Gemeinderat,
41. Sitzung vom 26.03.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 4 von 87
Amtsf StR Dr Andreas Mailath-Pokorny: Sehr
geehrte Frau Gemeinderätin!
Es ist zum Glück nicht die Aufgabe des
Kulturstadtrates, Publikum, jedenfalls nicht im Theater, zu gewinnen. Dazu
haben wir Theaterleiter, Theatermacher, Leute, die für das Theater
verantwortlich sind. Der Kulturstadtrat kann die Rahmenbedingungen dafür
sicherstellen, dass diese Theaterleiter dann möglichst gute Bedingungen
vorfinden, um Publikum anzusprechen. Ich glaube, das ist eine Diskussion, die
so alt wie das Theater und damit mehrere Tausend Jahre alt ist. Wie man
Publikum gewinnt, dafür lassen sich natürlich keine letztgültigen Antworten
geben.
Es ist in der Tat richtig, dass wir in den Jahren
seit 2001 einen geringfügigen Rückgang, was die Theaterbesucher in Wien
anbelangt, vorfinden. Dieser Rückgang ist allerdings nicht ein Rückgang in der
Auslastung, sondern der Rückgang ist, wie wir nachgeforscht und vorgefunden
haben, ausschließlich einer, weil es weniger Produktionen gibt. Weniger
Produktionen gibt es in Wien deshalb, weil es weniger Subventionen gibt, nicht
von Seiten der Stadt, sondern von Seiten des Bundes. So ist es. Auch wenn es Ihnen nicht Recht ist, aber das ist der
einzig nachvollziehbare Grund, warum es zu einem Rückgang gekommen ist. Im
Übrigen sind diese Zahlen auch schon wieder umgekehrt, also es gibt wieder eine
leichte Steigerung in den Besucherzahlen festzustellen.
Was nun die Sprache anbelangt: Ich weiß, es gibt von
Ihnen die Initiative zum Schutz der deutschen Sprache. Ein Ausfluss dieser
Initiative sollte sein, dass die fremdsprachigen Produktionen bei den Wiener
Festwochen und wahrscheinlich auch in den Kinos zurückgehen. Dabei werden Sie
in mir einen ganz entschiedenen Widerstand und auch eine Ablehnung finden. Ich
meine, dass fremdsprachige Produktionen sowohl bei den Wiener Festwochen als
auch bei den Wiener Theatern als auch in Kinos absolut eine Bereicherung für
diese Stadt sind und dass wir uns bemühen sollten, vielleicht sogar noch mehr
fremdsprachige Produktionen sowohl in den Kinos als auch in den Theatern laufen
zu lassen. Dies sage ich auch am Vorabend der Erweiterung der EU, wo es dann 25
oder jedenfalls 20 verschiedene Sprachen geben wird. Ich meine, dass es das
falsche Signal wäre, einen Rückgang von fremdsprachigen Produktionen zu
fordern.
Im Übrigen, wenn sie sagen, früher war es im Theater
sozusagen sehr viel besser und da hat man gewusst, was man sieht, sage ich
Ihnen, es wird am Sonntag eine Nestroyproduktion im Burgtheater geben, wo
Robert Meyer inszeniert und spielt. Er wird zum Beispiel die Nestroy-Couplets
ein wenig anders gestalten, wie ich heute früh im Radio gehört habe. Das wird
Tango- und Popanklänge haben. (GRin Mag
Heidemarie Unterreiner: Die wurden immer anders gestaltet!) Jetzt weiß ich
nicht, ob das innerhalb dessen ist, was Sie als Komödie und Tragödie ansehen,
wegen der man gerne ins Theater geht, aber es soll nur ein bisschen darauf
hinweisen, dass es – das ist das Wesen des Theaters – aktuelle Strömungen und
Entwicklungen aufnimmt. Das war eigentlich in der Kunst immer so. Kunst hat
immer das aufgenommen, was gerade eine gesellschaftliche Relevanz hatte. Es
wäre auch schade, wenn es nicht so wäre.
Ich glaube, dass die Wiener Theaterschaffenden kompetent
genug sind – das beweisen auch die Zahlen –, Publikum anzusprechen und die
Menschen gehen ins Theater. Theater ist in Wien eine wichtige Geschichte. Das,
was wir von uns aus machen können, um dafür zu sorgen und die Bedingungen
sicherzustellen, werden wir auch tun.
Vorsitzender GR Günther Reiter: Letzte Zusatzfrage, Frau Mag Ringler.
GRin Mag Marie Ringler (Grüner Klub
im Rathaus): Herr Stadtrat!
Ich glaube, Sie machen es sich ein bisschen leicht mit
dieser Frage. Ich gebe zu, dass es auch leicht ist, auf die Frage der Frau
Unterreiner so zu reagieren, wie sie das tun. Tatsache ist aber doch viel mehr,
dass die Frage, wie wir es schaffen, dass sich mehr Leute fürs Theater
interessieren, ursächlich in unserer kulturpolitischen Verantwortung liegt und
auch nicht von der Frage, welche kulturpolitischen Schwerpunkte man setzt, zu
trennen ist und insofern durchaus auch etwas mit den 30 bis 40 Millionen
für den Umbau des Ronacher zu tun hat, denn – ich glaube, das ist etwas, was
wir ernst nehmen müssen, Herr Stadtrat – die Theaterschaffenden in dieser Stadt
verstehen tatsächlich nicht, wieso wir einerseits eine Theaterreform machen,
von der Sie wissen, dass ich sie vollinhaltlich unterstütze, und andererseits
aber in Bereichen, die tatsächlich in eine ganz grundsätzlich andere Richtung
als die Zielsetzungen unserer Theaterreform gehen, ein bisschen Geld
investieren. Wenn dann zu Recht die Nachfrage kommt, was wir kulturpolitisch
dafür tun, dass mehr Menschen ins Theater gehen, sagen Sie, dass Sie damit
nichts zu tun haben. Das ist, glaube ich, ein Fehler.
Wir diskutieren sehr über die Frage, ob es mehr oder
weniger Publikum gibt. Es gibt die Methoden der Markt- und Meinungsforschung,
die man ganz selbstverständlich in allen anderen Bereichen einsetzt. Mich würde
interessieren, ob Sie bereit sind, eine Studie zu finanzieren, die dann auch
öffentlich zur Verfügung stehen wird und die erhebt, weshalb Menschen ins
Theater gehen, warum sie das tun und was sie sich noch gerne anderes anschauen
würden. Denn ich glaube, die Herausforderung, die tatsächlich bei uns liegt,
ist darüber nachzudenken, wie wir jene Leute, die heute ins Musical gehen,
morgen ins Burgtheater und übermorgen in die Drachengasse bringen. Das sollte
erforscht werden.
Deshalb die Frage an Sie, ob Sie bereit sind, eine
derartige Studie zu finanzieren.
Vorsitzender GR Günther Reiter: Herr Stadtrat.
Amtsf StR Dr Andreas Mailath-Pokorny:
Sehr geehrte Frau Gemeinderätin!
Ich glaube nicht, dass man sagen kann, dass ich damit nichts
zu tun haben möchte. Ich engagiere mich für die Theaterreform, die wir
gemeinsam machen. Das ist selbstverständlich eine Aktion, die einmalig ist.
Diese
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