit der ÖVP fährt, leistet sich eine teure Reise
100 Jahre zurück. Das ist die Politik, für die Sie stehen! (Beifall bei den GRÜNEN und der SPÖ.)
Meine Damen und Herren! Es gehört schon eine gehörige
Portion Masochismus dazu, wenn man das alles genau in den letzten Wochen vor
einer Präsidentschaftswahl leistet. Und die Rechnung dafür haben Sie ja
bekommen - das Wiener Wahlergebnis spricht ja Bände. Aber die Frage, die sich
stellt, ist: Wieso haben Sie das getan? - Also mir fällt es unwahrscheinlich
schwer, Ihre Motive in diesem Zusammenhang nachzuvollziehen.
Deshalb stelle ich jetzt zum Abschluss meine Frage –
und ich ersuche um Antwort in der nächsten Rede: Kann es sein, dass es Absicht
war, kann es sein, dass Ihnen die Verunsicherung und Verschlechterung der Lage
von Patientinnen und Patienten in Wien recht war, um eine rote Krankenkasse zu
zerstören? Oder kann es sein, dass Ihre gesundheitspolitische Vision lautet:
Amerikanisierung des Gesundheitssystems, Rationalisierung, Deckelung und
Verunsicherung der Menschen? Ist das Ihr Ziel?
Oder ist das alles nur darauf zurückzuführen, dass
Sie heillos zerstritten sind? Man weiß ja um die Bündestruktur in der ÖVP, und
man weiß, dass das eine Garantie für Streit ist. Ist es also eine Folge von
inkompetentem Handeln und eine Folge von Streit? - Wenn das der Fall ist, meine
Damen und Herren von der ÖVP, wären wir gerne bereit, Ihnen eine Mediation zu
empfehlen und sie auch für Sie zu bezahlen, damit die Wienerinnen und Wiener
auf das Gesundheitssystem wieder vertrauen können. (Beifall bei den GRÜNEN und bei GemeinderätInnen der SPÖ. – GR
Christian Oxonitsch: Vorsicht, Vorsicht! Das kann viel kosten! – GR Mag
Christoph Chorherr: Da müssen wir viel zahlen!)
Vorsitzender GR Günther Reiter: Zum Wort gemeldet ist Herr StR Dr Hahn. Ich
erteile es ihm.
StR Dr Johannes Hahn: Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren!
Zunächst möchte ich der sozialdemokratischen Fraktion
gratulieren zu dem Mut, dieses Thema zu wählen (GRin Mag Sonja Wehsely: Da
war nicht viel Mut notwendig! Da war wirklich kein Mut notwendig!), denn
mir ist in Wien kein Politikfeld bekannt, wo die Performance der Stadtregierung
in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten derart miserabel gewesen ist wie in
der Gesundheitspolitik. (Beifall bei der
ÖVP.) Da sage ich nur: Respekt!, denn da müssen Sie offensichtlich sehr
viel Mut gehabt haben, um dieses Thema zu wählen.
Wenn ich hier nur als eines der Highlights der
letzten Monate den Pflegeskandal Lainz erwähnen darf (GR Franz Ekkamp: Die
Wiener Gebietskrankenkasse ist das Thema!) - wobei das, leider Gottes, auch
nichts besonders Neues war, sondern nur die Wiederholung von Dingen, die in den
letzten Jahren und Jahrzehnten immer wieder passiert sind -, wenn ich an Ihr
Desaster, Ihr Herumlavieren in der Frage Semmelweis denke - einmal hin, einmal
her, einmal zusperren, einmal aufsperren, jetzt wird separiert; das Gleiche
spielen wir bei Gersthof, das Gleiche spielen wir beim Kaiserin Elisabeth
Spital (GRin Mag Sonja Wehsely: Eine klassische Themaverfehlung!) -,
wenn ich an Ihre "grandiose" Performance bei der Verlagerung von sage
und schreibe drei Intensivbetten auf der Baumgartner Höhe denke, wofür Sie
jetzt eine Begründung gefunden haben, die dahin gehend ist, dass man von einem
Pavillon zum anderen drei Betten verlagert (GR Harald Troch: Kennen Sie das
heutige Thema?), dann frage ich mich, wer es ist, der in dieser Stadt ein
Chaos produziert! (Beifall bei der ÖVP.)
Jahrelang kündigen Sie Pläne für Krankenanstalten,
Pläne für Pflegeheime an, Sie kündigen Gesetze an, die bis heute noch nicht das
Licht dieses Hauses erblickt haben! - Aber sei's drum. (GRin Mag Sonja
Wehsely: Die fünf Minuten sind eh bald vorbei!) Wir verdanken Ihnen
jedenfalls eine interessante politphysikalische Entdeckung, nämlich dass Chaos
durch nachhaltiges Nichtagieren entstehen kann. Das ist Ihre Wiener
Gesundheitspolitik! (GR Christian Oxonitsch: Augen zu und durch!)
Da muss ich wirklich sagen: Die
Einzige - da muss ich durchaus Abbitte leisten -, die sich hier um Reformen
bemüht, ist die Frau Gesundheitsstadträtin. Das Ergebnis ist bekannt: Sie ist
seit Monaten ein Auslaufmodell oder zumindest eine Person, die auf Abruf steht.
Aber ich denke, Sie haben ja einen potentiellen Kandidaten als
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