Gemeinderat,
41. Sitzung vom 26.03.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 33 von 87
nimmt ihren Platz ein) - ich begrüße Sie, Frau Stadträtin - nicht einmal die
verantwortlichen politischen Entscheidungsträger dieser Diskussion hier im
Gemeinderat beiwohnen.
Es ist das alles ein vernichtendes Zeugnis für die
rote Alleinregierung, meine sehr geehrten Damen und Herren, und deren
politische Verantwortung sowie deren Personalpolitik, die nicht ausschließlich
auf Fähigkeit und Kenntnis beruht, sondern auf dem Parteibuch. Und das werden
wir nicht länger hinnehmen, und dem werden wir auch nicht länger zusehen! Wir
werden das in der weiteren Folge immer wieder in der Öffentlichkeit
klarstellen! (Beifall bei der ÖVP.)
Kommen wir nun zu den Verfehlungen im Bereich der
fachlichen und sachlichen Verantwortung. Dazu erlaube ich mir, zwei Absätze des
Kontrollamtsberichts zu zitieren. Ich zitiere:
"Die Einschau ergab, dass Mängel im
Pflegebereich auf ein unzureichendes Beschwerdemanagement, Führungsschwächen
auf mehreren Leitungsebenen sowie laufend aufgetretene Personalengpässe
zurückzuführen waren. Aufsichts- und Kontrollpflichten im Pflegebereich waren
zwar grundsätzlich normiert, verbindliche Kontrollintervalle und eine
einheitliche Dokumentation dieser Überprüfungen aber nicht festgelegt worden.
Weiters zeigte sich, dass unter Zugrundelegung einer
entsprechenden Personalausstattung sowie nach Modernisierung noch nicht
umgebauter Pavillons auch im Geriatriezentrum Am Wienerwald eine qualitativ
hochwertige, zeitgemäße Pflege grundsätzlich möglich wäre."
Das besagt deutlich und klar, dass sie derzeit
grundsätzlich nicht möglich ist. Die oberen und mittleren Führungsebenen haben
die Verantwortung nach unten delegiert. In der Untersuchungskommission ist ganz
klar die Hierarchie der deklarierten Unzuständigkeit zu Tage getreten, und ich
sage: Von all denen würde ich gerne das Geld zurückfordern, wenn es nach dem
Angestelltengesetz möglich wäre, denn sie haben keineswegs eine zufrieden
stellende Leistung erbracht.
Ersparen Sie mir, all die Details zu schildern, die
ich mir bei der Durcharbeitung der 270 Seiten des Kontrollamtsberichts
seitenweise herausgeschrieben habe. Es macht keinen Unterschied, ob eine
überlastete oder schlampige Stationsschwester die Heimbewohner, die Aufsicht
und die Dokumentation vernachlässigt, ob eine Abteilungsoberin keine oder eine
nicht systematisch organisierte Pflegevisite und Personalbetreuung durchführt,
ob ein Pflegeleiter zum Beispiel nicht einmal weiß, wie viele Achtbettzimmer er
in seiner Anstalt hat, oder ob ein Direktor einer Teilunternehmung oder ein
Generaldirektor keine ausreichenden Unternehmungsgrundsätze und standardisierten,
für die Bereiche des Pflegewesens vorgeschriebenen Planungen und Kontrollen
beauftragt sowie deren Umsetzung überwacht hat. Das fachliche Versagen ist
immer das gleiche, nur: Je weiter oben es passiert, umso mehr Folgen zeitigt es
und umso stärker muss es daher auch sanktioniert werden. (Beifall bei der ÖVP.)
Die ganze Affäre ist ein Trauerspiel für alle
Beteiligten, vom Bürgermeister angefangen bis zum letzten Betroffenen und
Angehörigen. Sie zeigt ganz deutlich das Versagen großer Einheiten der
organisierten Humanität, die letztlich in Sorglosigkeit, in Lieblosigkeit und
in Wurschtigkeit endet, anstatt Verantwortung, Zuwendung und Mitmenschlichkeit
zu fördern. Es zeigt, dass der Kernpunkt sozialistischer Gesellschaftspolitik
versagt hat und auch weiterhin versagen wird. (Beifall bei der ÖVP.)
Wir nehmen den Kontrollamtsbericht mit Unmut und mit
Bedauern zur Kenntnis. Wir nehmen nicht länger zur Kenntnis, dass diese
Zustände in unserer Stadt passieren können, und fordern die mit absoluter
Mehrheit regierende Wiener SPÖ auf, endlich unseren betagten Mitbürgern die
menschenwürdige Pflege zukommen zu lassen und sicherzustellen. (Beifall bei
der ÖVP.)
Vorsitzende GRin Mag Heidemarie Unterreiner: Als nächster Redner ist Herr Dr Serles zum
Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.
GR Dr Wilfried Serles (Klub der
Wiener Freiheitlichen): Frau Vorsitzende! Frau Stadträtin! Meine sehr
geehrten Damen und Herren!
Machen Sie mit mir den Versuch
einer Zeitreise in Sachen Lainz, um zu klären, wer die Verantwortung dafür
trägt, dass uns Lainz so entgegentritt wie wir es heute vorfinden, und damit
wir auch klären können, was die Garantien des Herrn Bürgermeisters wert sind,
die er rund um die letzte Sitzung des Kontrollausschusses vollmundig abgegeben
hat.
Ich darf diese Zeitreise mit einem Zitat aus einer
Publikation des Vereins für Sachwalterschaft und Patientenanwaltschaft, die
sich "Im rechtsfreien Raum ..." nennt, beginnen. Das Zitat lautet:
"Eine ehrenamtliche Mitarbeiterin besucht ihre
Klientin und muss mit Verwunderung feststellen, dass bereits alle Patientinnen
im Bett sind: Frisch gewickelt, gefüttert, etc. Nachtruhe um 16.30! Auf einer
anderen Station (...) im vergangenen Sommer bereits um 15.30!"
Meine Damen und Herren! Diese
Situation beschreibt Nachtruhe am Nachmittag im größten geriatrischen Zentrum
der Stadt Wien, in Lainz. Sie beschreibt aber nicht einen Sommer im
Jahr 2003, sondern einen Sommer des Jahres 1998. Fünf Jahre vor der
öffentlichen Diskussion über Nachtruhe in Lainz waren in diesem Bericht der
Sachwalterschaft identische Zustände bereits im Jahr 1998 nachzulesen, und
weitere Details aus diesem Bericht lesen sich ebenso, als hätten sie sich im
Sommer 2003 ereignet: Da werden im Pflegeheim Baumgarten auf Rollstühlen
befestigte Ablagevorrichtungen beobachtet - das kennen wir alles auch aus den
Berichten von Frau Ehmsen-Höhnl im Jahr 2003 -, Vorrichtungen, die keinen
Anflug eigenständiger Mobilität zulassen. Da wird das Pflegeheim Liesing ganz
kritisch beschrieben, seine ungemütliche Atmosphäre, die desolaten Zustände
dort, das sichtlich überforderte Personal, der unsensible Umgang mit
freiheitsbeschränkenden Maßnahmen und generell der unkritische Umgang des
Personals, weil sich diese armen Leute eben nicht mehr anders helfen können,
als teilweise mit ihren Pfleglingen per Du zu sein und damit letztlich subtile
Zwangsmaßnahmen
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